Jobwechsel:Kündigen macht nur mit neuem Job glücklich

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"Je länger Menschen in demselben Job bleiben, umso unzufriedener werden sie mit ihrer Arbeit", sagt Hetschko. Am zufriedensten mit ihrem Beruf seien Selbstständige. (Foto: Javier Molina/Unsplash)

Arbeitslosigkeit trifft Menschen so hart wie der Tod eines Verwandten. Wer gekündigt hat, spielt dabei kaum eine Rolle, haben Experten herausgefunden.

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Clemens Hetschko ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Volkswirtschaftslehre der Freien Universität Berlin und am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Mit Adrian Chadi zusammen hat er untersucht, wie sich Kündigungen auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirken.

SZ: Wie hoch ist der Anteil derjenigen, die ohne Anschlussjob kündigen?

Clemens Hetschko: Der ist gar nicht so gering: Von allen selbstinitiierten Kündigungen hatten im Schnitt der letzten Jahre etwa 15 bis 20 Prozent noch keinen neuen Job in Aussicht, also fast jeder Fünfte.

Ist es sinnvoll, ohne neuen Job in Aussicht zu kündigen?

Wenn jemand keine berufliche Perspektive für das Danach hat, geht er ein hohes Risiko ein. Jahrelange Forschung hat gezeigt, dass Arbeitslosigkeit extrem unzufrieden macht. Dabei ist die Ursache überraschend unbedeutend. Wer selbst gekündigt hat, ist anfangs lediglich etwas weniger unzufrieden als derjenige, der entlassen wurde. Hält die Arbeitslosigkeit länger an, sind beide gleichermaßen ausgesprochen unzufrieden. Besser wird es erst, wenn man einen neuen Job gefunden hat. Das ist der entscheidende Punkt.

Wie wirkt sich Arbeitslosigkeit auf die Lebenszufriedenheit aus?

Erstaunlich dramatisch. Außer schwerer Krankheit oder dem Tod eines Angehörigen gibt es kein Lebensereignis, das so einschneidend ist. So vieles hängt an der Arbeit, selbst wenn diese eher unattraktiv ist - vor allem die eigene Identität und damit Status, Anerkennung, Selbstachtung. Vorteile wie mehr Zeit für Familie oder Hobbys werden durch die Probleme der Arbeitslosigkeit überkompensiert.

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:Darf der Chef mir eine Meinung vorschreiben?

In Deutschland gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dennoch sollten Arbeitnehmer nicht alles sagen, was sie denken, erklärt ein Arbeitsrechtler.

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Wie erreicht man die größte Zufriedenheit im Job?

Sehr wichtig ist das Thema Autonomie. Zum einen brauchen wir genug Freiraum für Entscheidungen und für Lernprozesse, um unsere Aufgaben erledigen zu können. Zum anderen wünschen wir uns vielfältige, herausfordernde Aufgaben. Eine gute Balance aus beidem ist wichtig für Zufriedenheit im Job. Am zufriedensten in Bezug auf den Beruf sind übrigens Selbständige, weil sie diese Autonomie haben.

Was bringt ein Wechsel? Wann ist es Zeit für etwas Neues?

Im Durchschnitt zeigt sich: Je länger Menschen in ein und demselben Job bleiben, umso unzufriedener werden sie mit ihrer Arbeit. Dahinter vermute ich Arbeitnehmer, die eigentlich wechseln wollen, es aber aus verschiedenen Gründen nicht tun. Etwa, weil sie örtlich gebunden sind, Risiken stark scheuen oder einfach keinen besseren Job finden. Wagt man den Wechsel, ist der Zufriedenheitsgewinn groß. Das hält aber leider nicht an. Dieser sogenannte Honeymoon-Effekt verfliegt, was die Lebenszufriedenheit angeht, schon nach einem Jahr. Bei der Arbeitszufriedenheit ist ein Großteil des Honeymoon-Effektes nach zwei Jahren weg. Und nach neun Jahren ist wieder die durchschnittliche Zufriedenheit erreicht, die wir für eine Person über alle Jahre messen.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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