Unternehmenskultur bei Bosch:Weg mit den Krawatten

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Bei Bosch kein Muss mehr: die Krawatte

(Foto: AndreasF. / photocase.com)

Bosch war stets einer der korrektesten, aber auch konservativsten Konzerne in Deutschland. Mit Chef Volkmar Denner hat eine neue Entspanntheit Einzug gehalten - und zwar nicht nur in Sachen Dresscode.

Von Max Hägler, Stuttgart

Es war eine Klage, die stellvertretend stand für Bosch, den Konzern, den manche eine Technik-Behörde nennen: Statt persönlicher Gespräche gebe es eine Flut von Anweisungen, klagten Betriebsräte vor vier Jahren in einem Rundbrief: "Unaufgefordert erhalten wir ständig neue Regeln, Zentralanweisungen, Arbeitsanweisungen und jede Menge unwichtiges Zeug, das gelesen und beantwortet werden muss." Habe man jedoch einmal eine konkrete Frage, etwa zur Spesendokumentation bei einer Weiterbildung, komme ein Anpfiff: Da gebe es doch eine 30-seitige "Zentralanweisung"! Habe man die etwa nicht durchgearbeitet?

Bosch, das war stets einer der korrektesten, aber auch konservativsten Konzerne in Deutschland. Lange Zeit dachten die Schwaben selbst: Nur strenge Regeln und Vorgaben führen zu präzisen Ergebnissen und "Innovationen". Doch die Zeit der Bürokraten scheint vorbei zu sein. Zwar ist eine wichtige Messlatte immer noch eine möglichst geringe Fehlerrate, etwa zwei defekte Dieseleinspritzpumpen pro einer Million Teile. Aber anderes wird nun radikal abgeschafft.

Ja, die Geschäftsführer selbst machen sich mittlerweile lustig über pedantische Aktenwälzer: Es bringe den Laden nicht weiter, Zahlen von links nach rechts zu schaufeln oder zehnmal in einer Excel-Tabelle herumzuklicken, spottete etwa Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer dieser Tage bei der Vorstellung der Jahreszahlen. Die Hälfte des Aufwands haben seine Leute deshalb eingespart - weil sie weniger kontrollieren. Kein Problem, sagt Asenkerschbaumer, denn "in der Regel wurde zu viel zu detailliert geplant".

Auch abseits der Zahlenwelt sind die Chefs entspannter geworden: Im fünften und sechsten Stock der Schillerhöhe, der Zentrale des schwäbischen Weltkonzerns mit 290 000 Mitarbeitern, werden oft keine Krawatten mehr getragen - und wenn, dann diese angesagten schmalen. Was für ein Kulturbruch! Oder die "Zentralanweisungen": 700 waren es, die Hälfte wurde zuletzt gestrichen. Meist Buchhaltungskram, aber auch die Richtlinie, dass überall ein Pförtner zu sitzen hat. Bei Programmierbüros reicht es nun, abzusperren und die Alarmanlage einzuschalten.

Woher diese neue Entspanntheit? Sie hat viel mit Volkmar Denner zu tun, der seit zweieinhalb Jahren Chef ist. Denner ist ein pragmatischer Mensch, weniger präsidial als sein Vorgänger, der jetzige Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach. Er sucht das Gespräch mit Mitarbeitern jenseits der Hierarchieregeln - und schaffte deshalb den für Chefs reservierten Aufzug auf der Schillerhöhe ab. Eine Art Unternehmens-Facebook ließ er anlegen, Bosch Connect, wo alle mit allen alles bereden können.

Denner, selbst Naturwissenschaftler und Bosch-Entwicklungschef, weiß, dass in einer digitalen, also schnellen Welt, Überkorrektheit zum Nachteil gereicht. Weiter arbeite der Konzern sehr exakt, also schwäbisch, sagt er. Aber wo gefordert, überspringen seine Leute nun allzu ausufernde Planungsarbeiten: Beim selbstfahrenden Google-Auto ist Bosch so einer der ganz zentralen Mitentwickler geworden. Für Tesla, den Premium-Elektrowagen-Hersteller, hat sich Bosch dem Takt des ungeduldigen US-Produzenten angepasst: In zehn Monaten haben die Schwaben einen Sicherheitsradar entwickelt; bisher dauerte so etwas zwei Jahre.

Beim Ergebnis scheint sich das alles auch niederzuschlagen: Der Bosch-Umsatz ist 2014 auf 49 Milliarden Euro gestiegen - der Gewinnanteil ebenfalls.

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