Atomstrom-Debatte:Günter Grass warnt vor "Öko-Diktatur"

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Schriftsteller Günter Grass las am Sonntag bei der Protestaktion vor dem Kernkraftwerk Krümmel - und machte sich Sorgen um die Zukunft.

Schriftsteller Günter Grass, 83, hat vor einer "Öko-Diktatur" gewarnt. Es gebe derzeit nicht ein wichtiges Thema, sondern mehrere: "Das Ende der Ressourcen etwa, das Ende des Wachstums, die Globalisierung, die Wasserknappheit, das alles ist genauso wichtig", sagte Grass dem Hamburger Abendbla tt. Die Gefahr sei, dass sich all das in naher Zukunft balle.

Schriftsteller Günter Grass steht am Sonntag bei der Protestaktion "Lesen ohne Atomstrom" vor dem Kernkraftwerk Krümmel in Geesthacht bei Hamburg, einer Aktion gegen die Energiepolitik von Bundesregierung und Vattenfall. (Foto: dpa)

"Meine schlimmste Befürchtung ist, dass wir eine Öko-Diktatur bekommen. Wir müssten dann mit Notstandsverordnungen leben."

Auch die Atomkatastrophe in Japan könne man nicht mehr so handhaben wie Tschernobyl zu Zeiten der Sowjetunion. "Damals konnte man Leute dorthin karren, die den Betonmantel um das Werk legen mussten - sie sind alle verstrahlt worden. Was will man in Japan machen?" Dort gebe es nicht einmal genug Lastwagenfahrer, die freiwillig in die Sperrzone fahren wollten. "Da haben wir einen Vorgeschmack auf das, was auf uns zukommen könnte."

Bei seiner Lesung vor dem schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Krümmel hat Günter Grass außerdem die Atompolitik der schwarz-gelben Bundesregierung kritisiert. Er beklagte an diesem Sonntag vor allem den Einfluss der Atomlobby auf die Politik und forderte: "Wir brauchen eine Bannmeile für die Lobby rund um den Bundestag."

Empört euch!

Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe "Lesen ohne Atomstrom" las Grass vor rund 400 Zuschauern unter anderem aus seinem jüngsten Buch "Grimms Wörter". Am Samstagabend hatte sich bereits Nina Hagen an der Protestaktion vor dem abgeschalteten Reaktor in Geesthacht bei Hamburg beteiligt.

"Hier in unserem Land ist Korruption weit verbreitet und etabliert", beklagte der Literatur-Nobelpreisträger - und nahm dabei auch die Bundesregierung nicht aus. "Man muss ein wachsames Auge auf die Lobby haben." Grass forderte die Bürger mit den Worten "Empört euch!" zum Protest gegen Atomenergie auf. Er selbst sei "ganz klar fürs Abschalten" der Kernkraftwerke.

Die Reihe "Lesen ohne Atomstrom" richtete sich gegen die Energiepolitik der Bundesregierung und des Versorgers Vattenfall. Organisiert wird sie von der Initiative "Unternehmen gegen Atomkraft". Die Reihe soll eine Alternative zu den derzeit in Hamburg laufenden Vattenfall Lesetagen bieten. In der Hamburger Kulturszene ist seit der Atomkatastrophe in Japan eine Debatte über das Kultursponsoring entbrannt.

Schriftsteller Feridun Zaimoglu sieht die Finanzierung von Kulturveranstaltungen durch die Atomindustrie als "erschreckende Entwicklung". Der Autor Mario Giordano warnt hingegen davor, die Proteste gegen Vattenfall auf dem Rücken der Literatur auszutragen. Denn würden am Ende die Lesetage "abgeschaltet und stillgelegt", so Autorin Regula Venske, wäre dies ein zweifelhafter politischer Erfolg.

© SZ vom 11.04.2011/sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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