Pädagogenschelte:Warum Lehrern das Klischee der "faulen Säcke" anhaftet

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Schlechtes Image? Was soll's! Angehende Lehrer lassen sich von stereotypen Vorstellungen über ihren Berufsstand nicht schrecken. Experten zufolge gibt es ohnehin einen guten Grund für die weitverbreiteten Negativ-Klischees über Pädagogen: das Heranwachsen der Schüler.

Tanjev Schultz

Am Ende seines Vortrags zieht der Bildungshistoriker Heinz-Elmar Tenorth verschmitzt ein provozierendes Fazit: "Lehrerschelte ist ein Indiz erreichter Mündigkeit." Sein Beitrag über Stereotype ("faule Säcke") sollte aber gerade keine Beschimpfung des Lehrerstands sein.

Lehrerschelte als Zeichen von Mündigkeit: Über Lehrer gibt es viele Stereotype. (Foto: dapd)

Tenorth zeigte, wie die Öffentlichkeit seit Jahrhunderten ein ambivalentes Bild vom Pädagogen zeichnet. Das liege nicht zuletzt daran, dass Erwachsene es nicht mehr ertrügen, pädagogisiert zu werden. Daher das beliebte Lächerlichmachen alles "Lehrerhaften".

Sieht man es so, ist Lehrerschelte eine normale Folge der Beschulung. Die Heranwachsenden emanzipieren sich von ihren Lehrern. Das prägt sie, wenn sie selbst längst Eltern geworden sind.

Tenorth sprach Ende voriger Woche auf einer Tagung zum "Lehrerberuf in Deutschland" an der TUM School of Education in München, zu der die Deutsche Gesellschaft für Bildungsverwaltung eingeladen hatte. Der Historiker zündete ein Feuerwerk an Zitaten, die illustrierten, dass Lehrer sich schon immer vieles gefallen lassen mussten.

Bei aller Schelte gibt es auf individueller Ebene aber oft große Dankbarkeit für die eigenen Lehrer. Und hohe Erwartungen. Adorno nahm die Lehrer gegen Verachtung in Schutz, weil sie an einer "Entbarbarisierung der Gesellschaft" arbeiteten.

Wer ein Lehramtsstudium beginnt, lässt sich vom Ansehen des Berufs ohnehin nicht beirren. Leitend ist eher Idealismus. Darauf deuten zumindest die Daten hin, die Martin Rothland von der Universität Münster vorstellte.

Horrorvorstellung Schülerbefragung

Demnach glauben zwar viele, dass der Lehrerberuf kein besonders gutes Image hat. Aber was soll's? Zumal angehende Lehrer glauben, dass ihr Beruf wenigstens im eigenen Familien- und Freundeskreis die nötige Wertschätzung erfährt.

In repräsentativen Umfragen der Bevölkerung stehen Lehrer, vor allem Grundschulpädagogen, übrigens gar nicht so weit unten auf der Skala des Berufsprestiges, wie viele vermuten. Politiker und Journalisten rangieren hinter ihnen.

Allerdings sind die Umfragen sehr grob und verdecken all die subtileren Kommunikationen, in denen öffentlich und privat der Lehrerberuf zum Thema wird. Professor Tenorth hätte dazu noch stundenlang aufschlussreiche Zitate aus der Geistesgeschichte, aus Zeitungen und Politikerreden bringen können.

Die Frage könnte nun sein, ob entweder die Lehrer zu viel jammern und unter einem kollektiven Minderwertigkeitskomplex leiden oder aber Eltern und Öffentlichkeit ungerecht sind und unerfüllbare Ansprüche stellen. Die Frage könnte aber auch lauten, wie Lehrer das Beste aus ihrer Lage machen.

Dafür bot Bernhard Gödde, Direktor des Gymnasiums Schloss Neuhaus in Paderborn, viele Anregungen. Man muss sich Gödde als einen Mann vorstellen, aus dem die Worte und die Energie nur so heraussprudeln. Gödde befragt seine Schüler systematisch, wie zufrieden sie mit ihren Lehrern sind. Für manche Pädagogen ist das eine Horrorvorstellung.

Doch Gödde beteuert, ihm gehe es nicht darum, ein simples Ranking zu erstellen oder die Kollegen vorzuführen. Er möchte einfach wissen, wie gut eine Klasse mit ihrem Lehrer zurechtkommt. Und offenbar sind die Schüler durchaus zu fairen Urteilen fähig: Einige Lehrer bekommen sogar von den Schülern eine Eins, die bei ihnen auf einer Fünf stehen.

© SZ vom 21.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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