Rückenschmerzen durch lange Büroarbeit:Ein Leben im Sitzen

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Berufstätige bewegen sich immer weniger, daher sind Rückenschmerzen schon fast die Norm. Doch das ist nicht alles: Auch ein schlechtes Betriebsklima und Stress im Job bereiten der Wirbelsäule Pein.

Petra Meyer

Die blöde Socke am Morgen. Sie will einfach nicht über die Zehen rutschen. Walter Burkard schwankt und verliert das Gleichgewicht. Noch bevor der Fuß wieder den Boden berührt, schreit er vor Schmerz auf. Ein Schmerz, der teuflisch spitz und schneidend durch seinen unteren Rücken jagt. Diagnose: Hexenschuss. Walter Burkard, Mitte fünfzig, leicht übergewichtig, treibt keinen Sport, sitzt viele Stunden täglich am Schreibtisch und das seit Jahren. Zur Arbeit fährt der Beamte mit dem Auto oder mit der Straßenbahn. An einem ganz normalen Tag läuft er höchstens einen Kilometer.

Mit Yoga den Körper stärken: Viele Berufstätige leiden unter Rückenschmerzen. (Foto: DPA)

Ob Muskelverspannung, blockierte Wirbel oder Bandscheibenprobleme: Der Schmerz im Rücken ist in Deutschland zur Volkspein geworden. Schuld tragen allerdings nicht in erster Linie schlechte oder verschlissene Knochen. Vielmehr fordert das moderne Arbeitsleben seinen Tribut. Wer rastet, der rostet - so lautet ein altes Sprichwort. Wer sich also nicht bewegt, lässt seine Muskeln verkümmern. Wenn diese aber erschlaffen, geben sie keinen Halt mehr.

Studien der Universität Jena zeigen, dass vielen Rückenpatienten die Kraft in der Bauch- und Rückenmuskulatur fehlt. Ohne dieses Korsett aber verliert die Wirbelsäule ihren besten Schutz. Eine norwegische Studie mit etwa 30.000 Erwachsenen beweist: Je träger die Personen leben, desto mehr Gewicht setzen sie an und klagen häufiger über dauerhafte Kreuz- und Nackenschmerzen.

Die zunehmende Bewegungslosigkeit im Alltag schmerzt nicht nur, sie ist auch teuer: Rückenschmerzen verursachen jedes Jahr direkte und indirekte Kosten von 48,9 Milliarden Euro, wie die Helmholtz-Gesellschaft berechnet hat. Im Jahr 2009 führten dem AOK-Fehlzeitenreport zufolge die Muskel-Skelett-Erkrankungen mit 23 Prozent sogar die Spitze der Krankheitsarten an. Chronische Rückenschmerzen verursachen bundesweit zudem 18 Prozent der Frühverrentungen und damit einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden.

In den meisten Fällen gibt es keine organischen Ursachen für die Schmerzen. Am Knochengerüst jedenfalls gibt es keine Anzeichen. Doch selbst wer einen Bandscheibenvorfall hat, muss paradoxerweise keine Schmerzen haben. Diverse Untersuchungen belegen diese Tatsache, auch wenn die Mediziner sich das noch nicht erklären können. Die gute Nachricht lautet indes: Bei 90 Prozent der Kranken verschwinden die Beschwerden spätestens nach drei Monaten. Die restlichen zehn Prozent quälen sich dauerhaft damit herum.

Als Übeltäter bei Schmerzen ohne Befund kommt oft die Seele ins Spiel. Denn zwischen Kopf und Kreuz gibt es eine unheilvolle Allianz, da Stress im Gehirn entsteht. Ob private oder berufliche Dauerbelastung, der Körper reagiert darauf. Je nach persönlicher Schwachstelle trifft es das Herz, das Immunsystem, die Verdauungsorgane oder eben den Rücken. Denn wer ständig seelisch angespannt ist und den Stress nicht abbauen kann, löst im Körper krank machende Reaktionen aus. Kein Wunder also, dass Arbeitnehmer, die sich dauerhaft überfordert fühlen, die zu viel arbeiten, auf der Karriereleiter feststecken oder unter einem schlechtem Betriebsklima leiden, mit ihrem Rücken darauf reagieren.

© SZ vom 07.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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