Neuausrichtung beim "Playboy":Zeitenwende für den Mann

Playboy; Deborah Harry

Das Playboy-Häschen war ursprünglich das Signet für die verspielte, auch kindische Männlichkeit in Hausschuhen und Morgenmantel, die Hefner exemplarisch vorlebte. (Im Bild: Deborah Harry)

(Foto: AFP)

"Playboy" will in Amerika keine unbekleideten Frauen mehr zeigen. Damit ist nicht nur eine frauenfeindliche Ära beendet - der sexuell aktive Mann muss sich mit einer neuen Rolle anfreunden.

Von Bernd Graff

Was die Menschen zumeist für eine testosterongesteuerte faule Ausrede halten, dass nämlich der Playboy , dieses Magazin mit "allem, was Männern Spaß macht", gerade auch wegen seiner tollen Interviews und intellektueller Essays gelesen werde, stimmte. Und es stimmt vielleicht ab jetzt sogar noch mehr. Denn der Playboy erfindet sich ohne jene Damen, die erschütternd wenig oder gar nicht bekleidet sind, neu. Oder besinnt er sich auf seine einstige Rolle?

Das Grundlagen-Essay der Postmoderne ist in der Playboy-Ausgabe vom Dezember 1969 erschienen. Das war Leslie Fiedlers "Cross the Border - Close the Gap", in dem der Literaturwissenschaftler die literarische Postmoderne ausrief und die Moderne für tot erklärte. Das rief damals sogar Martin Walser und Rolf Dieter Brinkmann auf den Plan. Nicht ganz so berühmt wie die Aufnahmen von Marilyn Monroe und Madonna, sind einige der Interviews doch zu Meilensteinen im Magazingeschäft geworden, allen voran jenes, das der Schriftsteller Alex Haley mit dem Jazz-Musiker Miles Davis über den Rassismus als "schwärende Wunde" führte. Zu Wort kamen hier auch: Malcolm X und Martin Luther King Jr.

John Updike, Norman Mailer, Gore Vidal, Joseph Heller und Woody Allen fanden im Playboy ein großes Forum für ihre Kurzgeschichten. Und 1976 sprach der künftige US-Präsident Jimmy Carter anrührend und für viele Amerikaner damals schockierend offen darüber, dass er "in Gedanken sehr oft die Ehe gebrochen" habe, doch: "Gott vergibt mir das." Ansonsten kündigte er in dem Interview an, nach Johnson und Nixon eine Regierung "ohne Lüge, Betrug und Verdrehen der Wahrheit" aufstellen zu wollen.

Die Interviews wurden als bloße Feigenblätter abgetan

Natürlich hat man diese Interviews, Essays und Kurzgeschichten immer schon als bloße Feigenblätter für die pralle Hochglanzepidermis der Playmates abgetan. Doch muss man festhalten, dass dieses Magazin nur bei den immer schon Bornierten ausschließlich für die nackten Frauen im "Centerfold" stand. Man muss sich klarmachen: Es war weniger das unwürdige Frauen- als ein neues Männerbild, das dieses Magazin in seinen Hochzeiten prägte. Denn mit dem Playboy reifte der Junggeselle vom Hagestolz, der doch bald ins bürgerliche Familienleben einkehrt, zum urbanen Lifestyle-Führer mit Geschmack und souveränem Lebensgefühl. Die vermeintlich willfährigen Frauen waren für diesen neuen Lebensstil neben der Literatur, dem Jazz und dem Design nur eines von vielen Attributen.

So bricht nun eine echte Zeitenwende an: Das Magazin hat über seinen ewigen Gottvaterherausgeber, den Hochkultursammler Hugh Hefner, beschlossen, künftig keine nackten Frauen mehr zu zeigen. So der amtierende Playboy-Chef Scott Flanders gegenüber der New York Times. Jedenfalls nicht in der amerikanischen Ausgabe. Die deutsche hingegen, so deren Chefredakteur Florian Boitin, behält sich "redaktionelle Unabhängigkeit" vor und stellt klar: "Auf die Ausrichtung des deutschen Playboy hat die Entscheidung der Amerikaner keinen Einfluss."

In den USA will man ab März 2016, 63 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Hefnerheftes mit dem Marilyn-Monroe-Titel, zwar weiterhin sich anatomisch verrenkt rekelnde Damen jüngeren Alters zeigen, aber: Sie werden dann mehr als nur Häschen-Ohren und Nebel von Nichts anhaben. Als Grund gibt man an, dass die massive Verbreitung von Pornografie im Internet die züchtigeren Stand- und Liegebilder der eigenen Damen überholt erscheinen lasse. Man sei, so Playboy-Kapitän Flanders, heute jederzeit und ganz umsonst nur einen Klick "von jeder denkbaren Sex-Handlung entfernt", Erotikmagazine hätten generell an Schockwert, an kommerziellem Wert und kultureller Relevanz verloren.

