Facebook:Rigoros bei Sex, lax bei Gewalt

Nackte Haut wird entfernt, rassistische Hetze bleibt stehen - das ist für Facebook Meinungsfreiheit. Doch auch sie sollte Grenzen haben.

Kommentar von Gökalp Babayigit

Über Wochen stand der Müll im Netz - und Facebook weigerte sich, ihn zu beseitigen. Angesichts der Flüchtlinge, die von Schleusern entlang der Bundesstraßen Niederbayerns ausgesetzt wurden, entblödete sich ein Nutzer nicht, diesen Kommentar zu verfassen: "Mein Appell: saubere Straßen in Deutschland. Brummifahrer, haltet drauf!" Der Beitrag wurde als "fragwürdiger Inhalt" gemeldet. Doch es geschah nichts.

Facebook verwies auf die Meinungsfreiheit und auf seine als "Gemeinschaftsstandards" bezeichneten Richtlinien. Zu Recht genügt aber diese Erklärung jenen Nutzern nicht mehr, die unter ihren Beiträgen hetzerische und rassistische Kommentare lesen müssen. Zu Recht genügt sie auch Justizminister Heiko Maas nicht mehr. Der hat jetzt die Facebook-Verantwortlichen zum Gespräch eingeladen.

Facebook hat ein Problem mit hetzenden Postings

Der Weltkonzern hat, vor allem in Deutschland und in Österreich, ein großes Problem mit volksverhetzenden und rassistischen Beiträgen, weil hier verschiedene Rechtsverständnisse aufeinanderprallen. Die weltweit geltenden Gemeinschaftsstandards setzen der vermeintlichen Beschneidung der Meinungsfreiheit hohe Hürden, sie sind amerikanischer Prägung.

Facebook zieht aus ihnen irritierende Rückschlüsse: Wenn sich zum Beispiel in einem Beitrag die Androhung von Gewalt nicht konkret gegen einzelne Personen richtet, sei das kein Grund für eine Löschung. Allgemein gehaltene Aufrufe wie der Brummi-Kommentar hält das Unternehmen für von der Meinungsfreiheit gedeckt. Taucht dagegen irgendwo nackte Haut auf, reagieren die Facebook-Sittenwächter meist unverzüglich. Lax bei Gewalt, rigoros bei Sexualität - das macht den Kulturunterschied zwischen Deutschland und den USA deutlich.

Maas hat schlechte Chancen, Facebook zum Umdenken zu bewegen

Am 14. September will der Justizminister das Gespräch mit den Europa-Verantwortlichen von Facebook führen. Bis dahin kann Heiko Maas sich überlegen, wie er den großen Konzern dazu bringen will, härter durchzugreifen bei Hetze und Rassismus. Die Chancen, Facebook grundsätzlich zum Umdenken zu bewegen, stehen schlecht, auch wenn die Gemeinschaftsstandards manchem deutschen Mitarbeiter Bauchschmerzen bereiten.

Aber eine Forderung könnte Maas bereits heute formulieren: Momentan sitzt das deutschsprachige Prüfteam in der Facebook-Zentrale in Dublin, wo es gemeldete Beiträge sichtet und gegebenenfalls löscht. Das schiere Ausmaß an rassistischen Kommentaren überfordert jedoch diese Mitarbeiter. Facebook müsste dringend mehr juristisch geschultes Personal mit Kenntnis der momentanen politischen Situation in Deutschland beschäftigen.

Dass das Netz kein rechtsfreier Raum ist, durften sich einige Hetzer hierzulande schon vom Richter erklären lassen. Ein 34-jähriger Berliner ist jüngst zu einer Geldstrafe von 4800 Euro verurteilt worden. Seine Facebook-Kommentare strotzten vor Menschenverachtung. Das zeigt immerhin: Virtuelle Hetze kann und muss reale Konsequenzen haben.

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