BWL-Studium:Banker? Bloß nicht!

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Studenten an der Handelshochschule Leipzig, die als Wiege der deutschen Betriebswirtschaftslehre gilt. (Foto: Jan Woitas)
  • Für Uni-Absolventen mit Abschluss in BWL sind Banken längst nicht mehr der attraktivste Arbeitgeber.
  • Der Branche mangelt es an gutem Nachwuchs.
  • Die Geldhäuser sehen das anders - versuchen aber bereits, potenzielle junge Angestellte auf neuen Wegen zu erreichen.

Von Vivien Timmler, München

Eigentlich wäre Maximilian Nielsen die ideale Besetzung für einen vielversprechenden Posten bei der Bank: BWL-Abschluss mit Spitzennoten, Praktika bei internationalen Geldhäusern, Auslandssemester in Hongkong. Nach dem Master stieg der 25-Jährige, der seinen richten Namen nicht nennen möchte, ins Investmentbanking ein, aber schon nach nur einem Jahr reichte es ihm. Zwölf Stunden täglich im Büro, mindestens, das sei nichts für ihn gewesen. "Ich war da einfach nicht richtig und habe mich gefragt: Will ich mein Leben wirklich für die Karriere opfern oder möchte ich etwas in der Welt bewegen?", sagt er.

Fragen wie diese stellen sich immer mehr Wirtschaftsstudenten, die kurz vor ihrem Abschluss stehen. Die Unsicherheit, ob es wirklich ein Job bei der Bank sein soll, sei in den letzten Jahren extrem gewachsen, sagen Karriereberater vieler deutscher Universitäten.

"Die Absolventen sind jünger, flexibler, wollen mitgestalten - und haben Angst, dass sie diese Möglichkeit bei den großen Banken nicht bekommen", sagt Annika Deichsel vom Carreer Center der TU München. In Beratungsgesprächen mit Studenten werde immer häufiger nach Start-ups gefragt, das Interesse an ihnen scheine größer zu werden. Auch an Universitäten in Münster, Mannheim und Frankfurt bestätigen Karriereberater diesen Trend. Häufig seien es starre Hierarchien und harte Arbeitsbedingungen, die Studenten von einem Bankjob abhielten.

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Die Einschätzungen passen zu dem Trend, dass Banker im Durchschnitt immer älter werden. Waren 2004 noch mehr als die Hälfte aller Beschäftigten im privaten Bankgewerbe unter 40, sind es heute nur noch 33 Prozent, wie aus einer Studie des Arbeitgeberverbandes des privaten Bankgewerbes hervorgeht. Der Anteil der über 50-Jährigen hat sich demnach seit 2004 sogar verdoppelt. Gleichzeitig sinkt die Ausbildungsquote im privaten Bankgewerbe stetig: Im Jahr 2014 erreichte sie mit 5,5 Prozent den niedrigsten Wert seit 1997.

"Die Banken haben ein echtes Nachwuchsproblem", sagt Liane Buchholz. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes öffentlicher Banken ist gleichzeitig Dozentin für Betriebswirtschaftslehre der Banken an der Hochschule für Wirtschaft und Recht und kennt die Probleme der Finanzinstitute. Zwar mangele es ihnen zahlenmäßig nicht an Bewerbern, aber die Top-Absolventen ziehe es schon länger nicht mehr ausschließlich in den Finanzdienstleistungssektor. "Die klassische Kreditwirtschaft ist für junge Talente einfach nicht mehr attraktiv", sagt Buchholz. Lieber gingen sie nach dem Abschluss zu jungen digitalen Finanzunternehmen oder Start-ups. Bei der WHU in Vallendar ist es beispielsweise bereits ein Viertel aller Studenten - im Vergleich zu 15 Prozent, die sich für den Finanzbereich entscheiden.

Auch die Personaler von Finanz-Start-ups haben die steigende Zahl von Bewerbern und deren höhere Qualifikation bereits bemerkt. "Die Zahl der Praktikantenbewerbungen steigt schon seit Längerem, aber dass sich immer mehr Akademiker bei uns bewerben, ist neu", sagt Susanne Krehl vom Fintech barzahlen. Da das Start-up seine Rekrutierungs-Aktivitäten nicht verändert habe, sei das darauf zurückzuführen, dass Start-ups als Arbeitgeber immer attraktiver geworden seien.

Das glaubt auch Cornelia Hoppe, Leiterin des Bereichs Human Ressource Management beim Start-up Number 26. "Seit wir größer und bekannter geworden sind, steigen die Bewerberzahlen. Die Absolventen wollen also Sicherheit, aber sich trotzdem ausprobieren", sagt sie. Schon seit ein paar Jahren nehme sie zudem einen grundlegenden Wertewandel wahr: "Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung werden für die jetzigen Absolventen immer wichtiger - und klassische Maßstäbe wie Gehalt immer unwichtiger. Denn was die Gehälter unserer Angestellten angeht, können wir sicher nicht mit den Banken konkurrieren."

Doch darauf kommt es immer weniger Studenten an, sagt auch Maximilian Nielsen. "Klar kann man da gutes Geld verdienen", sagt er, "aber ich frage mich echt, wie lange man einen Job nur für das Geld machen kann."

Bei den Banken will man von Nachwuchsproblemen hingegen bisher nichts wissen. Der Leiter Recruiting für Nachwuchskräfte bei der Commerzbank, Andreas Doppler, spricht von "regem Zulauf". Andreas Blank, der Chefpersonaler der BayernLB, ist überzeugt, die Bank bekomme "nach wie vor sehr gute Leute". Aber was ist mit den Besten? Ja, das Image der Banken sei angeschlagen, das wolle er gar nicht leugnen, sagt Blank. Aber für viele Studenten sei das nicht entscheidend. "Für die meisten sind Banken hochinteressante, attraktive Arbeitgeber."

Banken schätzen junge Leute oft falsch ein

Dass hier Selbst- und Fremdeinschätzung auseinanderklaffen, zeigt eine aktuelle Studie der Beratungsfirma Kienbaum. Die Generation Y, also Menschen, die zwischen 1981 und 1999 geboren sind, legen demnach besonders viel Wert auf eine gute Atmosphäre, Wertschätzung von Leistung und viele Möglichkeiten, sich einzubringen. Die Arbeitgeber hingegen halten laut der Umfrage den guten Ruf und die große Bekanntheit eines Unternehmens sowie ein internationales Umfeld für die wichtigsten Kriterien bei der Auswahl des Arbeitgebers - sie schätzen die jungen Leute also häufig falsch ein.

Und doch scheinen auch die Institute gemerkt zu haben, dass sie für die junge Generation attraktiver werden müssen. Mit verschiedenen Neuerungen versuchen sie, wieder mehr Bewerber anzulocken und ihnen zu demonstrieren, wie jung und hip die Bank doch sein kann. Blank beispielsweise veranstaltet am ersten Arbeitstag ein Frühstück mit allen Nachwuchsmitarbeitern - um Hierarchien abzuflachen, sagt er, das sei wichtig. Bei der Commerzbank gibt es neuerdings in vielen Bereichen frei wählbare Arbeitsplätze. Ganz wie bei jungen Start-ups, heißt es. Ob das aber reichen wird, um ein Image nachhaltig zu verändern, muss sich erst noch zeigen.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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