Kunstobjekte aus dem Dritten Reich:Hitlers Pferde ausstellen - nicht verstecken

A police handout shows two recovered bronze sculptures made for Adolf Hitler's imposing Reich Chancellery that have been missing for years and are now stored in a police compound in the western German town of Bad Bergzabern

Zwei massive Pferdeskulpturen des Bildhauers Josef Thorak.

(Foto: REUTERS)
  • Bei einer groß angelegten Durchsuchungsaktion in der vergangenen Woche haben Ermittler in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) Kunstwerke aus der NS-Zeit sichergestellt.
  • Nun müssen sich die Deutschen einer neuen Herausforderung stellen: der Täterkunst. Was wird aus Propagandastücken, die im Auftrag des NS-Regimes entstanden?
  • Ein Verkauf verbietet sich. Museen sollten die Täterkunst klug einordnen und so entzaubern.

Von Kia Vahland

Kunst und Nationalsozialismus? Das hieß bisher vor allem: Welche Werke haben die Nazis jüdischen Sammlern geraubt, wo sind diese Stücke jetzt und wie kann man die Erben der Verfolgten entschädigen? Diese Fragen drängen, denn auf die Bilder warten die nun auch schon betagten Nachkommen der Ermordeten. Sie sind aber aus moralischer wie aus zeithistorischer Sicht im Grunde nicht allzu schwer zu beantworten. Natürlich muss alle Kunst, welche die Nazis nachweislich jüdischen Mitbürgern entwendeten, schleunigst zurückgegeben werden.

Nun aber müssen sich die Deutschen einer neuen Herausforderung stellen: der Täterkunst. Was wird aus Propagandastücken, die im Auftrag des NS-Regimes entstanden? In der vergangenen Woche stellte die Polizei Hauptwerke der Bildhauer Arno Breker und Josef Thorak sicher, die während der NS-Zeit an zentralen Orten in Berlin und anderswo das "Dritte Reich" repräsentierten. Zu DDR-Zeiten befanden sich mehrere der monumentalen Statuen in Obhut der Sowjetarmee, zuletzt lagerten einige in der Halle eines Unternehmers in Bad Dürkheim.

Vieles spricht dafür, dass der Bund als Rechtsnachfolger des NS-Staates Eigentümer der Bronzen und Steinskulpturen ist. Sollte sich dies bestätigen, muss die Politik entscheiden, was sie mit dem ungeliebten Erbe anfangen will: verkaufen, vernichten, behalten? Ausstellen oder verstecken?

Darum verbietet sich ein Verkauf der Täterkunst

Ein Verkauf verbietet sich, denn ähnlich wie andere NS-Devotionalien auf dem freien Markt würden die überdimensionalen Tier- und Heldenfiguren früher oder später in falsche Hände fallen. Staatskunst, auch die untergegangener Reiche, gehört nicht in Privatbesitz. Die Bronzen aber einschmelzen, die steinernen Reliefs zerschlagen, wäre so naiv wie ein Kind, das sich die Hand vor Augen hält und glaubt, nun wäre es unsichtbar für die schimpfenden Eltern.

Es gibt sie nun einmal, die "Schreitenden Pferde" von Thorak, und es gibt offenbar auch Brekers wieder gefundene Plastik "Die Wehrmacht", ein Koloss von nacktem Krieger. Einst standen diese Skulpturen vor Adolf Hitlers Neuer Reichskanzlei in Berlin, sie verkörperten dessen Macht und ließen jeden Besucher im Vergleich winzig wirken.

Die Muskelprotze und Siegeskünder erzählen von der politischen und visuellen Geschichte des Landes. Sie berichten von einem vergangenen Selbstverständnis - und müssen also genauso aufbewahrt und erforscht werden wie andere wichtige historische Zeugnisse auch.

So können die Werke entzaubert werden

Allerdings kann man sie nicht einfach in die Ecke räumen. Dafür sorgten schon die Bildhauer selbst: 3,5 Meter sind Thoraks Rösser hoch, einige der Reliefs von Breker messen fünf mal zehn Meter und wiegen bis zu 40 Tonnen. Niemand aber wird dieser raumgreifenden Propaganda heute ganze Museen zur Verfügung stellen wollen. Kuratoren und Zeithistoriker müssen sich also überlegen, wie sie die Schaustücke einer Schreckensherrschaft erklären, einordnen und zeigen, ohne die NS-Ästhetik in die Gegenwart zu verlängern.

Dass dies möglich ist, demonstrieren klug gemachte Ausstellungen zu den NS-Gemälden und Statuen, die in den meisten deutschen Museumsdepots schlummern. München, Würzburg, Graz und andere Städte wagten jüngst einen Blick in ihre Bestände - und entzauberten die NS-Kunst mit einem nüchternen Blick auf all die aufgeblasenen Heroen und tapferen Soldatenmütter. Dies wäre auch in Berlin möglich. Neben das Gedenken der Opfer, neben die wichtigen Denkmäler der Erinnerungskultur könnte dann etwas zweites treten: das Nachdenken über die Täter und ihre ideologischen und ästhetischen Verblendungen.

So gesehen ist der neue Fund der Hauptwerke von Nazi-Künstlern nicht nur eine Last, sondern mehr noch eine Chance.

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