Frauen im Beruf:Geschmäht und vom Erfolg abgeschnitten

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Berufstätige Frauen müssen auf vielen Ebenen kämpfen - auch gegen das Vorurteil, sie könnten in bestimmten Berufen und Positionen nicht bestehen. (Im Bild: Mechatronikerin bei der Arbeit) (Foto: Robert Haas)

Bereits Berufseinsteigerinnen bekommen weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Im Laufe einer 40-jährigen Karriere entsteht Frauen so ein Minus von 325.000 Euro. Dabei profitieren von einem hohen Frauenanteil auch die Unternehmen - und die Männer.

Ein Gastbeitrag von Eleanor Tabi Haller-Jorden

Warum setzen Frauen weltweit ihr Führungspotenzial nicht um? In Deutschland gibt es bei den bedeutendsten 200 Unternehmen keinen weiblichen CEO, und in anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern ist die Lage nicht viel besser. Frauen werden nach wie vor aus den obersten Rängen der Konzerne ausgeschlossen. Ist das gut für die Wirtschaft?

Die Euro-Krise hat gezeigt, dass nur solche Organisationen Erfolg haben werden, die die besten Talente beschäftigen. Während viele Unternehmen lobenswerte Programme aufgelegt haben, um die Vielfalt innerhalb ihrer Organisationen zu fördern, sagen uns die Daten doch, dass sich insgesamt wenig verändert. Frauen sind in leitender Position immer noch deutlich unterrepräsentiert.

Als ich zum ersten Mal nach Deutschland kam, war ich überrascht, den Begriff "Rabenmutter" zu hören - als Bezeichnung für arbeitende Mütter, die als gefühllos und zu wenig mütterlich geschmäht werden sollen. Eine ähnlich beleidigende oder verletzende Bezeichnung gibt es weder in Deutschland für arbeitende Väter noch in einem anderen europäischen Land für arbeitende Mütter.

Die Ungleichheit beginnt ganz unten

Doch unabhängig vom Etikett "Rabenmutter": Viele talentierte Frauen, mit Kindern oder ohne, bleiben in deutschen Unternehmen auf einer mittleren Hierarchieebene hängen oder scheiden auf dieser Karrierestufe aus. Das liegt nicht an fehlendem Ehrgeiz.

Studien zeigen, dass ein gleich großer Anteil von Frauen und Männern Positionen auf Führungs- und CEO-Ebene anstrebt. Doch Frauen stoßen - und zwar in einem weit größeren Ausmaß als Männer - an Hindernisse: Sie sind von informellen Netzwerken ausgeschlossen, sie werden auf Stereotype reduziert, Vorbilder fehlen.

Catalyst hat mit Untersuchungen nachgewiesen, dass die Ungleichheit schon auf der ersten Stufe der Karriereleiter beginnt. In einer Langzeitstudie mit MBA-Absolventen auf der ganzen Welt stellte sich heraus, dass die Frauen schon auf einer niedrigeren Position anfingen als ihre männlichen Mitabsolventen mit den gleichen akademischen Leistungen und Erfahrungen - und das sowohl innerhalb der Organisationsstruktur als auch auf der Lohnskala. Im Schnitt verdienen sie pro Jahr 4600 Dollar weniger, umgerechnet sind das ungefähr 3500 Euro.

Darüber hinaus werden Männer öfter befördert, sie bekommen größere Gehaltssteigerungen und haben häufiger Fürsprecher auf höherer Ebene, die ihnen Türen öffnen und sich für sie einsetzen. Im Laufe einer 40-jährigen Karriere wachsen die finanziellen Auswirkungen dieser Ungleichheiten zu schockierenden 431.000 Dollar beziehungsweise 325.000 Euro.

Diese Ungleichheiten wurden zu lange ignoriert. Frauen müssen nicht bessere oder zusätzliche Fähigkeiten haben als ihre männlichen Kollegen, sie brauchen nicht mehr Erfahrung als diese, sie brauchen auch kein spezielles Training. Sie müssen nicht "qualifiziert" werden. Nicht die Frauen sind das Problem, sondern das Arbeitsumfeld. Notwendig ist ein Kulturwandel in den Unternehmen, der es talentierten Frauen erlaubt, sich zu entfalten und ihr Führungspotenzial zu verwirklichen.

