Kinder - der ganz normale Wahnsinn:Nein, für die Schule lern' ich nicht

Tipps für die Erziehung von Jugendlichen, Teenager

Die erste Freundin, der erste Freund, die große, neue Freiheit: In der Prioritätenliste von Jugendlichen steht Schule meist nicht auf den ersten Plätzen.

(Foto: J. Hosse)

Leider steigen die Ansprüche an die Schüler genau dann an, wenn sie wegen der Pubertät eine eher geringe Motivation verspüren, sich so unwichtigen Dingen wie Lernen zu widmen. Auch wenn der Sohn plötzlich wieder sehr gerne zur Schule geht, hat das nicht unbedingt mit dem spannenden Geschichtsunterricht zu tun.

Von Katja Schnitzler

Ihr Sohn hatte vom ersten Schultag an nicht zu den fleißigsten Schülern gehört: Damals sollte er als Hausaufgabe die Umrisse eines Schulranzens ausmalen, mehr Kür als Pflicht. Doch er wollte nicht, schließlich war der Unterricht vorbei. Wieso sollte er sich am Nachmittag noch mal damit befassen?

Dieser Einstellung blieb er treu, wurde aber durch sanftes Hinwirken der Eltern zu einem Mindestmaß an häuslichen Schulpflichten genötigt. Außerdem passte er am Vormittag gut auf. Das genügte, damit sich die Eltern keine allzu großen Sorgen um die Zukunft des Sohnes machen mussten.

Doch dann kam ihnen etwas dazwischen: die Pubertät, das hinterhältige Miststück. Sie verführte den Sohn, sich dem sanften Hinwirken der Eltern zu entziehen. "Habe ich schon gelernt, kann ich längst, mach' ich später, jetzt nerv' nicht." Darauf folgte meist: "Der Lehrer stellt immer so schwere Aufgaben, dafür ist der bekannt. Ich hatte keine Chance." Die immer schlechteren Noten bedrückten ihn nicht über die Maßen. Die Eltern umso mehr.

"Du lernst jetzt, sonst fällst du doch noch wegen Geschichte durch. Wegen Geschichte! Das muss doch sogar dir peinlich sein, ein reines Lernfach", redeten sie dem Sohn ins Gewissen. Doch das Gewissen war gerade auch in der Pubertät und regte sich nicht.

Zwar blickte der Sohn unter Aufsicht und unter Protest ins Geschichtsbuch, jedoch allzeit bereit für eine Ablenkung. Wussten Sie übrigens, dass man mit ein wenig Übung immer genau zwanzig Geschichtsbuchseiten auf einmal umblättern kann? Das nur am Rande.

Obwohl sich der Sohn so intensiv mit dem Buch beschäftigt hatte, brachte er zum großen Erstaunen der Eltern eine Fünf nach Hause. Die zehnte Klasse würde er noch einmal durchstehen müssen. Die Eltern ebenfalls.

Der September begann, die Laune des Sohnes näherte sich ungeahnten Tiefpunkten. Keiner seiner Freunde war sitzengeblieben. Nur er, er allein. Wegen dieses gemeinen Lehrers!

Die Eltern hatten beschlossen, ihr Schimpfen im Juli einzustellen und es im August und September verstärkt mit Motivation und Ins-Gewissen-Reden zu versuchen. Doch alle Versuche scheiterten. Immer wenn die Sprache kam auf "Gleich von Anfang an lernen" und "Dranbleiben, auch wenn du den Stoff schon kennst - aber du beherrschst ihn ja nicht" oder "Wir wissen, dass du das besser kannst. Und im Zweifelsfall ist das dein Abschlusszeugnis!", leerte sich das Gesicht des Sohnes und die Eltern glaubten, ihre wohlmeinenden Worte am anderen Ohr ihres Kindes wieder herauspurzeln zu sehen.

Es war keine leichte Zeit. Doch dann, mit Schulbeginn, trat ein unverhoffter Wandel ein.

Eine wahre Schul-Leidenschaft

Schon am ersten Schultag kam der Sohn pfeifend nach Hause, am nächsten Morgen verließ er überpünktlich das Haus. Das war zuletzt in der zweiten Klasse vorgekommen.

Mit seiner Stimmung hellte sich auch die der Eltern auf, ein Hoffnungsschimmer erschien am familiären Bildungshorizont. An manchen Nachmittagen blieb der Sohn sogar länger in der Schule. Freiwillig.

Gut, das Geschichtsbuch führte noch immer ein weitgehend unbeachtetes Dasein am Schreibtischrand. Aber das würde schon noch werden. "Ich glaube, jetzt hat er es kapiert", seufzte die Mutter, als sie noch mit ihrer älteren Tochter beim Frühstück saß, während der Sohn schon zum Unterricht eilte. "Was denn?", fragte seine Schwester, die mittlerweile zwei Jahrgänge über ihrem Bruder dieselbe Schule besuchte. "Dass er nicht für die Schule lernt, sondern fürs Leben", meinte die Mutter.

Ihre Tochter sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann schüttelte sie ob der mütterlichen Naivität den Kopf. "Klar, Mama", sagte sie, "lernt er in der Schule fürs Leben. Nur nicht so, wie ihr denkt." "Wie meinst du das?", fragte die Mutter, deren Tiefenentspannung zunehmender Nervosität wich.

"Na, wenn sich mein kleiner Bruder weiterhin so engagiert, wird er es vielleicht tatsächlich schaffen, mit dem Traum aller Jungs in seiner neuen Klasse zusammenzukommen."

Für Jugendliche gibt es etliche Dinge, die wichtiger sind als strebsames Lernen. Manche Teenager kapitulieren auch einfach vor dem Druck in der Schule. Bildungsforscherin Petra Buchwald erklärt, wie Eltern ihr Kind motivieren und einen Ausgleich zum Stress schaffen können.

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