Kino: "Che - Guerilla":Comandante Chamäleon

Alles andere als Pseudo-Doku-Kuddelmuddel: Steven Soderbergh gelingt mit dem Film "Che - Guerilla" eine makellose Revolutions-Meditation.

Fritz Göttler

Der Filmemacher macht sich keine Illusionen, er weiß natürlich, wie es steht um seine Kunst und die Welt, der sie zugedacht ist. "In der Gesellschaft, die Che zu errichten versuchte", sagt Steven Soderbergh, "hätte ich keinen Job." Keine Frage, der Revolutionär, der Guerillero Che Guevara mag das Kino nicht, braucht es nicht. Und die Heldenrolle, die die Gesellschaft von ihm verlangt, wurde von ihm so brutal wie nie zuvor zerlegt. Er will seine Revolution ohne Helden, sie soll sich ganz von selber entwickeln.

Kino: "Che - Guerilla": Benicio Del Toro als Che Guevara: ein Held, der seine Namenlosigkeit genießt, etwas von einem Chamäleon hat, der mit seiner Umwelt verschmilzt und den Dschungel liebt.

Benicio Del Toro als Che Guevara: ein Held, der seine Namenlosigkeit genießt, etwas von einem Chamäleon hat, der mit seiner Umwelt verschmilzt und den Dschungel liebt.

(Foto: Foto: dpa)

Der flüchtige Held, Che Guevara hat die Evasion zu seinem Handlungsprinzip gemacht. Selbst als offizieller Funktionär, als Minister der Regierung Castro, war er nur schwer zu lokalisieren. Als Mitte der Sechziger das Verlangen immer stärker wird, die Revolution, die in Kuba erfolgreich war, weiterzutragen in andere Länder Lateinamerikas, ist das keine Strategie, nur ein Impuls. Bis zuletzt ist er unentschieden, wohin es als Nächstes gehen soll, Peru vielleicht oder seine Heimat Argentinien, aber dann entscheidet er sich für Bolivien.

Der flüchtige Held und sein flüchtiger Regisseur. Die "Che"-Filme hat Soderbergh vor Ort gedreht, in Lateinamerika und in Spanien, auf Spanisch, mit einer Digitalkamera, die er selber führte, aber es ist alles andere dabei herausgekommen als das Pseudo-Doku-Kuddelmuddel. Der erste Teil - "Revolución" (SZ vom 10.Juni) - sah gar nach richtigem Kino aus, da war der Wechsel zwischen Farb- und Schwarzweißsequenzen, ein zeitliches Hin und Her, das die Chronologie aufmischte, die Lässigkeit der jungen Freunde Fidel und Ernesto, die beim ersten Treffen, einem Abendessen, so elegant wirkte, sophisticated fast. Und der Traum vielleicht jedes Leib-und-Seele-Regisseurs - ein Angriff auf einen Militärzug, Explosion und Entgleisung, ohne Computersimulation direkt gefilmt, im Alles-oder-nichts-Verfahren.

Aber die Jugend der Revolution sollte nicht bleiben, und am Ende schien der graue, farblose zweite Teil sich bereits anzudeuten - da schickte Che auf dem Weg nach Havanna gnadenlos einen seiner Mitstreiter zurück, der einem Reichen ein rotes Cabrio abgenommen hatte: Die Revolution stiehlt nicht, sie feiert nicht, sie kennt nicht die Anarchie.

Nichts von alldem im zweiten Film, der nach Ches Bolivianischem Tagebuch entstand und bei uns den Titel "Guerrilla" trägt. Hier verläuft sich die Revolution im Dschungel, hier herrscht ein unerbittlich klares Licht. Es gibt Orientierungs- und Nachschubprobleme, die bolivianischen Bauern sind verschlossen, zögerlich, manchmal verräterisch. Die Waffen streiken, Gefährten werden angeschossen und verbluten. Die Asthmaanfälle werden immer schlimmer, und die Idee der Revolution, zu der Che eine fast erotische Beziehung hat, will nicht entflammen bei den Unterdrückten.

Ein Held, der seine Namenlosigkeit genießt und etwas von einem Chamäleon hat, der mit seiner Umwelt verschmilzt und deshalb den Dschungel liebt. Soderbergh filmt ihn immer zusammen mit dieser Umwelt, auf Distanz. Er macht Bewegungen und Entfernungen sichtbar, keine Zustände und Punkte. Es gibt keine Events und Stunts, aber die Alltäglichkeit des revolutionären Lebens wird groß herausgestellt. In New York konnte man eine Woche lang die beiden Filme hintereinander am Stück sehen, auf einer der ganz großen Leinwände Manhattans - ob es hierzulande auch mal diese Gelegenheit geben könnte?

Che verschwand ohne Abschied, er hinterließ Briefe und Tonbandaufnahmen für seine Lieben. "Liebe viejos", schrieb er seinen Eltern, "wieder einmal fühle ich unter meinen Fersen die Rippen Rosinantes. Ich kehre auf den Weg zurück, meinen Schild unter dem Arm ..." Mit Quijote sind das Ritterliche und das Ridiküle ganz zusammengerückt, und der echte Revolutionär ist sich dessen wohl bewusst. Seine Müdigkeit darf man sicher nicht mit Resignation verwechseln, seine Sturheit nicht mit Pedanterie oder Betulichkeit. Und seine Attraktivität kommt ohne jedes Pathos aus.

Auch das endgültige Verschwinden vollzieht sich ohne Dramatik, die letzten Stunden in La Higuera, wo alles sich gegen Che verschwört, die KP Boliviens, die Regierung, die CIA. Auch der Guerilla-Filmemacher Soderbergh hat das Verschwinden durchaus im Blick - dass er mit dem Filmemachen aufhört im amerikanischen Kino. Womöglich ist das Kino wirklich nur ein Ersatz, und die Gesellschaft der Zukunft wird es nicht mehr brauchen.

CHE: PART TWO, F/SP/USA 2008 - Regie: Steven Soderbergh. Buch: Peter Buchman, Benjamin A. van der Veen. Kamera: Peter Andrews. Schnitt: Pablo Zumárraga. Musik: Alberto Iglesias. Mit: Benicio Del Toro, Demián Bichir, Rodrigo Santoro, Franka Potente, Joaquim de Almeida. Central, 131 Minuten.

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