Samy Deluxe im Interview:"Sollen doch die Leute behaupten, ich sei über den Zenit"

Samy Deluxe

Schon Zeit für "Berühmte Letzte Worte"? Rapper Samy Deluxe.

(Foto: dpa)

Schnellfeuer-Rapper Samy Deluxe ist mit einem neuen Album zurück - und wagt sich an politische Diskurse. Im Gespräch sagt er: "Ich musste das mal loswerden."

Interview von Jonathan Fischer

Vor mehr als 20 Jahren hatte Samy Deluxe seinen ersten Auftritt mit Dynamite Deluxe. Er machte als Rapper Hamburg zur HipHop-Hauptstadt und trimmte den deutschen Rap dank wahnwitziger Wortspiele zu poetischer Höchstform. Jetzt geht Samy Deluxe mit seinem neuen Album "Berühmte Letzte Worte" auf Tournee.

SZ.de: Bisher haben Sie vor allem mit coolen Reimen gepunktet, ein Image als kiffender Flowmaster gepflegt. Auf Ihrem neuen Album aber wagen Sie sich an aktuelle politische Diskurse.

Samy Deluxe: Sie meinen "Klopapier"? (rappt) "Mein Klopapier ist schwarz-rot-gold, Deutschland ist noch ganz weit vorn mit Waffenexporten/ das heißt ihr profitiert von Massenmorden... ein Land, in dem die Kanzlerin Flüchtlingskinder persönlich tröstet/ bevor sie sie abschiebt, ich finde das ist eine schöne Geste". Mir ist schon klar, dass mir die Single kein großes Radioplay bescheren wird. Aber ich musste das mal loswerden.

Kanzlerin Merkel wird wegen ihrer Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge angefeindet. Ihnen aber geht sie noch nicht weit genug?

Ja, wir Deutschen nehmen gerade viele Flüchtlinge auf, und ich hoffe, dass das unser Land zum Positiven verändert. Dass Deutschsein immer weniger an eine Hautfarbe gebunden ist. Andererseits sollten wir unsere neuen Mitbürger dann auch wirklich bleiben lassen. Stattdessen dulden wir sie nur. Unser Einwanderungsgesetz sollte dringend überarbeitet werden.

Haben Sie persönliche Erlebnisse mit Abschiebungen?

Ja, ich habe eine Stiftung, die ermöglicht jungen Migranten, zusammen mit mir und Hamburger Kollegen Musiktheater zu machen. Aber dann passiert es immer wieder: Die besten und ehrgeizigsten unserer Kids kommen eines Tages nicht mehr in den Workshop. Was ist mit denen passiert? Abgeschoben, heißt es. Ich war geschockt. Dabei waren die längst in Deutschland sozialisiert.

Noch einer Ihrer neuen Songs, "Mimimi", dreht sich um unsere Einwanderungspolitik.

"Mimimi" steht für Mitbürger mit Migrationshintergrund. In diesem Song spiele ich damit, wie ich als Sohn eines afrikanischen Vaters hier aufgewachsen bin, ich rezitiere die Sprüche, die ich oft genug gehört habe (rappt): "Und wenn ich mecker über dieses Land/ dann sagen sie geh doch hin wo du herkommst/ dann gehe ich eben nach Eppendorf/ ich habe auch angefangen mit Rappen dort". Ich drehe das Ganze allerdings noch ins Positive. Mit einem türkisch-orientalischen Begleittrack inszeniere ich das Ganze als partytauglichen Kultur-Clash. Wenn der Text meckert, dann sagt die Musik: Schaut her, was wir gewinnen können.

Ihr Verhältnis zu Deutschland beschäftigte Sie schon auf "Dis Wo Ich Herkomm", Ihrem dritten Album von 2009. Da geht es um die positiven Möglichkeiten unseres Landes.

Was mir einige als Deutschtümelei oder sogar rechtes Gedankengut ausgelegt haben. Einmal gab es sogar eine Antifa-Demonstration gegen uns "Nazis" vor einem meiner Konzerte. Dabei war ich mit einer rein schwarzen Band unterwegs!

Sie sind damals auch ein halbes Jahr lang durch Schulen gezogen, um mit Jugendlichen über ihre Chancen in Deutschland zu diskutieren.

Ich wollte nicht der Typ sein, der auf Platte predigt, sondern auch praktisch was verändern. Irgendwann aber hatte ich ein Image als Sozialarbeiter weg - statt als bester Rapper Deutschlands.

"Mich interessiert mein Image nicht mehr so wie früher"

Für Ihre vergangenen, sehr persönlichen Werke wie "Herr Sorge" oder "Männlich" haben Sie viel Kritik einstecken müssen. Für viele klang das wie Musik zur Selbsttherapie...

"Herr Sorge" war das Ergebnis einer Depression. Ausgerechnet nachdem mein Album "Schwarzweiss" auf Nummer Eins gegangen war, erwischte mich eine krasse Realitäts-Klatsche. In deinem Leben läuft eigentlich so viel nicht cool, sagte ich mir, und dennoch denkst Du nur an Deine Musik. Also wandte ich mich meiner Seele zu. Eigentlich wollte ich das Album "Therapie" nennen und ein paar Dialoge mit meinem Therapeuten einbauen...

... was für einen von Wortwitz und verbaler Coolness lebenden Rapper wie Samy Deluxe doch ein verdammt riskanter Schachzug gewesen wäre.

Ich habe dann ja zum Glück einen Charakter wie Herrn Sorge erfunden, um das auf ihn zu projizieren. Und "Männlich" fiel in eine Zeit der Selbstfindung. "Wäre der Beat meine Ehefrau/ wäre ich Ike Turner". Man muss diese verpeilten Reime nicht gut finden, aber mich interessierte mein Image nicht mehr so wie früher. Ich bin älter geworden. Statt mich zu wiederholen, habe ich lieber ein ganzes Album für Nena geschrieben.

Nenas Album "Oldschool" zeigt den ambitionierten Schnellfeuer-Rapper Samy Deluxe als bisweilen sentimentalen Songwriter. Jetzt sind Sie mit der NDW-Veteranin auch noch als Moderator der Fernsehshow Sing meinen Song aufgetreten. Angst vor "Ausverkauf"-Rufen?

Sollen doch die Leute behaupten, ich sei über den Zenit meines Erfolgs als Rapper. Denn am Ende beschäftigt mich durch all die Zeiten immer wieder dieselbe Frage: "Wer bin ich?" Das ist der Schlüssel, um Samy Deluxe zu verstehen, egal ob ich gerade den Nummer-Eins-Hit oder die derben Steuerschulden habe.

Sie haben gesagt, mit 38 Jahren sei es an der Zeit, endlich seinen Wert von innen her zu definieren. Was bedeutet das?

Ich kann immer noch mit Reimen battlen, also mich schlagen, das zeige ich im Intro zu meinem neuen Album. Aber wenn ich heute meinen Platz an der Rapspitze verteidige, dann zählen andere Qualitäten als Silben pro Sekunde oder die 20.000-Euro-Goldketten, die ich vor zehn Jahren getragen habe. Den Song "Tellerrand" etwa habe ich geschrieben, als ich von einem Besuch bei meinem Sohn in Amerika zurückgereist bin. Da wurde mir klar, wie wichtig es ist, gerade in Zeiten von Fremdenhass und Angst vor Überfremdung über den eigenen Horizont zu schauen. Gleichzeitig gestehe ich mir ein, dass es ein Privileg ist, so viel reisen zu können.

Können HipHop-Songs denn die Welt verbessern?

Nein, ich kann die Welt nicht retten, aber ich kann ehrlich zu mir sein.

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