Der 18. Juli 1942 war ein finsterer und doch zugleich wegweisender Tag der Weltgeschichte. In Russland rückte die deutsche Wehrmacht weiter auf Stalingrad vor, bei Ulm hob mit der Messerschmitt Me 262 der erste Seriendüsenjet der Welt zum Jungfernflug ab, und auf dem New Yorker Flughafen La Guardia trat ein schmächtiger 16-Jähriger mit dunklem Haar seine Lehrstelle in der Flugzeugwartung von American Airlines an.
Der Krieg ist glücklicherweise seit mehr als sieben Jahrzehnten zu Ende, und Düsenflieger gelten den Reisevisionären von heute auf ihrem Weg zu Mond und Mars als hoffnungslos veraltet. Das schmächtige Kerlchen aber arbeitet, wenn auch ergraut, immer noch für die Gesellschaft, die ihn vor 75 Jahren einstellte: Jetzt hat American Airlines einen großen Festakt für ihn ausgerichtet.
Dem BWL-Professor Sven Voelpel zufolge hat das Alter in Deutschland ein Imageproblem. Das hat negative Folgen - sowohl für den Einzelnen als auch für Unternehmen.
Laut Guinnessbuch der Rekorde ist Azriel Blackman der dienstälteste Flugzeugmechaniker der Welt, und es ist kaum verwegen zu behaupten, dass es auch über die Branche hinaus nur wenige Menschen geben wird, die seit einem Dreivierteljahrhundert ihren Job ausüben - noch dazu bei ein und demselben Arbeitgeber. Auch mit fast 92 Jahren denkt Blackman, den seine Kollegen nur Al oder Blackie nennen, nicht ans Aufhören: Nach wie vor steigt er jeden Morgen daheim in Queens Village in seinen Wagen und fährt die gut zehn Kilometer zum Flughafen John F. Kennedy, wo die Airline ihre in New York stationierten Flieger heute wartet. Die Schicht beginnt um fünf Uhr, aber oft taucht er schon um kurz vor drei im Hangar auf. "Wenn du etwas tust, was dir Spaß macht, ist es keine Arbeit", sagt Blackman - ein Spruch, für den ihn die Chefs dieser Welt lieben werden.
Als er 1942 anfing, arbeitete er zunächst in der Blechwerkstatt, wo Ersatzteile geschnitten, gestanzt, gefräst und geformt wurden, um sie in die noch grobschlächtigen Flieger und Flugboote der damaligen Zeit einzubauen. Pro Stunde zahlte ihm die Firma, die seinerzeit noch American Export Airlines hieß, 50 Cent. "Selbst heute, mit über 90 Jahren, ist es noch so: Gib ihm ein Stück Blech in die Hand, und er biegt dir was Vernünftiges zurecht", sagt Blackmans langjähriger Kollege Anthony Korovich. "Er ist eine wahre Legende - und zudem der beste Witze-Erzähler der Welt."
Auf ein Dasein als Rentner hat Blackman keine Lust
Wegen seines hohen Alters darf der rüstige Handwerker mittlerweile keine Leitern mehr besteigen und auch nicht mehr auf dem Flugfeld herumfahren, ja, nicht einmal mit einem Schraubenzieher darf er noch zu Werke gehen. Als einer von zwei Crew-Chefs überwacht er vielmehr, welche Reparatur- und Wartungsarbeiten seine Kollegen an den Jets vorgenommen haben, die American über Nacht auf dem Flughafen warten lässt. Auf ein Dasein als Rentner hat er keine Lust, was auch damit zusammenhängen mag, dass seine Frau schon lange tot ist und aus vielen Kollegen über die Jahrzehnte Freunde wurden.
Die tief greifenden Veränderungen, die die Branche seit 1942 durchlebt hat, sieht er mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mehr Regeln, mehr Inspektionen, mehr Sicherheit, das sei ein gewaltiger Fortschritt, sagt Blackman. Den großen Einfluss der Börse, der Finanzinvestoren und Computerprogramme hingegen sieht er durchaus auch kritisch, wie er schon zum 70. Dienstjubiläum vor fünf Jahren betonte. "Der Computer, der in die Halle geht und ein kaputtes Teil repariert, ist mir noch nicht begegnet."
Künftig wird man den Namen des Veteranen nicht nur im Mitarbeiterverzeichnis des Kennedy-Flughafens und im Guinnessbuch antreffen, sondern auch auf den Jetstream-Autobahnen der Luftfahrt in 11 000 Metern Höhe: Zu Ehren des 91-Jährigen taufte Konzernchef Parker einen Jet des Typs Boeing 777 auf den Namen Azriel "Al" Blackman.
