Männer in klassischen Frauenjobs:Erst Hahn im Korb, dann Chef

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Männer in Frauenjobs haben es nicht leicht. Sie müssen gegen Vorurteile kämpfen und manchmal Spott ertragen. Doch der Exoten-Status hat auch Vorteile: Vielen gelingt schnell der berufliche Aufstieg.

Sie gelten oft als eher zarte Typen und müssen sich fragen lassen, ob nicht in einem anderen Job mehr drin gewesen wäre. "Auch in Familie und Freundeskreis kommt es häufig zu Situationen, in denen sie sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, sie hätten ja nichts Richtiges gelernt", sagt Britta Matthes vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Das hindere viele Männer daran, einen vermeintlichen Frauenberuf zu wählen.

Wo Männer Mangelware sind: Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2009 nur 7,2 Prozent der Mitarbeiter in Kindertagesstätten männlich. (Foto: dpa-tmn)

Jene, die es doch wagen, müssen einiges aushalten können, denn sie stechen hervor. "Dass ich als Mann in meinem Job in der Unterzahl bin, ist noch untertrieben", stellt Peter Bließen fest, der als Medizinischer Fachangestellter in einer Praxis für Onkologie und Hematologie in Hildesheim arbeitet. Die Statistik gibt ihm recht.

Die Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass nur jeder hundertste Medizinische Fachangestellte - umgangssprachlich: Sprechstundenhilfe - ein Mann ist. Bließen selbst ist über Umwege dazu gekommen. "Ich wollte eigentlich einen eher kaufmännischen Beruf machen", erinnert er sich. Nach dem Schulabschluss begann er eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Diese machte er allerdings nicht zu Ende, weil er zur Bundeswehr eingezogen wurde. "Im Nachhinein bin ich glücklich darüber", versichert Bließen.

Denn nachdem er im Sanitätsdienst eingesetzt wurde, entschied er sich für seinen Traumberuf, den er nun seit zehn Jahren ausübt. Ähnlich sei es bei vielen Männern, die sich für einen Frauenberuf entschieden haben, glaubt Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung in Berlin. "Männer, die im Zivildienst in Kindertagesstätten oder anderen pädagogischen Einrichtungen tätig waren, haben oft ihre Berufsvorstellungen verändert", sagt er. "In dieser Zeit haben sie gemerkt: Das ist doch was für mich."

Wie bei den medizinischen Fachangestellten sind Männer auch an Grundschulen und in der Betreuung noch jüngerer Kinder eher die Ausnahme. Im Jahr 2009 waren laut Statistischem Bundesamt nur 7,2 Prozent der Mitarbeiter in Kindertagesstätten männlich. Ein Wert, der sich bis heute nur wenig verändert haben dürfte. Noch weniger Männer arbeiten lediglich in Haus- und ernährungswirtschaftlichen Berufen (5,1 Prozent) und als Kosmetiker (3,4 Prozent).

Ändern werde sich die Situation erst, wenn das Image des Lehrerberufs und die Bezahlung sich verbessern. "Wenn die Ausbildung gleichwertig ist, sollte es keine Unterschiede in der Bezahlung pädagogischer Berufe geben", fordert Beckmann. So würde anerkannt, dass Arbeit mit kleinen Kindern zwar anders ist, aber nicht weniger wert.

"Männer in Frauenberufen erhalten definitiv weniger Lohn als Männer in geschlechtskonformen Berufen", stellt auch Matthes fest. "Außerdem ist es so, dass Frauenberufe generell weniger echte Aufstiegsmöglichkeiten bieten." Wer an einer Grundschule arbeitet, könne höchstens Schulleiter werden - bei einem Lohn, der vergleichbar ist mit dem Einstiegsgehalt eines Lehrers an Gymnasien und Berufsschulen. Noch beschränkter sind die Karrieremöglichkeiten in der Kranken- und Altenpflege oder im Bereich Gebäudereinigung und Raumpflege - weitere klassische Domänen weiblicher Arbeitskräfte.

"Männer in Frauenberufen übernehmen allerdings sehr häufig Leitungsfunktionen", sagt Matthes. Es sind also oft die Exoten, die die beschränkten Möglichkeiten des Aufstiegs nutzen können. Dadurch verdienen sie im Schnitt besser als ihre Kolleginnen. "Sie bekommen aber nicht generell mehr Lohn. Das kommt einfach dadurch, dass Männer mehr Aufgaben übernehmen und seltener in Teilzeit arbeiten", erklärt die Arbeitsmarktexpertin.

Aus persönlicher Erfahrung bestätigen kann das Peter Bließen. Er ist Mitglied im Prüfungsausschuss des Verbands medizinischer Fachberufe und auch im Praxisalltag hat er einige Sonderaufgaben übernommen. "Es wird ja gern gesagt, dass Männer besser mit Technik umgehen können als Frauen", sagt Bließen. Ob das stimmt, sei dahingestellt. Er jedenfalls ist mit dieser Begründung zum Gerätebeauftragten geworden. Reich werden könne in seinem Beruf aber niemand. "Wäre es mir um Geld gegangen, hätte ich eine Lehre bei der Bank gemacht", sagt er.

Doch die tägliche Arbeit mit Menschen sei wesentlich erfüllender und abwechslungsreicher. Mit Vorurteilen und fragenden Blicken könne er gut umgehen, und sie seien auch seltener geworden. Gerade in seiner Anfangszeit sei es durchaus passiert, dass neue Patienten der Praxis ihn mit "Herr Doktor" angesprochen haben. Nachdem er sie aufklärt, seien viele positiv überrascht. "Die meisten Leute sind sehr offen und finden es toll, mal einen Mann vor sich zu haben."

Zu viel positive Aufmerksamkeit kann allerdings genauso zum Problem werden wie Spötteleien. "Permanent gelobt und als besonders dargestellt zu werden, auch darauf muss man sich einstellen", warnt Matthes. Ständige Aufmerksamkeit ist Männern in Frauenberufen garantiert - so oder so.

© Christian Vey/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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