Amazon-Chef Roy Price:Vorbei mit dem Punkrock

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Lieber in Lederjacke und T-Shirt als in Anzug und Krawatte: Roy Price. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Als unkonventioneller Programmchef machte Roy Price die Amazon Studios groß. Nach Harvey Weinstein ist er nun der zweite US-Filmchef, der wegen Vorwürfen sexueller Belästigung zurücktritt.

Von Carolin Gasteiger

Am liebsten trägt Roy Price T-Shirt, Jeans und Lederjacke. Er mag es lässig, unkompliziert. Seine Kollegen bei Amazon tragen vorwiegend Anzug und Krawatte, er nur, wenn er muss. Und während sich viele andere bei Amazon eher verschlossen geben, twittert Price gern und postet Selfies. Locker, lässig, unkonventionell - so hätte man bis vor kurzem ein Porträt über Roy Price betiteln können. "Wir von Amazon sind Punkrock", zitierte ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor zwei Jahren.

Mit dem Punkrock ist es nun vorbei. Am Donnerstag hatte Amazon seinen Programmchef bereits s uspendiert, nun ist er endgültig von seinem Posten zurückgetreten. Ähnlich wie bei Harvey Weinstein, der vergangene Woche als Chef seiner eigenen Produktionsfirma zurücktreten musste, wird auch Roy Price sexuelle Belästigung vorgeworfen.

Auf einer Taxifahrt anlässlich der Comic-Convention im Juli 2015 soll Price Isa Hackett, der Produzentin der Amazon-Serie The Man in the High Castle, gesagt haben: "Du wirst meinen Schwanz lieben." Hackett wies Price darauf hin, sie sei nicht interessiert und außerdem lesbisch mit Frau und Kindern. Auf der Party später soll Price ihr schließlich vor Dritten "Analsex" zugerufen haben.

Auch Rose McGowan kritisiert Price scharf: Sie habe ihm erzählt, von Weinstein vergewaltigt worden zu sein, Price habe jedoch erwidert, es gebe keine Beweise. Und auch nach ihrem Hinweis, sie sei der Beweis, habe er geschwiegen. "Ich rufe Sie dazu auf, Vergewaltiger, mutmaßliche Pädophile und sexuelle Belästiger nicht weiter zu finanzieren", twitterte McGowan an Amazon-Chef Jeff Bezos. Ähnlich wie bei Weinstein waren auch die Vorwürfe gegen Price schon länger bekannt. D er erste Artikel auf The Information stammt von August dieses Jahres, doch erst jetzt wurden die Beschuldigungen im Zuge des Weinstein-Skandals publik.

Mit Price verliert Amazon einen wichtigen Mann. Unter ihm wurde Amazon Prime zum zweitgrößten Video-Streaming-Dienst in den USA nach Netflix. "Wir suchen nach visionären Filmemachern, die etwas Neues, Interessantes und Lustiges mit Leidenschaft angehen wollen - und etwas, über das es sich lohnt, zu reden", erzählte er der Seattle Times. Amazon zu einem Event-Kanal zu machen, war Prices Mission. Sein vielleicht größter Coup: ausgerechnet den Grandseigneuer des Kinos, Woody Allen, eine Serie für Amazon produzieren zu lassen. Ausgerechnet Allen, der nach eigener Aussage nicht einmal wusste, was Amazon war. Prices Verdienst war es außerdem, Amazon die US-Aufführungsrechte für das mit zwei Oscars ausgezeichnete Drama "Manchester by the Sea" zu sichern, damit stach er etablierte Filmverleiher wie Sony oder Universal aus.

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Price merkte früh, wie wichtig die digitalen Verbreitungswege für Filme und Serien werden würden - und ging zur Unternehmensberatung McKinsey. Als klar war, dass auch Amazon einen Video-on-demand Service braucht, war Price zur Stelle. "Man sollte immer eine leicht unrealistische Vision haben", empfahl der 50-Jährige als Lebenslektion. "Sie werden überrascht sein, was alles machbar ist."

Amazon beteuert zwar, Prices Weggang werde dem Erfolg des Unternehmens nicht schaden und kündigt sogar schon einen interimistischen Nachfolger an. Aber die Folgen des Weinstein-Price-Skandals sind spürbar. Das jüngste Amazon-Projekt, eine Mafiaserie mit Julianne Moore und Robert de Niro, die Amazon zusammen mit der Weinstein Company realisieren wollte, wurde abgesagt. Und "The Romanoffs" von Hollywoodproduzent Matthew Weiner realisiert Amazon nun ohne Weinstein-Beteiligung. Und ohne Roy Price.

Kurz nach dessen Rücktritt als Amazon-Programmchef meldete sich eine weitere Schauspielerin. Mehreren britischen Zeitungen zufolge soll Anna Friel eine Dinnerparty vorzeitig verlassen haben, weil Price sich ihr gegenüber unangemessen verhalten habe.

Als Programmchef mag Price zwar nicht so viel Einfluss auf die Filmbranche haben wie Produktionsfirmeninhaber Weinstein. Aber dass die Geschichte seine weitere Karriere belasten würde, dürfte er geahnt haben. Seinem endgültigen Rausschmiss kam er zuvor. Eine weitere, private Parallele zwischen Price und Weinstein: Weinsteins Ehefrau hatte sich von ihm getrennt, kurz nachdem die Vergewaltigungsvorwürfe öffentlich wurden. Prices Verlobte sagte gleich nach dessen Suspendierung die anstehende Hochzeit im November ab.

Woody Allens Agent John Burnham sagte über Price in der Seattle Times: "Roy ist von Grund auf transparent", es sei erfrischend, mit ihm zusammenzuarbeiten. "Er ist alles, was ein Hollywood-Boss nicht ist." Aber Hackett, McGowan und Friel werfen ihm genau das vor: ein einflussreicher Geschäftsmann zu sein, der seine Position gegenüber Frauen missbraucht hat.

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