Familie:Wer ist der Vater des Kuckuckskindes?

Scheinväter dürfen künftig von der Mutter verlangen, ihre Sexualpartner zu nennen. Was bedeutet das für die Beteiligten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Barbara Vorsamer

Scheinväter sollen künftig mehr Rechte bekommen - indem Mütter verpflichtet werden, preiszugeben, wer ihnen "während der Empfängniszeit beigewohnt hat". Den entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundesjustizministerium nun vorgelegt.

Was ändert sich dadurch? Was bedeutet das für die Mütter, die Väter, die Kinder? Und wie viele Menschen betrifft es? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist eigentlich ein "Kuckuckskind"?

Kuckuckskind ist ein meist abfällig gemeinter Begriff für Kinder, bei denen rechtlicher und biologischer Vater nicht dieselbe Person sind, der rechtliche Vater sich aber für den Erzeuger hält. Oft heißt es dann, die Mutter habe dem Mann das Kind "untergeschoben". Angelehnt ist die Bezeichnung an den Kuckucksvogel, der seine Eier von fremden Vögeln ausbrüten lässt.

Es gibt auch Kinder, die mit ihrem Vater nicht biologisch verwandt, aber trotzdem keine Kuckuckskinder sind - zum Beispiel, wenn das Paar eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen vornehmen ließ oder das Kind adoptiert hat.

Was versteht man unter einem Scheinvater?

Den rechtlichen Vater eines Kuckuckskindes. Dem deutschen Familienrecht zufolge gilt jener Mann als Vater eines Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist oder der vor dem Standesamt die Vaterschaft offiziell anerkannt hat. Damit hat er das Sorgerecht und ist unterhaltspflichtig. Ob er tatsächlich an der Zeugung des Kindes beteiligt war, interessiert die Behörden erst mal nicht.

Das kann zu skurrilen Konstellationen führen: Bekommt zum Beispiel eine getrennt lebende, aber noch verheiratete Frau mit einem neuen Partner ein Kind, ist ihr Ehemann der rechtliche Vater - inklusive Sorgerecht, Unterhaltspflicht und Mitspracherecht bei der Namensgebung. Der biologische Vater hat zunächst keinerlei Rechte.

Von Scheinvaterschaft spricht man in so einem Fall aber nicht. Die liegt nur vor, wenn der rechtliche Vater sich für den Erzeuger gehalten hat, also von seiner Partnerin bewusst in die Irre geführt wurde. Wenn ihm immer bekannt war, dass das Kind von einem anderen Mann stammen könnte und er sich dennoch dafür entschied, bei ihr zu bleiben und das Kind zu akzeptieren, dann kann er die Vaterschaft auch später nicht mehr anfechten.

Welche Rechte haben Väter, die Zweifel an ihrer Vaterschaft haben?

Ein englisches Sprichwort lautet "Mother's baby, father's maybe" und spielt darauf an, dass Männer sich nicht hundertprozentig sicher sein können, ob der Nachwuchs tatsächlich von ihnen stammt. Wenn Männern Zweifel an ihrer biologischen Vaterschaft kommen, haben sie das Recht, von ihrer Partnerin Auskunft zu verlangen.

Glauben sie die Antwort nicht, dürfen sie einen Vaterschaftstest verlangen. Noch kursiert häufig die Behauptung, ein Test könne nur mit Zustimmung der Mutter durchgeführt werden. Seit 2008 darf aber jeder der Beteiligten - Vater, Mutter oder Kind - einen Gentest zur Klärung der Abstammung verlangen. Wird das verweigert, kann das Familiengericht die Erlaubnis erteilen und tut das in der Regel auch. Nur wenn das Kindeswohl dem entgegensteht, das Kind also beispielsweise suizidgefährdet ist, wird das Verfahren ausgesetzt.

Nicht erlaubt sind heimliche Vaterschaftstests. Sie sind ein Angriff auf die "informationelle Selbstbestimmung" und vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen.

Was passiert, wenn der Vaterschaftstest negativ ist?

