Eklats und Entlassung:Die Buchmesse und ihre Opfer

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Zwischen Skandal und Skandal: Zweimal erlebte die Messe genau das Imagedesaster, das sie vermeiden wollte. Am Ende verliert einer seinen Job.

Alex Rühle

Am Sonntagabend schloss die Buchmesse ihre Pforten, am Montagmittag kam die Meldung, die Messe trenne sich mit sofortiger Wirkung von ihrem leitenden Mitarbeiter Peter Ripken. Damit würden die Konsequenzen "aus anhaltenden Abstimmungsschwierigkeiten" im Zusammenhang mit dem diesjährigen Ehrengastland China gezogen, hieß es in der Meldung, die damit aber auch schon wieder zu Ende war.

Der 67-jährige Peter Ripken leitete bisher das Internationale Zentrum der Buchmesse und war Projektverantwortlicher für das umstrittene Symposium im Vorfeld der Buchmesse. Er steht aber auch im Zentrum des kleinen Skandals, der am Sonntag, auf der Schlussgeraden, als alle dachten, na, ist doch halbwegs gut gelaufen mit China, der Messe die ohnehin magere Imagebilanz verhagelte: Kurz vor Beginn des "Farewell Empfangs" sagte Ripken der Umweltaktivistin und Journalistin Dai Qing, sie dürfe dort nicht reden, das Auswärtige Amt sei dagegen, da diese Abschlussveranstaltung nichts mehr mit China zu tun habe, sondern ein zwangloser netter Empfang sei.

Wie töricht, wie grobmotorisch, wie geradezu tragisch! Denn durch dieses Redeverbot hatte der Empfang, der ansonsten höchstwahrscheinlich trotz der kleinen Ansprache von Dai so zwanglos und nett gewesen wäre , wie Ripken und das Auswärtige Amt sich das wünschten, plötzlich einzig und alleine mit China zu tun..

Dramaturgisch ist das Ganze derart bizarr, dass man meinen könnte, ein sadistischer Demiurg habe sich diesen allerletzten Akt der Buchmesse ausgedacht: Diese wird nun eingerahmt von zwei Skandalen, deren Hauptakteure Peter Ripken und Dai Qing waren. Noch dazu ging es beide Male um ein Redeverbot. Und beide Male erlebte die Messe genau das Imagedesaster, das sie vermeiden wollte.

Im September hatte die Messe zu einem Symposium eingeladen, das als Aufwärmübung für die Gastgeber und ihre Gäste gedacht war, aber zum PR-Debakel für die Messe geriet: Als die Chinesen wegen der Teilnahme der Dissidenten Dai Qing und Bei Ling drohten, dem Symposium fernzubleiben, bat Ripken, der das chinesische Messeprogramm koordinierte, Dai und Bei, zu Hause zu bleiben und erst im Oktober zur Messe zu kommen. Als die beiden trotzdem anreisten und das Wort ergriffen, verließ die chinesische Delegation den Saal, woraufhin sich Buchmessen-Direktor Juergen Boos bei den Chinesen entschuldigte. Die Presse hatte ihren Chinaskandal: Die Messe knickt ein vor dem asiatischen Monstrum!

Hase und Igel

Ripken, der fast 30 Jahre lang Lobbyarbeit für außereuropäische Schriftsteller geleistet und der lange Jahre die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika geleitet hatte, bot damals seinen Rücktritt an. Juergen Boos gab ihm zwar die alleinige Schuld an dem PR-Debakel (was sehr unfair war), behielt ihn aber im Boot, versprach eine kompromisslose Messe und lud Dai Qing und Bei Ling als "persönliche Gäste" nach Frankfurt ein.

Nun, die beiden fühlten sich wohl auf der Messe. Sie hatten so viele Auftritte, dass man manchmal das Gefühl hatte, einer chinesischen Spielart von Hase und Igel beizuwohnen, wo auch immer man hinging, immer standen dort schon Dai oder der dauerempörte Bei herum.

Auf dem Abschlussempfang wollte Dai Qing, so erzählt es ihr Dolmetscher, der in Deutschland lebende chinesische Journalist und Schriftsteller Shi Ming, sich nur bedanken für die Einladung und nebenbei dezent ihrem Bedauern Ausdruck verleihen, dass kein richtiger Dialog zwischen dem offiziellen China und seinen Kritikern zustande gekommen sei. Ripken habe ihr aber 15 Minuten vor Beginn gesagt, sie werde nicht reden. Ripken freilich sagte am Montag, es habe nie eine Einladung an Dai gegeben, auf der Veranstaltung zu sprechen, sondern nur eine "vage Überlegung vor vielen Wochen".

Wie dem auch sei: Dass das Auswärtige Amt sich gegen Dais Ansprache verwahrte, zeigt noch einmal, woran die diesjährige Buchmesse krankte: Hinter der Idee, China als Gastland einzuladen, standen handfeste wirtschaftliche und politische Interessen. Es muss aber fast zwangsweise zum Skandal führen, wenn man ein Land als "Ehrengast" einer kulturellen Veranstaltung einlädt, das Kultur vor allem als Instrument der Außenpolitik ansieht. Und wie wenig Interesse China an einem freien und kritischen Dialog hat, kann man gerade wieder sehen: Am Freitag wurde ein Professor zu zehn Jahren Haft verurteilt, nur weil er im Internet ein Ende der Ein-Parteien-Diktatur der Kommunistischen Partei Chinas gefordert hatte.

Für Ripken ist es ein schmähliches Ende. Natürlich war sein Verhalten ungeschickt. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er eine Art Bauernopfer darstellt. Er arbeitete jahrzehntelang für die Buchmesse, machte viele Autoren hierzulande erst bekannt, setzte sich für regimekritische Schriftsteller ein, und es ist ihm zu verdanken, dass der öffentlichkeitsscheue Nobelpreisträger Gao Xingjian aus Paris nach Frankfurt kam. Gao sagte dort, die Voraussetzung dafür, gut zu schreiben, sei "innere Freiheit". Das wäre auch die erste Voraussetzung gewesen, um ein guter Gastgeber zu sein

© SZ vom 20.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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