Presse: Weimer zu "Focus":Helmut Markwort und der schwarze Elch

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Helmut Markwort ist tatsächlich ersetzbar. Im kommenden Jahr übernimmt der Cicero-Gründer Wolfram Weimer die Chefredaktion von Focus.

Hans-Jürgen Jakobs

Zu den Legenden um seine Person gehören Sprüche. "Immer an den Leser denken", lautet eine Weisheit. Eine andere heißt schlicht: "Fakten, Fakten, Fakten." So brachte es Helmut Markwort zum Großunterhalter des deutschen Journalismus und seine 1993er-Erfindung Focus zum Status eines "modernen Nachrichtenmagazins". Es stand zeitweise ernsthaft im Ruch, den Spiegel zu gefährden.

Wolfram Weimer (links) soll neuer Chefredakteur des Focus werden und somit Helmut Markwort nachfolgen. (Foto: Foto: AP)

Doch inzwischen gehört es zu den als sicher geltenden Fakten, dass es Focus beängstigend schlecht geht. Und der omnipräsente Markwort, 72, dessen Rollenfülle im deutschen Mediengeschäft unvergleichlich ist, wird tatsächlich ersetzt: Zum 1. September 2010 scheidet er aus der Chefredaktion des Blatts aus und begnügt sich mit der Herausgeberschaft. Der neue Markwort soll ein Mann sein, der eine wechselvolle Karriere bei Axel Springer hinter sich hat und ebenfalls mit einer Erfindung auf sich aufmerksam machte: Wolfram Weimer, 44, Macher des Magazins Cicero.

Einen Gründer durch einen Gründer, einen plaudersicheren Liberal-Konservativen durch einen spruchfreudigen Wertkonservativen ersetzen, diese Übung geht nach Meinung des Münchner Verlegers Hubert Burda, 69, auf. Lange schon musste der Zeitschriftenfürst hinnehmen, dass sich Objekte wie Bunte, Instyle und Freizeitrevue vergleichsweise gut schlagen, Focus aber an Magersucht leidet - mit dramatisch weniger Käufern und Anzeigenkunden, vor allem aber mit einem offenen Verlust an Relevanz. In Berlin - dort, wo Münchner gerne etwas gelten - wird Burdas Montagsmischung kaum wahrgenommen.

Weimer wird die Reanimation des Magazins zugetraut

Das ist bitter. Zumal, wenn die Wunschkoalition des Verlegers regiert, eine Allianz aus Union und FDP. Da müsste ein politisches Burda-Blatt Debatten anstoßen und begleiten sowie mit exklusiven Insidergeschichten aufwarten. Müsste - und nicht mit großen Reports über die richtige Art, Espresso zu genießen oder den Büro-Alltag zu überleben.

Dem hochaufgeschossenen Journalisten Weimer traut Medienunternehmer Burda die Reanimation seines einst glorreichen Magazins Focus zu. Dessen Erfolg rettete ihn in den neunziger Jahren aus Kalamitäten. Vergessen waren auf einmal die Flops mit einem deutschen Forbes und dem Krachmacher-Blatt Super, jetzt galt der badische Verlegerspross als ernstzunehmender Erfolgsunternehmer. Dann aber schien sich Marktwort mit dem Verwalten der "Fakten-Fakten-Fakten"-Legende begnügen zu wollen. Der Abstieg begann.

Weimer immerhin hat ein gewisses Stehvermögen und auch Mut vor Verlegers Thron bewiesen. Der ehemalige Madrider Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen stieg durch zeitweilig enge Bande mit dem jetzigen Springer-Chef Mathias Döpfner in die Chefredaktion der Welt auf. Dort konnte er den liberalen Reformator geben, ehe die Logik des angelsächsischen Börsenkapitalismus in der Heimstatt der Konservativen zuschlug. Die Welt wurde mit der Berliner Morgenpost fusioniert, 150 Stellen fielen weg, und Weimer versuchte offenbar, in prominenter Position nach Frankfurt zur FAZ zurückzukehren. Nach Indiskretionen blieb dem Mann nur die Demission. In Michael Ringier fand er einen wohlhabenden Verleger, der ihm dann 2004 den Traum von Cicero finanzierte, einem Coffeetable-Blatt für den politischen Salon.

