"Work Hard, Play Hard" im Kino:Für immer im Flow

In den lichtdurchfluteten Glaspalästen, zwischen schicken Sitzgruppen und Kuschelfarben lauert ein totalitärer Anspruch an die Mitarbeiter, auch wenn die Ausbeutung subtiler geworden ist: Carmen Losmann hat einen Film zum Fürchten gedreht und erkundet die Zukunft der Arbeit in ihrer so kühlen wie klugen Dokumentation "Work Hard, Play Hard".

Martina Knoben

Der moderne Arbeitnehmer braucht keine Stechuhr mehr, er arbeitet "taskorientiert". Er benötigt auch kein Büro mehr, nicht mal einen eigenen Schreibtisch, seinen Laptop kann er schließlich überall aufklappen. Was der moderne Arbeitnehmer braucht, ist die richtige Einstellung. Wenn er "im Flow" ist, also in seiner Arbeit aufgeht, sich mit der Firma und seiner Aufgabe identifiziert, dann macht ihm die Arbeit im besten Fall so viel Spaß, dass er gar nicht mehr damit aufhört.

Hochbezahlte Architektenteams denken sich Büroräume aus, in denen Mitarbeiter "auf keinen Fall daran erinnert werden, dass sie arbeiten"

Hochbezahlte Architektenteams denken sich Büroräume aus, in denen Mitarbeiter "auf keinen Fall daran erinnert werden, dass sie arbeiten".

(Foto: Verleih/ Carmen Losmann)

Deshalb denken sich hochbezahlte Architektenteams Büroräume aus, in denen Mitarbeiter "auf keinen Fall daran erinnert werden, dass sie arbeiten", wie es ein Planer der neuen Unilever-Firmenzentrale in Hamburg formuliert. In solchen Büros laden Sitzgruppen im Ikea-Stil zum hoffentlich kreativen Gespräch ein; oder es sollen Lampen in bizarr organischen Formen und Schreibtischstühle in der Kuschelfarbe Orange Gemütlichkeit signalisieren. (Braun, erfährt man, hätte zu sehr ans eigene Wohnzimmer erinnert und womöglich zum Faulenzen animiert.)

Es sind subtile Taktiken der Ausbeutung, die Carmen Losmann in ihrem ebenso kühlen wie klugen Dokumentarfilm analysiert. Seit einigen Jahren beschäftigt sich der Dokumentarfilm zunehmend mit abstrakt scheinenden, dem Medium vermeintlich unzugänglichen Themen wie der Globalisierung oder der industriellen Nahrungsmittelproduktion. "Work Hard, Play Hard", das Langfilmdebüt der bis dato unbekannten deutschen Regisseurin Carmen Losmann, Jahrgang 1978, zählt zu diesen ambitionierten Projekten, und seine Thematik ist zwingend: Es geht um die Zukunft der Arbeit in der postindustriellen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft, in der der Mensch zum wettbewerbsentscheidenden Faktor geworden ist.

Lichtdurchflutet, nett und ökologisch sauber sieht diese schöne neue Arbeitswelt aus - und zum Fürchten. Losmann und ihr Kameramann Dirk Lütter sind bereit, sich auf Augenhöhe mit ihrem Gegenstand zu messen. Sie haben im Breitwandformat gedreht, beklemmende Totalen leerer Büroräume, Eingangshallen und grauer Fluren. Dazu aufwändige, elegante Fahrten, wie man sie im Dokumentarfilm nicht oft sieht, weil dann jede, auch die nur scheinbare Spontanität vor der Kamera verloren geht.

Arme Würstchen, die sich aus Bäumen abseilen

Aber einen solchen Eindruck will der Film erst gar nicht wecken, er will künstlich aussehen und den Zuschauer auf Distanz halten, damit er besser denken kann. Einen gesprochenen Kommentar gibt es nicht - die Ästhetik der Macht wird von Losmann und Lütter vor allem mit ästhetischen Mitteln analysiert, das gelingt nicht vielen Dokumentarfilmen, die meisten versuchen es gar nicht erst.

Nachdem der Film in seiner ersten Hälfte die Architektur global operierender Firmen studiert, das Innere der Trutzburgen und Glaspaläste, konzentriert er sich auf die Menschen darin. Und es ist sehr unterhaltsam, wie sich angehende Führungskräfte einer "Potenzialanalyse" unterwerfen oder einem Outdoor-Selbsterfahrungstraining.

Es sind arme Würstchen, die sich da aus Bäumen abseilen, mit verbundenen Augen durch einen unterirdischen Gang kriechen oder streberhaft Standardantworten eines Bewerbungsgesprächs abspulen. Fast scheinen es Karikaturen zu sein - aber man muss sie ernst nehmen, denn es ist unsere eigene Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die ihre lächerlichen Anstrengungen spiegeln, und unser Ehrgeiz.

Um des Preis des Verschwindens der Privatsphäre

Das "Wir" der Firma ist ein Imperativ, der Anspruch an die Mitarbeiter totalitär. Ebenso genau, wie sie die Büroarchitektur betrachtet hatte, untersucht Losmann auch die Sprache der Manager und Unternehmensberater: eine Ansammlung von Floskeln, die als verbindendes Element einer Führungskaste fungiert, die in Change Management Meetings aber auch schon mal staunenden Untergebenen an die Köpfe geworfen wird. Da "kommentiert" der Film durch seinen zweifellos mutwilligen Schnitt.

Die Arbeitswelt von gestern, Staublunge und kaputte Rücken, wünscht sich niemand zurück. "Work Hard, Play Hard" aber lässt keinen Zweifel daran, dass der grundsätzliche Interessenunterschied - ein Konflikt muss es nicht notwendig sein - zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht aufgehoben sein wird, auch wenn die Firmen viel dafür tun, das zu verschleiern. Klar wird in den Gesprächen mit den Managern und Controlling-Experten, wie sie Arbeitnehmer sehen: als human capital, als menschliche Ressource. Die Taktiken der Ausbeutung sind subtiler geworden, um den Preis des Verschwindens der Privatsphäre. Wer das weiß, arbeitet vielleicht nicht ganz so ehrgeizig an seiner Selbstoptimierung.

WORK HARD, PLAY HARD D 2011 - Regie, Buch: Carmen Losmann. Kamera: Dirk Lütter. Schnitt: Henk Drees. Verleih: Film Kino Text, 90 Minuten.

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