Erst mal nichts, die Feststellung, dass keine biologische Vaterschaft besteht, beendet die rechtliche nicht automatisch. Möchte der Mann das aber, zum Beispiel weil er nicht länger Unterhalt bezahlen will, kann er die Vaterschaft vor Gericht anfechten und seine Zahlungen zurückfordern.

Auskunft der Mutter kann gerichtlich durchgesetzt werden

Was wird im vorliegenden Gesetzentwurf neu geregelt?

Der sogenannte Scheinvaterregress, also die Ansprüche eines Mannes, seinen zu Unrecht gezahlten Unterhalt zurückzufordern - und zwar nicht von Mutter und Kind, denn deren Anspruch auf Unterhalt bestand ja tatsächlich. Stattdessen geht die Forderung an den biologischen Vater des Kindes, der ja eigentlich zahlungspflichtig gewesen wäre. Bislang scheiterten Regressforderungen von Scheinvätern häufig daran, dass die Identität des Erzeugers nicht bekannt ist. Künftig ist die Mutter verpflichtet, vor Gericht preiszugeben, mit wem sie zur fraglichen Zeit Geschlechtsverkehr hatte.

Zudem wird die Zeit, für die der Scheinvater Regressansprüche hat, auf maximal zwei Jahre begrenzt. Justizminister Heiko Maas erklärt das damit, dass bis zu den ersten Zweifeln an der Vaterschaft typischerweise ein gewöhnliches Familienleben stattfinde. "Das sollte unterhaltsrechtlich nicht rückabgewickelt werden", sagt er. Sollten sich Zweifel erhärten, sei es dem Scheinvater zuzumuten, innerhalb von zwei Jahren die Vaterschaft anzufechten. Bislang war es so, dass Scheinväter Unterhaltszahlungen bis zur Geburt des Kindes zurückfordern konnten.

Warum wird der Scheinvaterregress neu geregelt?

Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2015 einer Klägerin recht gegeben, die sich weigerte, dem Scheinvater die Identität des biologischen Vater mitzuteilen. Es gebe bislang keine Gesetzesgrundlage für einen derartigen Eingriff in die Intimsphäre, beschied das Gericht - und mahnte an, die Rechte von Scheinvätern durch ein entsprechendes Gesetz zu stärken.

Die Frau hatte ihren Partner geheiratet, als sie schwanger war, und ihm später gestanden, dass er womöglich nicht der leibliche Vater des Kindes sei. Kurze Zeit später wurde die Ehe geschieden. Da der Scheinvater eine Rückzahlung des Unterhalts bewirken wollte, versuchte er, von der Frau zu erfahren, wer der wirkliche Vater ist.

Müssen Mütter grundsätzlich angeben, wer der Vater ihres Kindes ist?

Theoretisch haben unverheiratete Frauen die Möglichkeit, beim Standesamt "Vater unbekannt" anzugeben. Allerdings wird es dann schwierig mit dem Anspruch auf Unterhalt. Der Staat übernimmt nur, wenn der Kindsvater nicht in der Lage ist zu zahlen oder wenn er tatsächlich nicht ausfindig zu machen ist. Die Mutter selbst muss ernsthaft daran mitwirken, die Identität des Erzeugers herauszufinden. Dasselbe gilt künftig auch im Scheinvaterregress.

Was passiert, wenn die Mutter sich weigert?

Ihre Auskunft kann gerichtlich durchgesetzt werden. Im Extremfall könnte das Zwangsgeld oder Zwangshaft bedeuten. Ausnahmen gibt es, wenn die Nennung des biologischen Vaters für die Frau nicht zumutbar wäre. Im Gesetzentwurf werden als Beispiele Geschwisterbeischlaf oder Vergewaltigung durch einen Verwandten genannt.

Wie viele Fälle von Scheinvätern und Kuckuckskindern gibt es eigentlich?

Eine offizielle Statistik gibt es dazu nicht. Bei der Recherche liest man häufig, dass Experten zufolge jedes zehnte Kind ein Kuckuckskind sei, manche Anbieter von Vaterschaftstests sprechen sogar von jedem fünften. Aktuellen Studien zufolge sind diese Zahlen jedoch viel zu hoch. Genanalysen beziffern den Anteil der Kuckuckskinder auf ein bis zwei Prozent.

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