Cicero hat es durch eifriges Betätigen der PR-Rassel geschafft, im Gespräch zu bleiben. Als der Staatsanwalt die Büroräume durchsuchte - der Reporter Bruno Schirra hatte in einer Geschichte über den Terroristen al-Sarkawi aus einem Geheimpapier des Bundeskriminalamts zitiert -, war Weimers Zeitschrift so richtig bekannt geworden. In seiner Kolumne "Weimers Welt" skizziert der Chefredakteur und Herausgeber monatlich die große Landschaft von einer Warte ("rechts von Angela Merkel wird der Raum riesengroß"), die auch dem Bayernkurier gefällt: Das CSU-Organ hat "Weimers Welt" auf seiner Homepage integriert. Das ist dem FDP-Mitglied Markwort mit seinem wöchentlichen "Tagebuch" noch nicht geglückt.

Er sei "sehr zielorientiert", verriet Weimer einmal, doch sein Arbeitsstil sei "nicht sehr systematisch". Ihm liege das Assoziative, das Südländische, das Spielerische. Die Freiheit, sein eigenes Magazin zu machen, sei unvergleichlich, führte der Mann aus, der in Pennäler-Jahren die Schülerzeitung Der Schwarze Elch gegründet hat. Auch hat er mehrere Bücher geschrieben, zuletzt "Credo - Warum die Rückkehr der Religion gut ist" und "Freiheit, Gleichheit, Bürgerlichkeit".

"Gleichberechtigte Doppelspitze"

Solche Dinge gefallen auch Burda. Mit dem Noch- Focus-Chef Markwort hat er seit vielen Jahren ein enges Verhältnis. Sonntags wird telefoniert. Doch so intensiv sich die beiden auch austauschten, über einen geeigneten Nachfolger konnten sie sich offenbar nicht einigen. Markwort präferierte Uli Baur, der neben ihm Chefredakteur sein durfte. Als großen alleinigen Verantwortlichen der Chose aber sah Burda den Paladin nicht. Und so wurden in der Branche seit Jahren immer neue Namen für Focus genannt, von Kai Diekmann ( Bild) bis Ulrich Reitz ( WAZ). Am Ende wurde es Wolfgang Weimer. Die einen halten ihn für einen redlichen Prediger deutscher Werte, die anderen für überschätzt.

Burda betont in der Pressemitteilung, dass Weimer in einer "gleichberechtigten Doppelspitze" mit Chefredakteur Baur Verantwortung übernehme. Es könnte sich um eine Übergangslösung halten.

Und Helmut Markwort? Sein Vorstandsvertrag bei Burda läuft Ende 2010 aus, dann wird sein Focus-Verlagsreich in das Vorstandsressort "Verlage Inland" von Philipp Welte integriert. Markwort hat so viele Jobs, dass einem nicht bange werden muss. Er sitzt im Fernsehen in vielen Talkrunden, ziert den Verwaltungsrat des FC Bayern München, hält etliche lukrative Medienbeteiligungen (Antenne Bayern, Studio Gong, FFH, München TV), besitzt geschätzte 15.000 Bücher, in denen er blättern kann, und hat zu allem eine Meinung.

"Ohne Helmut Markwort und die erfolgreiche Einführung des Focus", dankt Verleger Burda, "wäre die Entwicklung zu einem großen internationalen Medienhaus schwerer gewesen."

Als Herausgeber wird der bisherige "Erste Journalist" Burdas auch zu Focus, seinem Lebenswerk, etwas zu sagen haben. Wenn's denn etwas hilft.

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