Mit der Nacktheit ist es vorbei

Für den Playboy bedeutet das konkret: Mitte der Siebzigerjahre verkaufte die US-Ausgabe 5,6 Millionen Magazine, heute sind es rund 800 000. Es sei mit der Nacktheit "einfach vorbei", ein Dekret, das andererseits die Aktivitäten des Magazins in Sozialnetzen erleichtern dürfte: denn Twitter, Facebook und dergleichen lassen Haut ja nur zu, wenn rassistisch dagegen gepöbelt wird.

Nacktheit auf dem Präsentierteller urbanen Lebens

Die Zeiten, in denen die Libertinage für jungesellenhaften Lebensstil stand, sind damit wohl auch vorbei. Mit den Pornos hat sich ja nicht nur das Bild von der jederzeit verfügbaren, allzeit bereiten Frau gewandelt, sondern auch jenes vom sexuell aktiven Mann - er mutiert vom fantasiebegabten Genießer zum Leistungsdarsteller in immerwährender Bereitschaft.

Denn die Nacktheit im Weichzeichner, die Hefner unters zumeist männliche US-Volk brachte, musste ja erst einmal nicht nur medial durchgesetzt werden, sie musste ihren Part im urbanen Lifestyle und der populären Kultur noch erobern.

Playboy wurde in der schlimmsten McCarthy-Zeit, mitten im Kalten Krieg und heißen Korea-Krieg gegründet. Bibel-Filme in den Kinos sind der Brüller. FBI-Chef J. Edgar Hoover will mit dem Christentum die verfallene Nation retten: "Alles, was wir brauchen, ist echter Glauben."

Bunny-Kellnerinnen bedienten nicht nur Verführbarkeitsfantasien

Die Playboy Mansion, Hugh Hefners Villa in den Holmby Hills von Los Angeles, sowie die vielen Playboy Clubs mit den Bunny-Kellnerinnen bedienten dagegen nicht nur Verführbarkeitsfantasien, die männliche Zwölfjährige hegen, sie durchbrachen auch die Grenzen frömmelnder, heterosexuell genormter Intimitätskultur, hoben die Akte aus dunkler Nacht auf den Präsentierteller urbanen Lebens.

Was sich tat in Magazin, Bars und Mansion, repräsentierte einen befreit aufspielenden Lebensstil, man stand für Souveränität und Geschmack, die Aufhebung der schroffen Differenz zwischen privater Scham und öffentlicher Lust.

Der amerikanische Kulturkritiker Dave Hickey verglich Hefners Welt mit der eines Papstes zur Zeit Tizians. Hefner zeige eine "vollkommen renaissancehafte Mischung aus erotischen Vorlieben, Stilstreben, ästhetischem Ehrgeiz und Formbewusstsein." Damit wurde eine Lebensform nobilitiert, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Mann auf die Rollen des treu sorgenden Familienvaters oder Kriegers festlegte, und bereicherte sie um die des genießenden Single und Connaisseurs. Die Playboy-Philosophie mochte nicht tiefschürfend sein. Aber schlecht war sie nicht.

"Hefner ist ein alter Mann, und seine Playmates bleiben immer 18"

In einem Buch mit dem Titel "Pornotopia" hat die Philosophin Beatriz Preciado das Männerbild untersucht, das Publikationen wie der Playboy vorangetrieben haben. In einem Interview von 2012 erläuterte sie, was es mit dem Playboy-Häschen auf sich hat. Dieses war ursprünglich das Signet für die verspielte, auch kindische Männlichkeit in Hausschuhen und Morgenmantel, die Hefner exemplarisch vorlebte. Erst später wurde der Rammler zum Symbol für die weiblichen Bunnies. Preciado führt aus: "Hier mischen sich Menschlichkeit und Animalität, aber auch die Art, wie man über Alter nachdenkt. Hefner ist ein alter Mann, und seine Playmates bleiben immer 18. Das Bunny verkörpert sie beide. Man kann nie genau wissen, was hinter dem Häschen steckt."

Der oft nur nacktkeuschen Barbiepuppentristesse chirurgisch behandelter Damen, die der Playboy auch oft feierte, muss man kaum hinterhertrauern. Dem urbanen Lebensstil konsumfreudiger Junggesellen schon eher.

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