Haute Cuisine:So schmeckt der Norden

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Die "Neue Nordische Küche" soll Skandinaviens kulinarische Landschaft revolutionieren. Der Erfolg des Kopenhagener Restaurants Noma ist ein erster Etappensieg.

G. Herrmann

Moschusochse aus Grönland, Lamm von den Färöern, Kräuter aus dänischen Wäldern - was der dänische Koch René Redzepi in seiner Küche zubereitet, ist für Gourmets Anlass genug, nach Kopenhagen zu pilgern. Und spätestens seit Montag, als Redzepis Lokal Noma von einer Mineralwasserfirma in London mit dem Titel "Bestes Restaurant der Welt" bedacht wurde, sind der Koch und die "Neue Nordische Küche" jedem Feinschmecker ein Begriff.

René Redzepi gilt als einer der besten Köche der Welt. Die Skandinavier hoffen nun, dass er die "Nordische Küche" von ihren Imageproblemen erlöst. (Foto: Foto: Reuters)

Eigentlich eine kleine Sensation, denn bislang spielte Nordeuropa in der internationalen Restaurantszene kaum eine Rolle. Das soll nun anders werden, so hoffen nicht nur die Dänen. Und hinter dieser Entwicklung steht, wie so oft in Skandinavien, ein großer Plan: Es geht darum, die nordische Esskultur von Grund auf zu ändern, um endlich das lästige Fleischbällchen-Image loszuwerden.

Einfach wird das nicht. Denn es gibt Gründe dafür, dass der Norden nie für seine Köche berühmt war, vom dänischen Koch in der Muppet-Show einmal abgesehen. Und diese Gründe kennt jeder, der mal versucht hat, in einer schwedischen oder dänischen Kleinstadt Essen zu gehen. Da findet sich oft nur eine Würstchenbude, mancherorts ist sie gar Brennpunkt dörflicher Geselligkeit. Serviert wird dort in etwa das, was jeder aus dem Ikea-Restaurant kennt.

Und neben dem allgegenwärtigen Fastfood hat Skandinaviens Cuisine noch eine Reihe echter Gaumenschocker hervorgebracht: etwa Surströmming - vergorenen Hering, der entsetzlich stinkt - oder Blutpudding, eine Art gezuckerte Blutwurst.

Jenseits der Geschmacks-Wüsten hat sich in den Großstädten natürlich längst auch eine schicke Restaurant-Szene etabliert, mit jungen, kreativen Köchen, die ihr Handwerk oft im Ausland gelernt haben. Diese Küchenchefs finden, dass es im Norden eigentlich gute Voraussetzungen für appetitliche Speisen gäbe: Frische Rohwaren wie Fisch, Beeren, Wild sind ja im Überfluss vorhanden, es haperte bisher nur oft an der Zubereitung.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie René Redzepi zur Speerspitze der "Neuen nordischen Küche" wurde.

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Um das zu ändern, versammelten sich 2004 zwölf Spitzenköche aus den fünf nordischen Ländern in Kopenhagen zu einem Symposium und unterzeichneten dort das "Manifest für die neue nordische Küche". Die Initiative wurde mit viel Tamtam sogar von den Regierungen in Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen und Island übernommen und gefördert.

René Redzepis Restaurant Noma ist die Speerspitze dieser Revolte am Herd, und was immer man von Ranglisten halten mag, die Auszeichnung des "Noma" als "bestes Restaurant der Welt" wurde in ganz Skandinavien als Durchbruch gefeiert. Besonders freute sich Claus Meyer, Mitbegründer des Noma, der seit 25 Jahren in dänischen Medien einen Kreuzzug für besseres Essen führt. "Die ersten 19 Jahre meines Lebens musste ich in kulinarischer Finsternis zubringen", klagt er. "Dann lebte ich für einige Zeit in Südfrankreich. Seitdem frage ich mich: Warum kochen wir Dänen so lausig?"

Heute weiß der 46-Jährige eine Antwort. "Es liegt am skandinavischen Puritanismus", meint der Koch. "Drei Jahrhunderte lang haben Priester und Doktoren den Leuten eingeredet, gutes Essen sei eine Sünde." Meyer fordert von seinen Landsleuten nun das Ende der Enthaltsamkeit. Die Auszeichnung des Noma, sei ein "phantastischer Anfang", meint er. Doch gebe es noch viel zu tun.

Denn die "Neue Nordische Küche" ist seit Dienstag zwar in allen Zeitungen, in aller Munde aber ist sie noch nicht.

© SZ vom 29.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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