Ingenieure als Unternehmensberater:Langeweile ausgeschlossen

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Ingenieure sind bei Consultingunternehmen heißbegehrt. Doch wer ins Beratungsgeschäft wechselt, erlebt mitunter einen Kulturschock. Erfolgreich können Seiteneinsteiger trotzdem sein.

Ralph Diermann

Eigentlich wollte Cornelia Hauth in der Forschungsabteilung eines Autokonzerns an der Zukunft der Mobilität mitarbeiten. Dazu hat die Ingenieurin in München und Ingolstadt Maschinenbau mit Schwerpunkt Fahrzeug- und Elektrotechnik studiert. Stattdessen steht Hauth heute in den Diensten der Boston Consulting Group (BCG). Sie berät Unternehmen, wie sie zum Beispiel die Abläufe in ihrer Produktentwicklung verbessern können. Oder wie sich neue Gesetzesvorgaben in die Praxis umsetzen lassen.

Glitzernde Alternative: Etwa 20 Prozent aller Unternehmensberater sind Ingenieure oder haben eine technische Ausbildung. Die Consultingfirmen schätzen sie wegen ihrer Fähigkeit zum analytischen Denken. Allerdings ist längst nicht jeder Ingenieur ein geborener Berater: Er muss kommunikativ und einfühlsam sein, um die Kunden gut zu beraten. (Foto: AP)

An ihre Praktika in der Industrie denkt Hauth mit gemischten Gefühlen zurück: "Irgendwann wurde mir das zu eng. Zum einen räumlich, weil man sich immer auf der gleichen Stelle bewegt. Zum anderen im übertragenen Sinne, denn ich wollte teilhaben an den wirklich interessanten Entscheidungsprozessen im Unternehmen", sagt die 28-Jährige.

In Deutschland kommt heute etwa jeder fünfte Consultant aus dem Ingenieurwesen. Ingenieure sind begehrt in der Branche - nicht nur, weil sie umfassendes technisches Know-how mitbringen: "Sie zeichnen sich oft durch eine besondere analytische Kompetenz aus. Ingenieure sind stark darin, komplexe Zusammenhänge in ihrem kausalen Wirken zu erfassen", erklärt Christian Schneider, Geschäftsführer der Münchener Unternehmensberatung Actano Consulting.

Das sieht Burkhard Jung, der als Vorstand des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) sowie des Berliner Consulting-Unternehmens CMS tätig ist, ähnlich: "Ingenieure lernen in ihrem Studium das strukturierte Erarbeiten eines Problems." Davon profitieren sie auch in Projekten, bei denen es um nichttechnische Aufgaben wie etwa die Management-Beratung oder die Gestaltung von Prozessen geht. Mit dieser Kompetenz sind sie besonders flexibel, meint der für das Recruiting verantwortliche BCG-Partner Christian Greiser: "Dank ihrer analytischen Fähigkeiten können sie sich besonders schnell in komplexe Sachverhalte einarbeiten. Da sich ein Unternehmensberater ständig mit neuen Fragestellungen und Themen beschäftigt, sind das unverzichtbare Qualifikationen."

Und sie haben ihren Kollegen aus anderen Disziplinen noch etwas anderes voraus: Sie sprechen die Sprache ihrer Auftraggeber. "Sie können mit Ingenieuren auf der Kundenseite, beispielsweise in der Energiebranche, einfacher auf Augenhöhe reden, weil sie wissen, wie eine Gasturbine oder ein Kraftwerk funktionieren", sagt Hauth. "Sich in den Kunden hineinzuversetzen und zu verstehen, was ihm wichtig ist, fällt leichter, wenn man selber aus dem Ingenieurwesen kommt."

Dennoch: Ohne betriebswirtschaftliches Wissen geht es im Beratungsgeschäft auch für Ingenieure nicht. Die BCG zum Beispiel organisiert deshalb für Quereinsteiger ein sogenanntes Exotentraining, ein zweiwöchiges betriebswirtschaftliches Lernprogramm. Dort werden BWL-Grundlagen wie etwa Kostenrechnung und Bilanzanalyse vermittelt. "Zudem habe ich sehr viel 'on the job' von meinen Kollegen gelernt", sagt Hauth. Christian Schneider hat beobachtet, dass die Ingenieurstudiengänge dem Thema zwar mittlerweile mehr Gewicht geben. "Aber das Gelernte liegt oft brach, wenn die Absolventen in die berufliche Praxis wechseln", bedauert er.

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Betriebswirtschaftliches Know-how lässt sich erlernen. Nicht jedoch die Soft Skills, auf die kein Consultant verzichten kann: "Ein Berater ist immer auch ein Verkäufer, der den Mehrwert seiner Leistung deutlich machen muss", sagt Schneider. "Das ist nicht jedem gleichermaßen gegeben, die Persönlichkeit spielt hier eine wichtige Rolle." Consultants sind Dienstleister, die ihre Projekte in der Regel selber akquirieren müssen. Anders dagegen in der Industrie: "Dort funktioniert viel über Weisung. Da kann man auch mal kraft seiner Funktion etwas durchsetzen.

Immer überzeugend sein

Ein Dienstleister dagegen muss immer überzeugen", meint der Chef von Actano Consulting. Wer als Berater erfolgreich sein will, muss deshalb sehr gut kommunizieren können: "Wir leben von der Sprache, denn wir müssen unsere Lösungen vermitteln können", sagt BDU-Vorstand Jung. Eitel dürfen die Ingenieure dabei allerdings nicht sein. "Der Berater dient immer dem Kunden und kann sich seine Erfolge nicht ans eigene Revers stecken", sagt Schneider.

Verzicht auf Ruhm und Ehre

Der Verzicht auf Ruhm und Ehre wird mit einem höheren Gehalt kompensiert. Die meisten Hochschulabsolventen erhalten zum Einstieg 45000 bis 50000 Euro. In welche Höhen sich das Gehalt dann später schraubt, hängt stark vom Akquisitionserfolg des einzelnen Beraters ab. Unter dem Strich liegt es jedoch in der Regel höher als in der Industrie. "Dafür ist auch der Arbeitseinsatz größer", sagt Jung. Er verweist zudem auf das Risiko des Scheiterns: Wer sich nicht stetig weiterentwickelt, ist schnell weg vom Fenster - "up or out" heißt die Regel.

Viele Ingenieure, die ins Consulting wechseln, erleiden daher zunächst einmal einen kleinen Kulturschock. Nicht nur, weil die Arbeitswoche plötzlich auch einmal sechzig und mehr Stunden lang ist. Sondern auch, weil die Herangehensweise an ein Problem im Beratungsgeschäft eine ganz andere ist. Denn in der Industrie, so Jung, arbeite man an sehr spezifischen Aufgaben und durchdringe sie sehr tief. Im Consulting dagegen wechseln die Fragestellungen häufig, ebenso die Kunden.

Genau das schätzt Cornelia Hauth an ihrem Beruf. Ihr Rat: "Ingenieure, die sich für vielfältige Aufgaben in unterschiedlichen Branchen begeistern können und sich für wirtschaftsrelevante Fragen interessieren, sollten sich den Beruf des Beraters auf jeden Fall anschauen, etwa im Rahmen eines Praktikums."

© SZ vom 20.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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