Plagiate an Hochschulen:Hut ab!

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Guttenberg wäre nicht der Erste: Vor Gericht haben Plagiatoren schon für geringere Vergehen den Doktorgrad verloren. Mitleid mit den gebeutelten Doktoranden zeigen die Richter nicht.

Roland Preuss

Der Fall war klar, und auch sein Anwalt konnte das Unglück nicht mehr abwenden: Nach 23 Semestern legte der Hohenzollernprinz Friedrich Wilhelm 1971 endlich seine Dissertation über "Die Reichsgründung im Spiegel neutraler Pressestimmen" vor und durfte alsbald den Titel des Dr. phil. tragen. Doch die Freude an den akademischen Meriten währte nur kurz: Einem Angestellten der Marburger Staatsbibliothek, zufällig ein Experte auf dem Gebiet, fiel die Arbeit in die Hände - und er stellte einige Parallelen zu anderen Werken fest.

Das System der Lehrstühle und Kleinst-Institute an deutschen Universitäten ist überholt. Dort regieren die Professoren mitunter wie Fürsten. (Foto: dpa)

Der Adlige, so stellte sich heraus, hatte ganze Kapitel abgeschrieben, insgesamt "weit mehr als zwei Drittel des Inhalts", wie der Spiegel damals berichtete. Der Erlanger Universität blieb nichts anderes übrig als dem Prinzen 1973 seinen Titel wieder zu nehmen. Der edle Band enthielt seither hinter dem Titelblatt, das den Autor in großen Lettern auswies, einen kleinen Zettel mit dem Hinweis, es handle sich um "ein Plagiat".

Immerhin: Angesichts der Übermacht der Beweise wurde der Urenkel des letzten deutschen Kaisers noch selbst aktiv: Auf den Rat seines Anwalts hin verzichtete er demnach freiwillig auf den Doktorgrad. Diesen Weg wählte jetzt auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg - obwohl ihm selbst diese Entscheidung gar nicht obliegt. Den Verzicht sieht die Promotionsordnung der zuständigen Universität Bayreuth nicht vor. Es wird ein Prüfungsverfahren unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit werden, so viel steht fest. Die letztgültige Entscheidung trifft die Promotionskommission der Fakultät, sie hat einen breiten Spielraum, laut Promotionsordnung "kann" sie den Titel aberkennen, sie muss nicht.

Die Frage, ob fair entschieden wird, wird anhand vergleichbarer Fälle beantwortet werden und hierzu bietet sich ein Blick auf Gerichtsurteile zu Plagiatsfällen der vergangenen Jahre an. Der Internetplattform "Guttenplag Wiki" zufolge lassen sich bei Guttenbergs Doktorarbeit 20 Prozent aller Textzeilen als wissenschaftlich unsauber übernommene Textstellen bezeichnen, das entspräche 85 von etwa 400 Seiten Text.

Prominente Plagiate
:Seins oder nicht seins?

Prominente politische Persönlichkeiten wie Karl-Theodor zu Guttenberg oder Annette Schavan stolperten über Plagiatsvorwürfe wegen ihrer Doktorarbeit. Dabei haben sich vor ihm schon ganz andere mit fremden Federn geschmückt. Berühmte Plagiatsvorwürfe der Literaturgeschichte.

Bildern.

Bei ähnlichen Dimensionen waren andere Titelträger bereits mehrmals vor Gerichten gescheitert. So bestätigte das Verwaltungsgericht Frankfurt im Mai 2007 den Verlust eines Doktortitels, weil der Autor des Plagiats "immerhin 61 von 269 Seiten", ein ganzes Kapitel, kopiert hatte. Auch den Einwand des Klägers, er habe in 27 Fußnoten auf das Werk des eigentlichen Urhebers verwiesen und diesen auch im Literaturverzeichnis aufgenommen, ließen die Richter nicht gelten. Auch dem Verwaltungsgericht München reichten im Oktober 2008 "mindestens 64 Seiten" (eines nicht näher bezeichneten Gesamtumfangs) einer sozialwissenschaftlichen Arbeit, die von der Bundeswehr-Universität entstanden worden war.

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Die Münchner Richter bemängelten in ihrem Urteil ausdrücklich ein Verfahren, das sich auch in Guttenbergs Doktorarbeit nachweisen lässt: Es seien "sogar Fußnoten (...) ohne jeden Hinweis auf ihre Herkunft in die Dissertation übernommen worden". Bei einem Fall vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ging es gar nur "um mehrere Seiten" Plagiat in einer Tübinger Doktorarbeit. Der Senat betonte dementsprechend, dass es nicht auf die Gesamtmenge der abgekupferten Stellen ankommt, sondern ob der Plagiator diese "wiederholt und planmäßig" als eigene Arbeit ausgegeben hat. Weiteres Indiz für ein Plagiat: Der Autor hat sich bei verschiedenen Autoren bedient - im Fall Guttenberg sind dies SZ-Recherchen zufolge mindestens 19.

Mit dieser strengen Linie stehen die Baden-Württemberger nicht allein. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof fällte im April 2006 eine wegweisende Entscheidung zum Thema. Das Gericht wäre beim Weg durch die Instanzen auch im Fall einer Klage Guttenbergs gegen einen Titelentzug zuständig. Der 7. Senat bemängelte in einem Regensburger Fall "mehrere Passagen und sogar mehrere Überschriften" in der Dissertation der Klägerin, insgesamt etwa 35 Seiten aus 16 verschiedenen Werken anderer Urheber, "davon ca. acht Seiten ohne jeden Beleg". Auch hier nennt das Urteil nicht den Gesamtumfang des Werkes.

Besonders empörte die Richter, dass die Plagiatorin ihre Schlussbemerkung dem Aufsatz eines anderen entnommen hatte. Auch das Argument der Klägerin, durch einen Titelentzug drohten ihr "erhebliche berufliche Nachteile" ließen die Münchner Richter nicht gelten. Die Frau muss heute ohne den Dr. jur. auskommen. Guttenberg hatte sich für seine Einleitung ausgiebig in einem FAZ-Artikel von 1997 bedient.

© SZ vom 22.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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