Kunstaktion "Human Zoo":Plakativ beschämend

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Im Hamburger Kulturzentrum Kampnagel baut die Künstlergruppe "God´s Entertainment" einen Zoo für Menschen auf. Ein perfekter Aufreger. (Foto: dpa)

Im Hamburger Kulturzentrum Kampnagel sitzen Frührenter, Flaschensammler und Obdachlose in Käfigen. Der "Human Zoo" einer Wiener Künstlergruppe schockiert die Medien - und erzeugt Peinlichkeit. Die "Bild" schickt sogar einen ihrer Praktikanten in den Käfig.

Von Till Briegleb

Jan Frederik Langshausen hat sich geschämt. Der Bild-Reporter-Praktikant saß vier Stunden in einem Käfig zwischen den Gehegen eines Punkers und einer Sinti-Frau, musste sich begaffen und mit Schoko-Riegeln füttern lassen - und fühlte sich "ausgegrenzt". Sein Arbeitgeber, das Fachblatt für Diskriminierung und Degradierung, dokumentiert dieses Erlebnis in einer 25-Kurzsätze-Reportage unter dem Titel "So litt ich im Menschenzoo." In dieser "irren Kunstaktion" ( Bild) auf dem Hamburger Kampnagel-Gelände, die aktuell in ganz Deutschland die Empörungsprofis erregt, muss die Redaktion des Blatts eine tiefe Verwandtschaft der einfältigen Darstellungsweisen gespürt haben.

Der "Human Zoo" der Wiener Künstlergruppe "God's Entertainment" präsentiert im Rahmen des Festivals "Live Art" zum Verhältnis von Tier und Mensch auch noch einen Frührentner, einen Flaschensammler, ein paar Obdachlose und einen schwarzen Asylbewerber in Käfigen. In Anlehnung an die Völkerschauen, bei denen um 1900 afrikanische "Untermenschen" auf dem Oktoberfest oder in Hagenbecks Tierpark ausgestellt wurden, spekuliert diese Inszenierung von "Asozialen" in ihren "natürlichen" Habitaten aus Pizzaschachteln, Fernsehern und Couchlandschaften erfolgreich auf den medialen Beißreflex. Das Handelsblatt spricht von billigem Voyeurismus, die Hamburger Morgenpost stellt die Frage, "perverse Idee oder große Kunst?" Der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, erklärt wiederum via Bild, es sei "bösartig, Sozialleistungen, die der Steuerzahler finanziert, so negativ darzustellen." Worauf Bild gleich einmal auflistet, wie viel Steuergelder Kampnagel erhält.

Peinlichkeit erzeugt beides: die disziplinierenden Stereotypen, mit denen auf die Provokation reagiert wird, aber auch die reale Konfrontation mit der Käfighaltung. Befremden und Hilflosigkeit sind die offensichtlichen Reaktionen der meisten Besucher. Als Beschämungsmaschine funktioniert diese plakative Aktion jedenfalls. Aber führt das zu Einsichten? Bei Herrn Langshausen schon: "Ich geh nie mehr in den Zoo", ist seine Erkenntnis. So ist Bild: immer tierlieb.

© SZ vom 11.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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