Auch den Männern kommt eine entscheidende Rolle zu, um Frauen in Unternehmen voranzubringen. Unsere Studien zeigen: Wenn man nur ein wenig das Verständnis von Männern dafür fördert, dass Gender Diversity eine Frage der Fairness ist, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie Bemühungen des Unternehmens zur Gleichstellung unterstützen, enorm.

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Fragt man Männer, was sie davon abhält, Gleichstellungsinitiativen zu unterstützen, äußern einige Befürchtungen, dass der Aufstieg von Frauen Nachteile für Männer bedeuten könnte. Unternehmen könnten diese Sorgen unabsichtlich verstärken, indem sie Maßnahmen ergreifen, die das Konkurrenzverhalten zwischen den Angestellten verschärft, Einzelkämpfer fördert und den Teamgeist zerstört. Doch selbst Männer mit einer "Ganz oder gar nicht"-Mentalität können großartige Anwälte des Wandels werden, wenn sie erkennen, dass jeder von Geschlechtergerechtigkeit profitiert.

Die Forschung zeigt auch, dass Männer in einem signifikanten Ausmaß persönlich davon profitieren, wenn sie an einem Ort arbeiten, an dem es keine Geschlechterdiskriminierung gibt: Sie sind gesünder, haben die Freiheit, sie selbst zu sein und die Möglichkeit, finanzielle Verantwortung mit ihrer Frau oder Partnerin zu teilen.

Unternehmen, die beim Thema Gleichberechtigung besonders erfolgreich sind, so wie die Gewinner des diesjährigen Catalyst-Awards, Alcoa, Coca Cola und Unilever, sind diejenigen, bei denen die relevanten Ziele ganz oben von der Unternehmensleitung definiert wurden und dann konsequent auf allen Ebenen eingeführt wurden. Dadurch wurde die Verantwortung für die Gleichstellung der Frauen auf das gesamte Unternehmen ausgedehnt.

Es gibt keine Patentlösung

Studie um Studie zeigt den Wert weiblicher Führung. Eine unserer Untersuchungsreihen zeigt, dass Unternehmen (aus der "Top 500"-Liste, die das Magazin Fortune jährlich für US-amerikanische Firmen veröffentlicht) mit mehr Frauen in Führungspositionen im Schnitt höhere Gewinne machen als solche mit einem niedrigeren Frauenanteil in Führungspositionen. Gemeint sind dabei Positionen in Verwaltungsräten und der Geschäftsführung.

Während sich die Euro-Krise verschärft und die Wirtschaft der 17 angeschlossenen Nationen ihren massivsten Abschwung seit 2009 erlebt, muss sich Europa darauf konzentrieren, ihre besten und hellsten Köpfe zu gewinnen, um seine Unternehmen zu leiten - ganz unabhängig vom Geschlecht.

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Wir müssen die Hürden beseitigen, die Frauen zurückhalten. Es gibt keine Patentlösung, die in allen Organisationen und Kulturen gleich gut funktioniert. Aber wir können den Schritt vom Erkennen des Problems zum Handeln vollziehen, wenn wir die oft unbewussten Systemfehler identifiziert haben. Dann können talentierte Frauen sich stärker in der Unternehmensführung engagieren.

Die Botschaft ist einfach: Solange Frauen nicht einen gleichwertigen Anteil in der Arbeitswelt erreicht haben, werden sie weiter marginalisiert werden - und zwar in jedem gesellschaftlichen Bereich. Was gut ist für Frauen, ist auch gut für Männer und Familien, für Unternehmen, die Wirtschaft und die Gesellschaft. Lassen Sie uns zusammen an einen Wandel arbeiten, von dem wir alle profitieren werden.

Eleanor Tabi Haller-Jorden, 49, ist Senior Vice President von Catalyst Europe. Die gemeinnützige Organisation wurde 1962 in den USA gegründet und setzt sich weltweit für die Förderung von Frauen am Arbeitsplatz ein.

© SZ vom 06.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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