Im Kino: Salt:Versalzen

Lesezeit: 4 min

Eine kräftige Prise Paranoia, Kalter Krieg und der Kampf um die Weltherrschaft machen aus Angelina Jolie noch keinen James Bond: Dem Film "Salt" fehlt es leider an Humor.

Susan Vahabzadeh

Frauen verhalten sich anders als Männer, egal, ob das Sozialisation ist oder echte weibliche Eigenheit. Sie finden nicht dieselben Dinge erstrebenswert, und die Gesetze, nach denen Attraktivität funktioniert, sind auch verschieden. Wie müsste also ein weiblicher James Bond sein, würde eine Frau die Absolutheit akzeptieren, mit der 007 alles zu jeder Zeit seinem Job unterordnet, sich an seiner totalen Bindungslosigkeit berauscht - und würden wir gerne einer Frau zusehen, die so ist?

Multi-Tasking auf höchster Ebene: Angelina Jolie als so schwerbewaffnete wie -beschäftigte Agentin in "Salt". (Foto: Sony Pictures Releasing/ddp)

Es ist, obwohl es inzwischen einige Action-Heldinnen gegeben hat, immer noch selten, dass ein Filmemacher diese Fragen berücksichtigt. Man muss eine solche Figur anders gestalten, findet Phillip Noyce - Salt, die Heldin seines neuen Films, verkörpert von Angelina Jolie, funktioniert zunächst einmal ganz anders als vergleichbare männliche Figuren:

Sie praktiziert Multi-Tasking auf höchster Ebene, versorgt unter Einsatz ihres Lebens ihren vierbeinigen Kinder-Ersatz, und in einem Moment, in dem die nationale Sicherheit in Gefahr ist und sie die zu schützen hat, plant sie nebenher noch ihren Hochzeitstag.

Der australische Regisseur Phillip Noyce hat einige ruhige politische Filme gemacht, "The Quiet American" beispielsweise und "The Long Walk Home", über Aborigine-Kinder, die ihren Familien entrissen wurden. Er ist trotzdem ein Action-Profi - so richtig bekannt wurde er mit den Tom-Clancy-Verfilmungen "Die Stunde der Patrioten" (1992) und "Das Kartell" (1994), mit Harrison Ford als Agent Jack Ryan -, aber er ist einer, dem die Hintergründe seiner Geschichten wichtig sind, die Motivation seiner Charaktere. Er macht Thriller, aber die ständige Bewegung war eigentlich bisher nicht sein Ding.

Er hat schon einmal mit Angelina Jolie gedreht, "Der Knochenjäger", 1999 - da folgt sie den Anweisungen von Denzel Washington, dem eigentlichen Ermittler, der ans Krankenbett gefesselt ist. In "Salt" fehlt dieser Ruhepol, Angelina Jolie, die inzwischen um ein Vielfaches berühmter ist als vor zehn Jahren, steht im Zentrum fast jeder Szene - und ist immer in Bewegung, der ganze Film ist eine einzige nicht endenwollende Jagd.

Das Feingefühl, mit dem Noyce die Geschichte anfangs inszeniert, bleibt dabei irgendwann auf der Strecke - als habe er, vor lauter Action, irgendwann das Innenleben seiner Hauptfigur aus den Augen verloren.

So geht auch flöten, was ihren Charme ausmacht - das ist schon unglaublich cool, wie sie auf der Flucht, ganz beiläufig im Vorübergehen, ohne mit der Wimper zu zucken klaut, was sie gebrauchen kann als Verkleidung oder Waffe. Ursprünglich hat Kurt Wimmer das Drehbuch für einen männlichen Schauspieler geschrieben, erst als klar war, dass Jolie Salt spielen würde - die Sony-Chefin Amy Pascal hatte sich auf die Suche gemacht nach einer entsprechenden Rolle für Jolie -, wurde die Figur überarbeitet, und was dabei herauskommt, ist ein Zuviel an Gender Equality: Männliche Heldenfiguren, allen voran James Bond, sind ein zweifelhaftes Ideal.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, was fehlt.

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Aussehen aber tut Noyce' Agentenwelt ganz anders, kühl blaustichig, er hat sich keine glamourösen Luxusorte ausgeguckt für Salts großen Coup, sondern abgewohnte Viertel von Washington. Ansonsten wird hier tatsächlich eine alte Paranoia recycelt und auf die Gegenwart umprogrammiert: Der Kalte Krieg, so lang vorbei, dass die Idee schon wieder originell ist, die Kräfte, die an seinem Ende verloren zu haben schienen, walten hier noch im Hintergrund.

Die Story beginnt in Korea, mit einer Folterszene - Evelyn Salt gibt nichts preis gegenüber ihren Peinigern, wird freigelassen, ihr Cover - sie gibt vor, eine Geschäftsfrau zu sein - ist noch intakt, obwohl beim Austausch der Gefangenen der Chef ihrer Einheit bei der CIA (Liev Schreiber) schon auf sie wartet. Und ihr Mann (August Diehl) - ein schwerer Fehler, er dürfte nicht wissen, was sie tut, dürfte sich nicht mit ihr zeigen, wo sie vielleicht doch Gefahr läuft, enttarnt zu werden.

Dann, als die Dinge sich wieder normalisiert haben, kommt der Hochzeitstag, und als Evelyn Salt gerade das Gebäude verlassen will, werden sie und ihr Chef zurückgepfiffen: Ein Mann namens Orlov - Daniel Olbrychski, der in vielen Filmen von Andrzej Wajda gespielt hat und in Schlöndorffs "Blechtrommel" - ist aufgetaucht im CIA-Gebäude, das vorgibt, ein normaler Konzern zu sein. Salt muss bleiben, um ihn zu vernehmen.

Orlov war in der Sowjetunion ein Superspion und sagt nun aus, der KGB habe Kinder ausgetauscht in den siebziger Jahren, habe in einem potemkinschen Dorf kleine Schläfer-Agenten ausgebildet, die sich geben und sprechen wie Amerikaner, und sie dann in den USA eingepflanzt, und einer dieser Schläfer werde am nächsten Tag zuschlagen, auf amerikanischem Territorium den russischen Präsidenten ermorden, um so den nächsten Weltkrieg auszulösen.

Am Ende dieses Tages liegt Salts Leben in Scherben - mehr kann man über diesen Plot nicht verraten, ohne die Luft aus der Geschichte herauszulassen. Nur so viel: Für die Fortsetzung, von der Angelina Jolie inzwischen geredet hat, bleibt am Ende nicht viel übrig.

Kalter Krieg und der Kampf um die Weltherrschaft, das ist natürlich tatsächlich ein bondwürdiger Plot - bei dem geht es ja auch immer gleich um den Fortbestand der Menschheit als Spieleinsatz, drunter macht er's nicht.

Dafür aber machte er zu seinen besten Zeiten alles mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Und in einem scheinen sich Pascal, Jolie, Wimmer und Noyce allerdings leider, so scheint es, völlig einig gewesen zu sein: Frauen haben überhaupt keinen Sinn für Humor. Nicht mal, wenn sie James Bond nacheifern.

SALT, USA 2010- Regie: Phillip Noyce. Buch: Kurt Wimmer. Kamera: Robert Elswit. Musik: James Newton Howard. Mit: Angelina Jolie, Liev Schreiber, Chiwetel Ejiofor, August Diehl, Daniel Olbrychski. Sony, 100 Minuten.

© SZ vom 19.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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