Extremsportler Axel Naglich:"Man kämpft ums Überleben"

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Auf den Abfahrten des Extremskifahrers Axel Naglich bedeutet ein Fehler den sicheren Tod. Trotzdem zieht er immer wieder los.

S. Bernhard

Manchmal, wenn Axel Naglich seine Ski anschnallt, setzt er sein Leben aufs Spiel. Denn der 41-jährige Kitzbüheler ist ein Getriebener, immer auf der Suche nach den steilsten Hängen. Sein jüngstes und wohl schwierigstes Projekt ist derzeit unter dem Titel Mount St. Elias in den deutschen Kinos zu sehen.

Als Extremsportler kommt Axel Naglich immer wieder in lebensbedrohliche Situationen - wie in Alaska, wo er bei Minus 30 Grad 15 Stunden lang unterwegs zum Basislager war. (Foto: Foto: oh)

Süddeutsche Zeitung: Der Höhepunkt Ihres Films ist eine Skiabfahrt vom 5489 Meter hohen Mount St. Elias in Alaska. Den Gipfel erreichte vor Ihnen fünf Jahre lang kein anderer Kletterer. Warum ist dieser Berg so schwer zu bezwingen?

Axel Naglich: Der Weg ist lang und dauert mehrere Tage. Aber schönes Wetter ist selten. Der Berg liegt direkt am Golf von Alaska. Da stehen Tiefdruckgebiete von der Größe Europas oft regelrecht Schlange, um sich als Sturm an der Küste zu entladen. Der Gipfel liegt dann wochenlang im Nebel und an Klettern ist nicht zu denken. Manche Teams kommen an, sitzen drei Wochen im Basiscamp fest und reisen ab, ohne dem Gipfel auch nur einen Meter nähergekommen zu sein.

SZ: Auch Ihnen wurde das Wetter beinahe zum Verhängnis.

Naglich: Ja, einen Versuch mussten wir abbrechen. Da waren wir dem Gipfel schon ganz nah, etwa auf 5150 Meter Höhe, als plötzlich das Wetter umschlug. Ein Sturm brach los, wie ich ihn nicht für möglich gehalten hätte. Die Kletterseile hingen waagrecht im Wind. Sehen konnte ich überhaupt nichts mehr, mich nur noch hinabtasten - alles war weiß. Schlimm war auch die Kälte.

SZ: Welche Temperaturen mussten Sie ertragen?

Naglich: Minus 30 Grad. Das ist eine Kälte, die man 30 Minuten ganz gut aushält, vielleicht auch eine Stunde. Das Lager war aber 15 Stunden entfernt. Ich glaube - kaum ein Mensch kann sich vorstellen, wie ich gefroren habe. Es ist faszinierend, wie leicht man am Berg in die Bredouille geraten kann. In der einen Minute ist noch alles wunderbar, in der nächsten kämpft man ums Überleben.

SZ: Sie müssen aber gewusst haben, dass Sie auf der Expedition Ihr Leben riskieren. Erst 2002 kamen zwei Amerikaner beim Versuch der Erstbefahrung vom St. Elias ums Leben.

Naglich: Natürlich. Der Berg ist so steil, dass eine Skiabfahrt an der Grenze des Menschenmöglichen liegt; von oben glaubt man, eine senkrechte Hausmauer hinabzuschauen. Wer stürzt, rutscht hilflos die Eisflanke hinab und fällt dann über einen senkrechten Gletscherabbruch Hunderte Meter in die Tiefe. Das war mental schon anspruchsvoll, als ich meine Ski anschnallte und wusste, dass jetzt ein paar tausend Schwünge vor mir liegen, von denen jeder einzelne perfekt sitzen muss. Im zweiten Abschnitt spricht Naglich über Abenteuerlust - und was die Leute sagen würden, wenn ihm etwas zugestoßen wäre.

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SZ: Gab es da nicht Stimmen, die sagten: Das ist Wahnsinn.

Naglich: Sicher, an den Erfolg glaubte höchstens eine Handvoll Freunde. Aber ich versuche mir da nichts vorzumachen. Jetzt haben wir es zwar geschafft und stehen als Helden da. Vielleicht hatten wir aber nur wahnsinnig viel Glück, sind ganz knapp am Desaster vorbeigeschrammt und haben es nicht einmal gemerkt. Zwischen Erfolg und Niederlage liegt oft nur ein falscher Schritt und wenn uns etwas zugestoßen wäre, wären wir für alle die ahnungslosen Trottel gewesen.

SZ: Sie sind Architekt und könnten in Kitzbühel ein ruhiges Leben führen. Warum nehmen Sie solche Strapazen auf sich und riskieren Ihr Leben?

Naglich: Wegen des unglaublichen Hochgefühls im Moment des Erfolges. Leider hält dieses Gefühl nur kurz an - ein paar Monate vielleicht, dann wird es Zeit für ein neues Projekt. Ich habe einfach den Drang, mich von Zeit zu Zeit in ein Abenteuer zu stürzen. Das macht mich glücklicher als ein beruflicher Höhenflug oder eine Million auf dem Konto.

SZ: Demnach haben Sie jetzt schon wieder neue Pläne im Kopf?

Naglich: Ja, aber noch nichts Spruchreifes. Es dauert immer Jahre, so eine Expedition auf die Beine zu stellen und es ist auch gar nicht leicht, neue Ziele zu finden. Alle relativ einfachen Erstbefahrungen wurden bereits schon vor 30 Jahren gemacht und die meisten schwierigen in den neunziger Jahren. Ich habe auch noch einen großen Traum und hoffe, dass sich der irgendwann verwirklichen lässt: Afrika oder Asien einmal komplett zu Fuß oder mit einem Fahrrad zu durchqueren. Von diesem Erlebnis verspreche ich mir sehr viel.

SZ: Gab es schon einmal einen Traum, der sich nicht umsetzen ließ, bei dem Sie umkehren mussten?

Naglich: Ja, die Abfahrt vom Mount Cook in Neuseeland ist mir immer noch nicht geglückt. Inzwischen war ich viermal dort und bin unverrichteter Dinge wieder nach Hause geflogen. Am Mount Cook muss viel zusammenkommen, damit die Abfahrt überhaupt möglich ist: ein schneereicher Winter, damit die Gletscherspalten verdeckt sind, schönes Wetter, absolute Windstille und relativ hohe Temperaturen, damit die Eisflanke ein bisschen auftaut und griffiger wird. So einen Tag gibt es aber wohl nur alle paar Jahre einmal.

© SZ vom 15.02.2010/dog - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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