Josef Bierbichler in "Verbrechen":Zärtlicher Schauspiel-Berserker

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Josef Bierbichler spielt in der ZDF-Verfilmung "Verbrechen" nach den Erzählungen Ferdinand von Schirachs den Strafverteidiger Friedrich Leonhardt. (Foto: dpa)

Vom Dressurbetrieb des Films lässt er sich nicht zähmen, das Fernsehen hält er für eine "Verdummungsfabrik": Josef Bierbichler ist seit jeher ein Unbequemer, der am liebsten zwischen den Stühlen sitzt. Nun spielt er in "Verbrechen" nach den Erzählungen Ferdinand von Schirachs einen Strafverteidiger.

Von Christopher Schmidt

Josef Bierbichler, den alle nur Sepp nennen, ist keiner, der tut, was man ihm sagt - mit einem "schlechtgelaunten Zirkuslöwen" hat ihn der Regisseur Hans Steinbichler verglichen. Denn Bierbichler, diese Urgewalt von Mann aus der Stammlinie der bayerischen Künstlerrebellen Brecht-Valentin-Achternbusch, hat dem Kulturbetrieb nie Pfötchen gegeben. Eher schon lässt er seine Pranke sprechen, etwa, als er einmal einen Kritiker ohrfeigte.

Ein Ungezähmter, nicht zu bändigen vom Dressurbetrieb des Films und des Theaters und seinen peitschenschwingenden Dompteuren. Und ein Unbequemer, der am liebsten zwischen den Stühlen sitzt und sich so seinen eigenen, solitären Platz im Kino und auf der Bühne eroberte.

Als der ZDF-Moderator Wolfgang Herles ihn für sein Literaturmagazin "Das blaue Sofa" auf das titelgebende Möbel bat, weigerte Bierbichler sich buchstäblich, Platz zu nehmen. Er wollte Distanz halten zum Fernsehen, das ihm als "Verdummungsfabrik" ohnehin verdächtig ist, und zu seinem Gegenüber, das er gewohnt mürrisch abkanzelte, aus einer Lauerstellung des Misstrauens gegenüber jeder Vereinnahmung heraus, ein stiller Brüter.

Stattdessen stellte Bierbichler zwei Gartenstühle auf die Wiese seines Familiensitzes "Zum Fischmeister" in Ambach am Starnberger See, wo er 1948 geboren wurde und als Gast- und Landwirt lebt, wenn er nicht gerade dreht oder auf einer der großen Bühnen zwischen Hamburg und Wien steht, was er leider immer seltener tut. Denn mit seinem Buch "Mittelreich" gelang ihm 2011 die Überraschung der Saison und das Debüt in einer neuen Rolle: als Romanautor von kantiger Erzählwucht.

Erratischer Ausnahmekünstler

Aber auch als Schauspieler macht der Außenseiter Bierbichler stets nur da mit, wo er eben nicht mitmachen muss, sondern er selbst bleiben kann: ein empfindsamer, auch empfindlicher Berserker und grüblerischer Grobian, ein zartbesaiteter Kraftmeier, der seine Rollen mehr lebt als spielt, das Gegenteil eines Verwandlungsvirtuosen und Chamäleons. Diese Unbehauenheit verschafft ihm, dem mürben Mannskerl, seine so authentische Präsenz und ließ ihn zu dem erratischen Ausnahmekünstler werden, der er ist.

Dabei hatte Bierbichler in den siebziger Jahren nach einer Hotelfachlehre zur Schauspielerei nur gefunden, um einen Minderwertigkeitskomplex zu überwinden, und weil er eine Arbeit machen wollte, die sich nicht wie Arbeit anfühlt. Ein Schauspielanarch ist er geblieben, einer, der stur seinen eigenen Weg geht, offen für das Neue, Ungesicherte, vor allem aber für alles, wo er Wahrhaftigkeit findet. Insofern ist es nur konsequent, dass er nun, düster umwölkt und unter breiter Hutkrempe, den Strafverteidiger Friedrich Leonhardt in der ZDF-Verfilmung "Verbrechen" nach den Erzählungen Ferdinand von Schirachs spielt. Schließlich versteht sich Josef Bierbichler als Anwalt einer Kunst, die vor menschlichen Abgründen nicht die Augen verschließt.

© SZ vom 06.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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