Netz-Debatte um Ronja von Rönne und Feminismus:Empört euch nicht so

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Was ist das für eine alberne Debatte? Eine 23-Jährige "ekelt" sich vor Feminismus und die mediale Öffentlichkeit dreht durch. Der Fall Ronja von Rönne zeigt, wie weit entfernt wir von Gleichberechtigung noch sind.

Von Ruth Schneeberger

Nein, ich bin nicht hässlicher als Ronja von Rönne. Und ich verbitte mir von vornherein jegliche Schmähkritik in diese Richtung. Ich will nur vorbeugen: Gegnern von Feminismus-Kritikerinnen weiblichen Geschlechts wird nur zu gerne vorgeworfen, sie seien wohl hässlich und deshalb neidisch auf Frauen, die es besser wüssten. Die wüssten, dass sie mit Feminismus heute beileibe nicht mehr punkten könnten.

Eine solche junge Frau ist die Kollegin Ronja von Rönne. In ihrem vielbeachteten und vieldiskutierten Beitrag für die Welt mit der Überschrift "Warum mich der Feminismus anekelt" hat sie sich nicht nur Freunde gemacht. Das wusste sie vorher schon, denn sie ist nicht dumm, sie schrieb auf Facebook: "Ich warte auf die Twitterwelle."

Auf das Ausmaß der Welle war sie aber wohl nicht gefasst, denn nun hat sie ihren Blog ("Sudelheft") eingestellt. Von "Morddrohungen" ist die Rede, wobei sich diese bei genauerer Betrachtung nicht unbedingt als solche herausstellt, sondern genauso gut als rein ironische Anspielung auf ihren Namen verstanden werden kann. Und somit im Bereich der Wortspiele bliebe, die von Rönne selbst ganz gut beherrscht, weshalb sie nun auch für den Bachmann-Preis vorgeschlagen wurde. Also mal wieder nur ein Sturm im Wasserglas, der Fall Rönne, ein überflüssiger Shitstorm der empörungsverliebten medialen deutschen Öffentlichkeit?

Was tun, wenn einen ein für andere wichtiges Thema langweilt?

Nicht ganz. Von Rönnes Beitrag, den ihr Ressortleiter im Feuilleton der Welt sich im Nachgang noch bemühte einzureihen in eine Vielfalt von Debattenbeiträgen zum Thema Feminismus (wobei drei von vier Beiträgen gegen Feminismus sind und der Ressortleiter selbst noch einmal betont, wie sehr ihn das Thema langweilt), ist ein zu gutes Beispiel dafür, wie erfolgreich der Feminismus ist - und wie gefährlich. Und wie gefährdet zugleich.

Rönne schreibt: "Ich habe einfach selbst noch nie erlebt, dass Frausein ein Nachteil ist." Das ist ganz wunderbar. Genau so war das auch gedacht, von den ekligen Feministinnen, damals, zur Zeit der fiesen lila Latzhosen. Das Problem ist nur: Das hatte ich mit Anfang 20 auch noch nicht, das fing erst mit Anfang 30 an. Seitdem weiß ich, was ich aber früher schon ahnte: Die gläserne Decke spürt man nicht, bis man sie eben spürt.

Bis man sich als berufstätige Frau nebenher oder zweitjobmäßig um die Familie kümmert, während Männer das nach wie vor viel weniger tun. Bis man durchschaut, wie männliche Kollegen ganz selbstverständlich Ego-Netzwerke schmieden, wovor Kolleginnen eher zurückschrecken. Bis man das Ausmaß durchschaut, in dem nach wie vor fast ausschließlich Männer an den Hebeln der Macht sitzen, und nur vereinzelt Frauen, die sich diesen immer noch männlichen Machtstrukturen anpassen. Bis man sich verwundert umguckt, die Augen reibt, und sich und seine Freundinnen fragt: Leben wir wirklich schon im 21. Jahrhundert, waren diese Kämpfe nicht alle schon mal durchgefochten? Wir sind doch völlig gleichberechtigt aufgewachsen, zumindest dachten wir das. Was hat uns alle denn so zurückgeworfen, dass wir allen Ernstes über eine Frauenquote diskutieren müssen?

