Oscarpreisträger Andrzej Wajda ist tot:Hochpolitischer Romantiker

Andrzej Wajda tot

Andrzej Wajda ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

(Foto: dpa)

"Riesiger Verlust für die polnische Kultur": Polen trauert um Groß-Regisseur Andrzej Wajda, der im Alter von 90 Jahren gestorben ist. Er war ein Chronist seines Landes, moralische Instanz und Romantiker.

Der polnische Regisseur und Oscarpreisträger Andrzej Wajda ist tot. Er starb am Sonntagabend im Alter von 90 Jahren, wie das polnische Filminstitut auf seiner Webseite mitteilt. "Es ist ein riesiger Verlust für die polnische Kultur", heißt es. Das Institut würdigt Wajda als "große und außerordentliche Persönlichkeit der polnischen Filmkunst". Wajda sei ein Lehrer und Mentor für viele andere Filmschaffende gewesen - ein Vorbild, das seinesgleichen suche.

Auch zahlreiche polnische Schauspieler und Filmschaffende, die mit Wajda zusammengearbeitet hatten, trauern um den verstorbenen Theater- und Filmregisseur. Sie würdigen ihn als "Meister seiner Kunst", "große Autorität" und "Mentor". Das polnische Kino werde lange um ihn trauern, heißt es.

Der in Suwałki in Nordostpolen geborene Wajda gehörte einer Generation von polnischen Filmemachern an, die das Kino der Nachkriegsszeit stark prägen sollten. Die Filmhochschule in Łódź, an der er 1949 zu studieren begann, brachte in den Fünfziger- und Sechzigerjahren neben ihm Roman Polanski, Krzysztof Zanussi und Krzysztof Kieślowski hervor.

Zu Wajdas größten Werken zählen "Das gelobte Land", "Danton" oder "Der Mann aus Marmor". Im Laufe seiner Karriere sammelte er so gut wie alle wichtigen Preise der Branche: Im Jahr 2000 erhielt Wajda einen Oscar für sein Lebenswerk. 2006 würdigte ihn die Berlinale mit dem Goldenen Ehrenbären und die Filmfestspiele von Venedig 1998 mit einem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk. Bei den Filmfestspielen in Cannes gewann er 1981 die Goldene Palme. Drei seiner Filme waren für einen Oscar nominiert. "Das gelobte Land" aus dem Jahr 1975, "Die Mädchen von Wilko" aus dem Jahr 1979 und "Katyn" 2007.

Werk geprägt durch komplizierte Geschichte seiner Heimat

Bereits Wajdas erste Filme - "Eine Generation" (1955), "Der Kanal" (1957) und "Asche und Diamant" (1958) gelten bis heute als Meisterwerke und Klassiker der "polnischen Filmschule". Der Regisseur, der bis zuletzt ein höchst politischer Mensch und selbst am Widerstand gegen die deutsche Besatzung beteiligt war, setzte sich in diesen Filmen mit der Kriegszeit und der Machtübernahme durch die Kommunisten nach 1945 auseinander, wobei er da schon bei dem neuen Regime aneckte.

Denn er weigerte sich, die Konvention des sozialistischen Realismus zu übernehmen. So war der Hauptprotagonist seines Dramas "Asche und Diamant", das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg spielt, nicht etwa der kommunistische Funktionär wie in der Buchvorlage von Jerzy Andrzejewski, sondern er machte einen Kämpfer der polnischen Heimatarmee des Zweiten Weltkrieges zur Hauptfigur.

20 Jahre später nutzte der Regisseur den internationalen Ruhm, den er inzwischen erlangt hatte, um einen offen regimekritischen Film zu drehen. Der Klassiker "Der Mann aus Marmor", aus dem Jahr 1977 war eine schonungslose Kritik am verlogenen stalinistischen System in Polen.

Vom Schicksal erzählte Geschichten

Mit "Der Mann aus Eisen" arbeitete er 1981 die Geschichte der Streiks an der polnischen Ostseeküste und das Ringen um freie Gewerkschaften auf. Nach der Verhängung des Kriegsrechts 1981 wurde Wajda in seiner Heimat mit einem Berufsverbot belegt. Stattdessen bekam er Aufträge in Frankreich und der Bundesrepublik, wo er die Filme "Danton" und "Eine Liebe in Deutschland" drehte.

Nach dem Sturz des Kommunismus thematisierte er 1995 in der Romanverfilmung "Karwoche" den polnischen Antisemitismus und drehte 2007 den Film "Katyn" über Massaker an mehr als 22 000 kriegsgefangenen polnischen Offizieren durch die sowjetische Geheimpolizei im Zweiten Weltkrieg.

Erst 2013 schloss Wajda nach "Mann aus Marmor" und "Mann aus Eisen" mit der Filmbiografie "Wałęsa. Der Mann aus Hoffnung" seine "Danziger Filmtrilogie" ab. Auch mit diesem Werk, das den Solidarność-Gründer Lech Wałęsa in einem guten Licht erscheinen lässt, eckte er bei der polnischen Regierung an. Wałęsa ist ein Widersacher von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, dessen Partei die derzeitige nationalkonservative Regierung in Warschau stellt.

Über seine Filme sagte Wajda einst, sie seien vom Schicksal erzählte Geschichten, in denen er selbst auch ein Teil gewesen sei. Trotz seines Interesses für die politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts sei Wajda auch stark von der Romantik des 19. Jahrhunderts beeinflusst gewesen, sagte Roman Polanski einmal der New York Times. Dies zeige sich in seinen Filmen "Blut der Leidenschaft" (1961) "Die Pforten des Paradises" (1968) und "Pan Tadeusz" von 1999.

Neuer Film noch kurz vor Lebensende

Medienberichten zufolge war Wajda krank und vor wenigen Tagen in ein Krankenhaus gebracht worden. "Wir haben gehofft, dass er wieder rauskommt", sagte der polnische Drehbuchautor und Regisseur Jacek Bromski dem Sender TVN 24. Wajdas Tod sei für ihn überraschend gekommen.

Ende September hatte der 90-Jährige noch beim polnischen Filmfest in Gdynia seinen neuesten Film "Powidoki" ("Nachbilder") vorgestellt. Er handelt vom polnischen Avantgarde-Maler Władysław Strzemiński (1893-1952), der sich der kommunistischen Regierung widersetzt hatte. "Ich habe einen Film gemacht, der zeigt, dass das Eingreifen in die Kunst nicht Aufgabe der Regierung ist", hatte Wajda in einem Interview mit der Nachrichtenagentur PAP gesagt. Der Film ist Polens Kandidat für den besten fremdsprachigen Oscar.

Der Regisseur hinterlässt seine vierte Frau, die Schauspielerin und Bühnenbildnerin Krystyna Zachwatowicz, und eine Tochter, Karolina.

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