Handwerk und Hochschulen streiten um Titel:Bachelor of Hairdressing

Bessere Vergleichbarkeit oder "Kokettieren mit dem Akademischen"? Angesichts der Akademiker-Schwemme fürchtet das Handwerk um seine Stellung - und fordert einen eigenen Bachelor. Die Hochschulen lehnen die Forderung entschieden ab, der Streit droht zu eskalieren.

Tanjev Schultz

Ein Handwerk nährt und ehrt, heißt es so schön im Sprichwort. Doch in sehr vielen Familien kommt für die Kinder nur noch ein Studium in Frage. Die Hochschulen melden Rekorde bei den Einschreibungen, nicht nur wegen doppelter Abitur-Jahrgänge und der ausgesetzten Wehrpflicht.

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Das Handwerk fürchtet ins Hintertreffen zu geraten und fordert einen eigenen Bachelor-Titel. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) spottet über den "Bachelor of Hairdressing" und macht Front gegen die Forderungen der Handwerks-Lobby.

(Foto: dpa-tmn)

Vor fünf Jahren lag der Anteil der Studenten an einem Jahrgang bei 37 Prozent, nun nähert er sich der 50-Prozent-Marke. Bei der Immatrikulationsfeier der Uni Rostock rief Bundespräsident Christian Wulff den Erstsemestern zu: "Sie werden gebraucht!" Gebraucht werden jedoch auch fleißige Handwerker. D

eren Lobbyisten befürchten, in der Gesellschaft schwinde die Wertschätzung für die berufliche Bildung. Statt "ewig vor sich hin zu studieren", wäre eine Lehre für manchen jungen Menschen besser, sagt Dachdecker-Meister Willy Hesse, der Präsident des Westdeutschen Handwerkskammertags. Gut ausgebildete Handwerker bräuchten sich vor Bachelor-Studenten nicht zu verstecken.

Hesse und andere Vertreter des Handwerks fordern deshalb für sich sogar einen eigenen Bachelor-Titel: den "Bachelor Professional". Ihn sollen Meister, Techniker und Fachwirte tragen dürfen. So würden Ausländer die deutschen Abschlüsse besser verstehen, sagt Hesse. Die Hochschulen wollen den Bachelor-Titel aber auf keinen Fall teilen. Sie warnen davor, die Grenzen zwischen akademischen und beruflichen Abschlüssen zu schleifen.

Der Konflikt schwelt schon eine Weile, allmählich muss er gelöst werden. Die Wirtschaftsminister der Länder haben sich auf die Seite des Handwerks geschlagen, die Kultusminister auf die Seite der Universitäten. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sagt in diesem Zusammenhang gerne, es dürfe nicht so weit kommen, dass sich Friseure mit einem "Bachelor of Hairdressing" schmückten.

Auch das Bundesbildungsministerium befürchtet, ein "Bachelor Professional" würde zu leicht mit akademischen Graden verwechselt werden. Die "Alleinstellungsmerkmale" beruflicher Qualifikation könnten verwischen, heißt es in einem Schreiben des Ministeriums, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Andere sind noch deutlicher: Von "Irreführung" und einem fragwürdigen "Kokettieren mit dem Akademischen" spricht Matthias Lung. Er ist Direktor der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing. Seine Studenten in München haben gerade eine Umfrage gemacht, wie denn die Bürger einen "Bachelor Professional" einstufen würden. Das Ergebnis: Kaum jemand wisse etwas damit anzufangen.

Vordergründig sieht es so aus, als würden die Handwerker das Ringen mit den Akademikern verlieren. Doch es geht nicht nur um den Bachelor-Titel. Politiker, Sozialpartner und Uni-Vertreter arbeiten derzeit am "Deutschen Qualifikationsrahmen", in dem sämtliche Bildungsabschlüsse auf acht Stufen einsortiert werden.

Das komplizierte Regelwerk dient auch dazu, die Abschlüsse europaweit vergleichen zu können. Promovierte sollen auf Stufe acht landen, der höchsten Stufe. Meister und Techniker werden nach derzeitigem Stand auf Stufe sechs mit dem Bachelor gleichgestellt - ein Erfolg für die Handwerker. Nun tobt aber schon der nächste Streit. Wohin gehört das Abitur?

Die Kultusminister sehen es auf Stufe fünf, DGB und Wirtschaftsverbände plädieren dagegen für Stufe vier, wo auch die dreijährigen Ausbildungsberufe stehen. Die Lehrlinge und Meister wollen den Abiturienten und Studenten auf Augenhöhe begegnen.

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