Nein, es ist nicht schön, dass es eine solche Quote geben muss. Aber es muss sie geben, weil sie eben nötig ist in den herrschenden Machtstrukturen und damit sich die grundsätzliche Benachteiligung der Frau, die gesetzlich gleichgestellt ist, endlich auch in der Realität ändert. Dazu muss die Politik die nötigen Strukturen schaffen, denn freiwillig geben nur die wenigsten gerne Macht und die damit einhergehenden Vergünstigungen ab. Wir haben gerade eine Frau an der Spitze des Landes und es ist bezeichnend, dass nicht mal die sogenannte mächtigste Frau der Welt sich traut, für ihre Geschlechtsgenossinnen zu kämpfen.

Von diesem Kampf schreibt auch Ronja von Rönne in ihrem Beitrag. Sie hält ihn für veraltet, schließlich kämpfe heute jeder nur noch für sich selbst, so auch sie, als bekennende Egoistin. Wir müssen uns also um Frau Rönne als Person keine ernsthaften Sorgen machen, sie kümmert sich schon um sich selbst. Aktuell schreibt sie auf Facebook, wie schön es auf der Bundesgartenschau sei und wie praktisch, dass Blumen nicht twittern. Sie hat Humor.

Das befreit die Medien allerdings nicht von ihrer Verantwortung, mit dem Thema Feminismus sorgsam umzugehen. Genau jenen Feminismus, der mit dafür verantwortlich ist, dass eine 23-Jährige kein halbes Jahrhundert nach der Frauenbewegung nicht mal mehr ahnt, was sie ihm zu verdanken hat. Und ihn als "Charityaktion für unterprivilegierte Frauen" diffamiert. Das zeigt genau jene entpolitisierte und nur um den eigenen Dunstkreis kreisende Weltanschauung, die derzeit so hip ist und über soziale Netzwerke weiter befeuert wird.

Willkommen in der Realität

Klar kann man das machen: Eine 23-Jährige damit beauftragen, der Welt zu erklären, warum sie den Feminismus nicht versteht. Aber dann muss sich die Welt auch darauf einstellen, dass es Gegenwehr gibt, und zwar heftige. Wir leben nun mal im Zeitalter der Shitstorms, wo alle politische Korrektheit, um die man sich sonst bemüht, mit Füßen getreten wird. Dass sich hernach wiederum Feuilletonisten und Foristen, sogar Politiker und Pöbler aller Art bemühen, die junge Frau entweder zu zerlegen oder beschützen zu wollen, zeigt: Es gibt großen Diskussionsbedarf. Allerdings nicht um die Person von Rönne, sondern um das Thema Feminismus, im Alltag und im Netz.

Das sind nämlich zwei verschiedene Welten, nach wie vor. Im Alltag können Frauen auf sexistische Bemerkungen reagieren, sich wehren, für ihre Gleichberechtigung kämpfen, oder dankend darauf verzichten. Im Netz sind sie den noch viel gröberen Beleidigungen ausgeliefert. Auch da können sie reagieren, allerdings weniger zielgerichtet. Es gibt nicht ein Gegenüber, sondern Hunderttausende, darunter Antifa-Pfarrer, Rechtsradikale, Frauenverbände und Pegida. Und alle versuchen ein Stück Aufmerksamkeit für sich abzuschneiden und picken sich dafür genau den Halbsatz als Beleg heraus, der zu ihrem Weltbild passt, das es unbedingt zu verbreiten gilt.

Vielleicht hat Ronja von Rönne jetzt zum ersten Mal im Leben bemerkt, dass sie doch einen Nachteil hat, eine Frau zu sein. Als Jungautorin schlägt ihr traditionsgemäß mehr Gegenwehr entgegen als beispielsweise einem älteren Herren. Das ist nicht schön, aber: Willkommen in der Realität!

Und noch eins zeigt die aktuelle Debatte: Unglaublich viele Mitmenschen, darunter vor allem Männer, scheuen sich nicht, mit einem unglaublich reaktionären Weltbild gegenüber Frauen, jungen oder alten, in die Öffentlichkeit zu treten. Das sagt viel aus über den wahren Stand der Frau in der Gesellschaft, über schwelende Ressentiments, über die sich viele selbst gar nicht im Klaren sind, weil sie unterbewusst sind. Und darüber, dass der Kampf für gleiche Rechte und gleiches Ansehen noch lange nicht vorbei ist. Und wie eklig das alles ist.

Und jetzt: Bitte ganz viele Anmerkungen über mein Aussehen oder meine Qualifikation.

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