Kolumne "Was ich am Job hasse":Nein, ihr passt nicht alle in den Fahrstuhl!

Kolumne "Was ich am Job hasse": "Wir bekommen schon alle unter" - nett gemeint, kann ein voller Aufzug die Nerven eines jeden strapazieren.

"Wir bekommen schon alle unter" - nett gemeint, kann ein voller Aufzug die Nerven eines jeden strapazieren.

(Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Rekordversuch zur Mittagszeit: Wie viele Menschen können sich in einen Aufzug quetschen, ohne dass es Verletzte gibt?

Kolumne von Katja Schnitzler

Aufzüge in Bürogebäuden sind nicht nur von Smalltalk-Phobikern gefürchtet. Die Kabine bietet einige Stockwerke lang keinerlei Fluchtmöglichkeit. Noch nicht einmal eine Ecke, hinter der man sich verstecken könnte, geschweige denn eine Zimmerpflanze. Stattdessen: Schon drei Personen sind zu viel für einen Wohlfühlabstand, doch immerhin bekommt noch jeder seine eigene Wand. Bei einem Fahrstuhlgast mehr muss sich dieser Gedanken um seine Position machen.

Am Morgen bin ich die Vierte, die einsteigt - nur der Platz an der Tür ist noch frei. Die drei Mitfahrer stehen schweigend und sind mir so unbekannt, dass sich kein Gesprächsthema aufdrängt. Das ist schade, denn so muss ich entscheiden, was unhöflicher ist: Dem Trio den Rücken und damit die kalte Schulter zeigen? Oder ihnen mein Gesicht zuwenden, was aber auf diese kurze Distanz aufdringlich bis offensiv wirkt. Es hat auch den Nachteil, dass ich mich im Spiegel sehen muss, der von einem kühlen Licht erleuchtet wird, was aus wohlgeschminkten Morgenmenschen ideale Komparsen für die "Nacht der lebenden Toten" macht.

Die Mittagessenszeit wird zur Herausforderung

Ich könnte die Treppe nehmen, gäbe es da nicht ein Problem: Mein Büro ist im 20. Stock. Das ist ein Vorteil beim Blick über die Stadt und ein Nachteil im Brandfall sowie beim Treppensteigen. Trotzdem habe ich es versucht - Bewegung bei der Arbeit ist ja gesund. Ab dem 15. Stockwerk hat es sich nicht mehr allzu gesund angefühlt. Und kurz nachdem ich ins Büro fiel, öffneten die Kollegen vorwurfsvoll das Fenster, statt sich zu freuen, dass ich angekommen war.

Also Aufzug. Dieser wird zur Mittagessenszeit zur Herausforderung, wenn die Hungrigen ihre Schreibtische verlassen und sich in unterzuckerten Horden vor den Fahrstuhltüren versammeln. Dort warten sie schlecht gelaunt auf eine Kabine, die nicht schon übervoll ist. Die nächste ist nicht frei, da stehen schon wir drin, die Belegschaft des 20. Stocks. Schnell ziehen wir Kollege B. wieder herein, der sich beim Öffnen der Türen nicht rechtzeitig an Kollegin C. festgekrallt hatte und fast in den 16. Stock gekippt wäre. Kollegin S. steht hinten links in der Ecke und stellt fest, dass Kollege G. offenbar ein Hohlkreuz hat, denn ihr Gesicht passt genau zwischen seine Schulterblätter.

Sie sieht nicht, dass sich Kollege G. nur so verbiegt, weil ihm sonst die Aktentasche des weitaus kleiner gewachsenen Kollegen P. im Gesicht baumeln würde, die dieser galant über den Kopf gehoben hat, damit Kollegin E. noch näher rücken kann: "Wir bekommen schon alle unter", hatte P. zuversichtlich gerufen. Alle hinter ihm, die sich nicht einmal auf Betriebsfeiern so nahekommen wie jetzt im Aufzug, hatten da leise Zweifel.

Mein linkes Bein ist zwischen P. und G. eingeklemmt, weshalb ich meinen rechten Fuß nicht vom Schuh von Kollege Z. nehmen kann, der dafür seinen Ellenbogen in meinem Bauch parkt. Ich zähle langsam bis zehn, schon bei acht kommt der Spruch, heute von Kollegin C.: "Gut, dass es vor dem Mittagessen ist, mit vollem Bauch hätten wir nicht alle reingepasst." Das Murmeltier grüßt nicht nur in den USA täglich.

"Kommt jemand an den Notrufknopf?"

Der Super-GAU tritt zwischen dem dreizehnten und zwölften Stockwerk ein. Manche Architekten lassen die dreizehnte Etage ja weg und machen gleich mit der vierzehnten weiter. Unserer nicht.

Der Aufzug sackt ein wenig ab, der Sauerstoffgehalt ebenfalls, weil elf Menschen erschrocken die Luft einsaugen. Die Fahrt stoppt. "Echt jetzt?", sagt Kollege G. "Geht bestimmt gleich weiter", beschwichtigt Kollege P. "Kommt jemand an den Notrufknopf?", fragt Kollegin S. aus ihrer hinteren Ecke. "Darf ich?", sagt Kollegin C., umarmt Kollege B. und tastet nach dem Alarmknopf. "Nimm mal die Arme hoch, sonst sieht sie ja gar nichts", murrt Kollege G. "Wie denn?", raunzt Kollege B. "Jetzt nicht die Nerven verlieren", sagt Kollege P. "Schaut mal alle nach oben", ruft Kollege Z. und macht ein Erinnerungsfoto, das er später posten wird. Wieso bekommt der eigentlich seinen Arm hoch? Die Stimmung war am Abgrund, jetzt kippt sie.

Zehn Minuten später fährt der Aufzug wieder. Allen kam es länger vor, viel länger. Nach dem Mittagessen treffen wir uns trotzdem wieder. Im Treppenhaus.

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