USA:Nena lässt in New York Luftballons steigen - aber keine 99

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"Germany's Queen of Rock": Nena-Plakate in New York (Foto: dpa)

Ihr Song "99 Luftballons" ist in den USA auch heute noch ein Hit. Aber auf eine richtige Party hat Nena auf ihrer Mini-Tournee offenbar keine Lust.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Nena hat sich ein wenig verspätet - um 32 Jahre. Auf einem Werbeplakat wurde das dezent verschwiegen: "Germany's queen of rock is finally coming to America", stand dort in den vergangenen Tagen. Jetzt ist sie also da; und natürlich fliegen zur Begrüßung am Dienstagabend in New York Luftballons durch das PlayStation Theater, noch bevor die Show beginnt. Die Halle liegt direkt am Times Square, also in bester Lage.

Nena hat mit "99 Luftballons" einen der wohl bekanntesten deutschen Songs in der englischsprachigen Welt geschrieben. Während Nena in Interviews gerne erwähnt, dass ihre Alben "Doppel-Platin" sind, ist sie in den USA ein One-Hit-Wonder. Sie weiß das: In einem 90-sekündigen Promovideo zur Tour nannte sie sich dementsprechend "Luftballon-Mädchen".

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Aber dieser eine Hit hat es in den USA weit geschafft, zum Beispiel in die Serien Gilmore Girls und Die Simpsons, außerdem in die Musik von Weird Al Yankovic und vermutlich in jede Karaoke-Bar des Landes. Dabei ist es einem Zufall geschuldet, dass Nena mit diesem Song in den USA so erfolgreich wurde.

Während einer Promotour für den Film "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" trat Christiane F. in der Radiosendung von Rodney Bingenheimer auf. Der Moderator fragte sie nach den "aktuellsten Trends" in Deutschland, wie er im Interview mit der New York Times kürzlich erzählte. Diese reichte ihm eine Kassette, eigentlich sollte ein Song von den "Einstürzenden Neubauten" abgespielt werden. Stattdessen lief "99 Luftballons" von Nena. Bingenheimer gefiel der Song derart gut, dass er ihn in die Rotation aufnahm. Im Alleingang machte er ihn zum Ohrwurm. Das Lied schaffte es auf Platz zwei in den Billboard-Charts.

Für New Yorker Verhältnisse ist das PlayStation Theater eher klein. 2100 Menschen passen hinein - aber an diesem Abend dürften viele Karten übrig geblieben sein, wie eine Angestellte sagt. Der Saal ist halbvoll. Der Kartenabreißer wünscht den Konzertbesuchern im amerikanischen Akzent einen "Guten Tag".

Einer der Gäste ist Oliver Schröder. Der 46-Jährige macht Urlaub in der Stadt. Er sei kein Hardcore-Fan. "Aber die Neue Deutsche Welle habe ich voll mitgemacht", sagt er. Auch ihm ist aufgefallen, wie präsent der Nena-Song ist. "Ich war in der Nähe der Wall Street und in einem der Läden hingen vier Platten - eine davon war '99 Luftballons'."

Nena, mit bürgerlichem Namen Gabriele Susanne Kerner, beginnt ihren Auftritt mit einem neuen Song: "Genau jetzt". Das Publikum kennt den Text - und das nicht nur beim ersten Song, sondern den ganzen Abend hinweg. Fast in jedem Moment, in dem Nena das Mikrofon der Menge hinhält, kann diese lautstark mitsingen. Als Nena fragt: "Who speaks German?", heben zwei Drittel der Besucher jubelnd ihre Hände.

Nena schafft es auch, die Menschen zum Schweigen zu bringen (Bild: im September in Graz). (Foto: dpa)

Man spricht also Deutsch, auch auf der Bühne. Zwar versucht Nena stellenweise, im Englischen zu bleiben, doch sie hält es nicht konsequent durch. "Ich habe nicht realisiert, dass das hier alles auf Deutsch ablaufen würde", sagt ein Besucher, der extra aus Philadelphia angereist ist. Nena sagt, das jedoch auf Englisch: "Danke euch so sehr, dass ich die Chance bekommen habe, in dieser wunderbaren Stadt zu spielen." Amerika bedeute den Deutschen viel, besonders wenn man Musik mache.

Nena ist mit ihrer Familie angereist. Die Tochter spielt erst ein paar ihrer eigenen Songs, als Teil der Vorgruppe Adameva, und steht danach als Teil einer achtköpfigen Band auf der Bühne. Auch Nenas Sohn spielt mit. Die Setlist wirkt so, als ob die Songs auch für Gäste in Deutschland in dieser Form gespielt worden wären: "Nur geträumt", "Willst du mit mir gehn" und "Satellitenstadt". Für den Song "Kreis" kommt der Rapper Samy Deluxe für ein paar Minuten auf die Bühne. Er ist zurzeit anscheinend zufällig in New York.

Das anwesende Publikum gehört größtenteils zu der Generation, die den Erfolg des Krautpop in den USA mitbekommen haben dürfte (außer Nena wären da noch "Völlig losgelöst" und "Da da da"). Nena schafft es als Performerin problemlos, diese Menschen zum Singen und Tanzen zu bringen, aber auch zum Schweigen. Gegen Ende des Konzertes bittet sie die Besucher um eine Schweigeminute: Sie will gemeinsam meditieren, "für den Frieden". Für 60 wirre Sekunden hört man, wie laut Klimaanlagen sein können.

Die "99 Luftballons" kommen ganz am Schluss, als erwartbarer Höhepunkt. Zwar sind passend dazu sehr viele Ballons in der Luft und werden von Hallenseite zu Hallenseite gestupst. Zwar rennen viele Menschen nun nach vorne, die den Großteil des Konzerts im hinteren Bereich verbracht haben, dort kann man sitzen. Doch ausgerechnet dieser Song wirkt lieblos vorgetragen. Nach mehr als 90 Minuten merkt man Nena an, dass sie zu oft "Lauter! Lauter!" gerufen hat, um die Menge anzustacheln. Sie hatte erst vor ein paar Tagen erfahren, dass ihr Song ein Karaoke-Hit ist. Sie hätte am Schluss also noch eine Party steigen lassen können. Doch sie hat sich anscheinend dagegen entschieden.

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