Schule in Frankreich:Je länger der Unterricht, desto länger die Ferien

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Vier-Tage-Woche und zwei Monate Schulferien waren bisher normal. Jetzt soll das französische Schulsystem geändert werden. Vorbild ist Deutschland.

Vier-Tage-Woche und zwei Monate Sommerferien - davon träumen Schüler in Deutschland. Für französische Kinder war dieser Alltag bislang Realität, zu der gehörte allerdings auch die zweithöchste Anzahl an Schulstunden in Europa. Diese Konzentration des Unterrichts auf wenige Tage soll jetzt ein Ende haben. Die Regierung will den Unterricht neu ordnen. Deutschland gilt als Modell - allerdings orientiert sich Frankreich an einem System, das bei uns längst nicht mehr Standard ist: intensiver Unterricht am Vormittag, Kunst und Sport am Nachmittag.

Bislang standen die Klassenzimmer in Frankfreich im Sommer zwei Monate leer. Mit der Reform des Unterrichtsystems könnte sich das jetzt ändern. (Foto: ddp)

Die französischen Schüler haben nach den griechischen die meisten Unterrichtsstunden in Europa - diese sind aber auf erheblich weniger Tage verteilt. Nach Angaben der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) gehen 15-jährige Franzosen nur 144 Tage im Jahr zur Schule, sitzen dort aber mehr als 1100 Schulstunden ab. Deutsche Schüler haben im Schnitt an 188 Tagen im Jahr Schule, aber nur knapp 900 Schulstunden. Ziel der Reform ist es nicht unbedingt, die Stundenzahl zu verringern. "Es gibt viel zu lernen und keinen Grund, Unterricht zu streichen. Die Stunden müssen besser verteilt werden", sagt Gilles Moindrot vom Lehrerverband. "Vielleicht ist es nötig, zur Fünf-Tage- Woche zurückzukehren, vielleicht werden die Sommerferien gekürzt - wichtig ist, dass wir über alle Möglichkeiten nachdenken."

Eine von Bildungsminister Luc Chatel im Juni eingesetzte Kommission soll mit allen Betroffenen sprechen und Mitte Mai 2011 Vorschläge machen, wie der Schulrhythmus verbessert werden kann. Dass etwas geändert werden muss, ist klar, nur wie, darüber gehen die Meinungen von Lehrern, Eltern und Schülern auseinander.

Erschwert wird die Lage dadurch, dass die Schulen nicht einheitlich organisiert sind. An manchen gibt es an vier Tagen die Woche Unterricht, der Mittwoch ist frei, an anderen ist Samstags Unterricht; an wieder anderen haben die Schüler von Montag bis Freitag oder gar von Montag bis Samstag Schule.

Am Lycée Turgot in Paris gilt die Fünf-Tage-Woche, montags bis freitags ist Mirabelle Cheval von 8 bis mindestens 17 Uhr in der Schule. Auf ihre langen Sommerferien würde sie nur ungern verzichten, auch wenn die Schultage ihrer Meinung nach zu lang sind. "Für mich sind die Ferien wichtig, um mich von der Schule zu erholen." Die 19- Jährige überlegt kurz und sagt dann: "Aber vielleicht wäre die Schule ja auch weniger anstrengend, wenn die Tage kürzer wären und dann bräuchte ich nicht mehr so lange Ferien?"

Im Herbst dieses Jahres beginnt eine Testphase an 100 Schulen in Frankreich. Dort soll der Tagesablauf versuchsweise umgestellt werden: Unterricht am Vormittag, Sport am Nachmittag. Moindrot betont: "Wir wollen kein Schulsystem einführen, von dem sich Deutschland gerade löst und das soziale Ungleichheiten provoziert." Dem Lehrerverband ist deswegen wichtig, dass Schüler auch nachmittags von Lehrern begleitet werden.

Mirabelle würde gern nachmittags Sport treiben, aber unter der Woche hat sie keine Zeit dafür. Ihr würde die neue Aufteilung gefallen. Vermutlich wird sie aber nicht mehr davon profitieren, da die Schulreform frühestens 2013 wirksam wird.

© sueddeutsche.de/dpa/Kathrin Aldenhoff/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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