Dialekte im Job:Bairisch hui, Sächsisch pfui

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Wie viel Dialekt verträgt die Karriere? In Seminaren lernen Manager, wie man richtig Hochdeutsch spricht. Ihre Mundart sollten sie trotzdem nicht verlernen.

Maria Holzmüller

Das rollende bairische R, die Probleme mit dem stimmhaften S und eine "schtarke Pärformänz" in bairischer Mundart. Was für den einen grobschlächtig und einfältig klingt, erinnert den anderen an gemütliche Abende im Bräustüberl, an grüne Wiesen und verschneite Berggipfel. Das mag schön sein - ist aber nicht unbedingt erwünscht, während man vor Vorgesetzten und Kollegen einen Vortrag über das neue Projekt halten muss und dabei vor allem kompetent wirken will.

Geheimwaffe gegen Seriosität

Mit Dialekten ist es so eine Sache. Mal sind sie die Geheimwaffe im Job, mal schaden sie der eigenen Seriosität. "Es ist nicht mehr so, dass Dialekt im Beruf generell verteufelt wird", sagt Markus Hundt, Sprachwissenschaftler an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Wollten global agierende Firmen früher noch jede regionale Sprachfärbung aus der Unternehmenskommunikation verbannen, stehe der Dialekt heute für die Authentizität des Sprechers. Und die ist meist sogar erwünscht.

Dabei ist Dialekt nicht gleich Dialekt. Während Bairisch meist zu den beliebtesten Idiomen zähle, werde Sächsisch oft nicht so gerne gehört, sagt der Sprachforscher. Laut Hundt hängt das auch mit dem Selbstbewusstsein der Sprecher zusammen: "Die Bayern gehen sehr offensiv mit ihrer Sprache um, sie treten selbstbewusst damit auf. Die Sachsen hingegen verhalten sich sehr defensiv, sie sind sich des schlechten Rufs ihres Dialekts sehr bewusst." Zu Unrecht, wie Hundt findet, denn jeder Dialekt polarisiert - und keiner wird durchweg positiv oder negativ bewertet. So taucht Bairisch regelmäßig auch in den Rankings der unbeliebtesten Dialekte auf.

Sprachliche Alternativen

Im Job sollte das eigene Idiom deshalb vorsichtig eingesetzt werden. "Im Außendienst auf dem Land ist es sicherlich von Vorteil, den Dialekt der Kunden zu sprechen, um deutlich zu machen, 'Ich bin einer von euch'. In einem Callcenter wiederum bekommen Mitarbeiter Probleme, wenn Kunden sie aufgrund ihrer Sprache nicht richtig verstehen", sagt Hundt.

Und spätestens auf nationalen Meetings innerhalb der Führungsetage ist gepflegtes Hochdeutsch Voraussetzung. Das dachte sich auch Ariane Willikonsky, als sie vor einigen Jahren anfing, Hochdeutschseminare für Manager zu geben. Dabei geht es der Sprecherzieherin nicht darum, etwas zu "verbessern" oder den Dialekt auszumerzen, "aber jeder sollte eine sprachliche Alternative haben", sagt sie.

Je intellektueller, desto hochdeutscher

Je intellektueller und ernsthafter die Themen oder Vorträge seien, desto mehr erwarten die Zuhörer klares Hochdeutsch. "Wer dann nur vor sich hin schwäbeln kann, wird oftmals nicht ernst genommen und belächelt", sagt die Schwäbin in Hinblick auf die Erfahrungen ihrer Kunden. "Manche leiden deshalb richtig unter ihrem Dialekt."

Einer der das offensichtlich nicht tut, ist Vorzeige-Schwabe und Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger, ein "sprachlicher Albtraum", wie Willikonsky findet. Er selbst gab ihr da beinahe recht, als er einmal sagte: "Ich weiß, für jeden Sprachtrainer bin ich ein interessanter Fall. Ich rede zu schnell und oft auch zu abgehackt. Dazu kommt mein schwäbischer Dialekt, der meine Worte nicht gerade melodiöser klingen lässt. Fürs Fernsehen ist das noch verbesserungsfähig."

Hilfe bei Willikonsky suchte er nicht - anders als viele seiner schwäbischen Kollegen aus der Regionalpolitik. Bei Willikonsky lernen sie innerhalb eines Tages die Regeln korrekten Hochdeutschs - in eigens für Schwaben konzipierten Kursen. "Es bringt nichts, Bayern, Schwaben und Sachsen in einem Kurs zusammenzuwerfen. Die müssen komplett anders an ihrer Sprache feilen", sagt Willikonsky. "Das rollende R ist für die Schwaben völlig unwichtig, aber Bayern müssen vielleicht gerade daran arbeiten." Deshalb gibt es für jede Mundart inzwischen einen eigenen Hochdeutsch-Kurs.

Dialekt macht menschlich

Den Dialekt nehmen will Willikonsky dabei niemandem. Manche Geschäfte, vor allem auf dem Land, ließen sich nur abschließen, wenn man die Sprache seines Gegenübers spreche und bayerische CSU-Politiker ohne Dialekt hätten kaum eine Chance, räumt sie ein. "Auch innerhalb eines Vortrags wirkt es sympathisch, zwischendurch mal einen Satz im Dialekt fallen zu lassen, das macht menschlich", sagt sie.

Geht es aber um Vorstellungsgsgespräche, fühlen sich viele Bewerber unwohl, wenn sie auf Hochdeutsch nicht so frei agieren können, wie ihnen das in ihrem Dialekt möglich ist. "Wenn ich mich zu sehr auf die Sprache konzentrieren muss, vernachlässige ich den Inhalt und wirke unnatürlich", beschreibt die Sprecherzieherin das Problem. In solchen Fällen ist die "innere Zweisprachigkeit", wie Sprachforscher Hundt sie nennt, hilfreich.

Vorbild: Harald Schmidt

Beliebtes Vorbild: Harald Schmidt. "Viele meiner Kunden wollen wie er spielerisch zwischen klarem Hochdeutsch und Dialekt wechseln können", sagt Willikonsky. Professionelle Hilfe beim Training nehmen vor allem Führungskräfte gerne an. Drei Hochdeutschkurse im Monat bietet die Sprecherzieherin im Durchschnitt an. Inzwischen auch online. Das wäre auch aus Brüssel eine Alternative für Günther Oettinger.

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