Frankreich: Zwangsurlaub für Väter:Freiheit, Gleichheit, Väterlichkeit

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Frankreich erwägt, junge Väter nach der Geburt ihres Kindes verpflichtend in Urlaub zu schicken. Die Babypause sei eine Karrierebremse - und die muss beide Eltern treffen.

Stefan Ulrich

Es gibt sie durchaus im Pariser Stadtbild, die Väter, die Babys ausführen. Man trifft sie unter knospenden Kastanienbäumen im Jardin du Luxembourg, am Strawinski-Brunnen beim oder auf dem Marsfeld hinter dem Eiffelturm. Doch sie sind klar in der Minderheit.

Auch Männer wollen sich heutzutage stärker an der Erziehung und Betreuung der Kinder beteiligen. Die Realität sieht aber oft anders aus.   (Foto: dpa)

Französische Statistiker haben errechnet: Zwei Drittel der Betreuungsarbeit kleiner Kinder übernehmen in Frankreich die Mütter. Bei der Hausarbeit fallen sogar 80 Prozent auf die Frauen. "Liberté, Égalité, Fraternité" - auf diesen Dreiklang hört die Republik. Theoretisch. In der Praxis liegt in Sachen Gleichstellung auch in Frankreich manches im Argen. Nun soll ein Zwangsurlaub für Väter Besserung bringen.

Der Vorschlag kommt nicht von wirtschaftsfremden Emanzipationsromantikern, sondern von Laurence Parisot, der Präsidentin des mächtigen französischen Unternehmerverbandes Medef. Sie schlägt vor, nach der Geburt eines Kindes den Vater obligatorisch in Urlaub zu schicken. "Es ist traurig, aber wir kommen in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter nicht mehr voran", sagt die 51 Jahre alte Unternehmerin. Der Vaterschafts-Zwangsurlaub könne zum "entscheidenden Hebel werden, um die Einstellung gegenüber Frauen und Männern in Firmen und Haushalten zu ändern". Noch in diesem Frühjahr werde ihr Verband konkrete Vorschläge machen.

Der Vorstoß trifft auf viel Zustimmung. "Wir müssen gewisse Stereotypen aufbrechen", fordert Roselyne Bachelot, die Ministerin für sozialen Zusammenhalt. "Auch Männer sind dazu fähig, sich um ihre Kinder zu kümmern." Ihr Kollege Xavier Bertrand, der Arbeitsminister, ist ebenfalls für Vaterferien; auch Gewerkschafter und Soziologen sind angetan von der Idee.

Argumentiert wird, die bisherige Rollenverteilung bei der Babybetreuung benachteilige Frauen in den Firmen massiv. Weil Arbeitgeber damit rechneten, dass Frauen mehrmals wegen einer Geburt für längere Zeit ausfielen, bevorzugten sie Männer bei Einstellungen und Beförderungen. Tatsächlich dominieren bei leitenden Jobs in französischen Betrieben noch immer die Männer. Zeitarbeitsstellen und Jobs für Unqualifizierte werden dagegen meist von Frauen besetzt. Im Schnitt verdienen Französinnen 27 Prozent weniger als die Männer.

Genauso bedeutend wie die Einführung des Wahlrechts ab 18

Der Babyurlaub sei eine Karrierebremse, argumentiert die Arbeitssoziologin Sabine Erbès-Seguin. "Es ist zu begrüßen, wenn dieses Handicap gerecht verteilt wird, und sei es unter Zwang." Bislang steht den Frauen in Frankreich ein vollbezahlter Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen zu. Die Hälfte davon ist obligatorisch. Männer müssen nicht in Vaterschaftsurlaub gehen. Falls sie es wollen, stehen ihnen bei Geburt eines Kindes insgesamt 14 Tage Ferien zu. Den Lohnausfall übernimmt die Sozialversicherung, bei Besserverdienenden allerdings nur teilweise. So lassen sich lediglich 60 Prozent der Männer auf den Vaterschaftsurlaub ein. Viele fürchten, eine Babypause werde von ihren Chefs nicht gerngesehen.

Ein Zwangsurlaub für Väter werde die französische Gesellschaft genauso tief verändern wie einst die Einführung des Wahlrechts ab 18 Jahren, prophezeit die Bossin der Bosse, Laurence Parisot. Nun wird über Dauer und Bezahlung diskutiert. Die Gewerkschaft CFDT schlägt zwei Monate vor, bei achtzigprozentiger Gehaltsfortzahlung. Sie propagiert auch einen neuen Dreiklang, auf den Frankreich künftig hören soll: "Égalité, Paternité, Liberté!"

© SZ vom 25.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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