Magen-Darm-Infekt auf Reisen:Wo Montezumas Rache am heftigsten wütet

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An einer indischen Garküche: Kulinarische Köstlichkeiten im Urlaubsland können ihre Tücken haben. Häufig werden dadurch Durchfallerreger übertragen.

(Foto: Bloomberg)

Bauchkrämpfe statt Badestrand, Schwäche statt Sightseeing, Hotel-WC statt großer weiter Welt: 20 bis 50 Prozent aller Reisenden leiden unter Durchfall. Wie Sie sich schützen und was im Fall einer Infektion hilft.

Von Andrea Bannert

Unter Reisedurchfall, medizinisch Reisediarrhö, leiden 20 bis 50 Prozent aller Urlauber, schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Besonders hoch ist das Risiko in Afrika, Asien oder Lateinamerika, etwa in Ägypten, Thailand oder Mexiko. Grund sind die teilweise niedrigeren Hygienestandards in diesen Ländern. Hinzu kommt die Wärme, die Durchfall-Erreger besonders schnell wachsen lässt - sie fühlen sich bei Körpertemperatur am wohlsten. Also bei 37 Grad.

Aber nicht nur das Land spielt eine Rolle für das Reisedurchfallrisiko, auch die Reiseart und die damit verbundene Hygiene. Rucksacktouristen sind zum Beispiel gefährdeter als Badeurlauber, die immer im gleichen Hotel bleiben, schreiben Wissenschaftler im Fachmagazin Wilderness & Environmental Medicine.

Entgegen landläufiger Erwartung kommt die Reisediarrhö in Luxushotels häufiger vor als in Unterkünften mittlerer Klasse, schreibt US-Wissenschaftler David Diemert in den Clinical Microbiology Reviews. Grund könnte sein, dass sich die Urlauber durch das gehobene Ambiente sicherer fühlen und nicht so stark auf Hygieneregeln achten. Möglicherweise spiele auch eine Rolle, - so Präventionsmediziner Robert Steffen in der Neuen Zürcher Zeitung - dass das Essen in Luxusherbergen aufwändiger und häufiger in Handarbeit zubereitet wird als in preiswerten Unterkünften, wo öfter Fertiggerichte auf den Tisch kommen. Je häufiger ein Lebensmittel berührt wird, umso größer ist das Kontaminationsrisiko.

Risikogruppen sind Kinder, ältere Menschen, chronisch Kranke oder Schwangere, da ihr Immunsystem die Erreger weniger gut bekämpfen kann.

Von einem Reisedurchfall spricht man, wenn ein Reisender häufiger als drei Mal pro Tag Stuhlgang hat. Meist fühlen sich die Betroffenen kraftlos und niedergeschlagen. Grund ist der Verlust von Wasser und Salzen (Elektrolyte). Als Begleitsymptome können in schweren Fällen auch Übelkeit, Kreislaufprobleme, Fieber, krampfartige Schmerzen im Magen und Darm oder Blut im Stuhl auftreten.

Ursachen für den Reisedurchfall

Reisedurchfall wird fast immer durch eine Infektion des Magen-Darm-Trakts ausgelöst. Verursacht wird diese meist von Bakterien. Häufigste Erreger sind enterotoxinbildende Stämme des Bakteriums Escherichia coli (kurz: ETEC). Diese Mikroorganismen schütten im Darm der Betroffenen bestimmte Giftstoffe aus, so genannte Enterotoxine, die eine erhöhte Elektrolyt- und Wasserausscheidung über die Darmwand bewirken. Auch Salmonellen oder Shigellen lösen oft Reisediarrhö aus. Sie geben ebenfalls Gifte ab, schädigen aber zusätzlich die Darmwand, indem sie in diese eindringen. Neben Bakterien kommen auch Viren (zum Beispiel das Norovirus) oder seltener Parasiten wie Amöben (Amöbenruhr) als Ursache in Frage.

Reisedurchfall vorbeugen

Meist gelangen die Erreger durch verunreinigte Lebensmittel oder verunreinigtes Trinkwasser in den Körper. So unangenehm es klingt, bei den Durchfall-Auslösern handelt es sich tatsächlich um Darmbakterien. In wärmeren Ländern spielen auch Fliegen eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Keimen, weil winzige Fäkalspuren an ihrem Körper haften können. Krabbeln sie über Besteck oder Essen, werden die Erreger abgestreift und gelangen so in den menschlichen Darm. Einheimische sind immun gegen die meisten Keime. Je nach auslösendem Erreger tritt der Durchfall wenige Stunden oder mehrere Tage nach Kontakt mit dem Mikroorganismus oder Parasit auf.

Die beste Maßnahme ist Vorbeugen. Generell gilt: "Cook it, boil it, peel it or forget it!" Bedeutet also "Kochen, durchbraten, schälen oder lieber bleiben lassen!". Im Einzelnen sollten Reisende Folgendes beachten:

  • So oft wie möglich die Hände waschen, immer nach dem Gang auf die Toilette.
  • Besondere Vorsicht ist bei Leitungswasser geboten. Vor dem Trinken am besten immer abkochen. Das gilt auch für das Wasser, das Sie zum Zähneputzen verwenden. Da Eiswürfel meistens aus Leitungswasser hergestellt werden, sollten Reisende darauf generell verzichten. Getränke, wenn möglich, nur aus verschlossenen Originalflaschen konsumieren.
  • Milch und unpasteurisierte Milchprodukte sollten Sie in Risikoregionen ebenfalls meiden. Gleiches gilt für Speiseeis, kalte Saucen, Mayonnaise, Salate, rohes Gemüse, ungeschältes Obst sowie rohes Fleisch, rohen Fisch oder ungekochte Meeresfrüchte.
  • Viele glauben, dass Alkohol die gefährlichen Mikroben auf dem Weg vom Mund in den Darm abtötet. Doch Alkohol schützt nicht zuverlässig vor Reisediarrhö. Wer größere Mengen Bier trinkt, erhöht sogar sein Risiko, denn der Gerstensaft neutralisiert die Magensäure.

Wer in ein Gebiet reist, in dem Durchfall-Erreger wie Typhus oder Cholera häufig sind, kann sich dagegen impfen lassen. Empfehlenswert ist das zum Beispiel für Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Lassen Sie sich am besten vor Reiseantritt von Ihrem Arzt beraten. Eine allgemeine Impfung gegen Durchfall-Erkrankungen ist wegen der Vielzahl der Erreger nicht möglich.

Was bei einer Infektion hilft

In den meisten Fällen ist Reisedurchfall unangenehm, aber harmlos. Sie können ihn selbst therapieren. Wichtigste Gegenmaßnahme: Den Wasser- und Salzhaushalt wieder auffüllen, ansonsten trocknet der Körper aus. Blutdruckabfall und Kreislaufschwäche bis hin zum Kreislaufzusammenbruch sind mögliche Folgen. Deshalb sollte man bei Durchfall mindestens drei bis vier Liter am Tag trinken. Am besten eignen sich Flüssigkeiten, die gleichzeitig den Mineralsalzhaushalt auffüllen, zum Beispiel gezuckerter Tee oder salzhaltige Suppen.

In der Apotheke können Sie auch fertige Elektrolyt-Pulver oder -Lösungen kaufen. Diese enthalten unter anderem Traubenzucker, Kochsalz und Kaliumchlorid. Das Pulver sollte nur in abgekochtem Wasser aufgelöst werden. Wenn Sie sich selbst eine Elektrolytlösung herstellen wollen: fünf Esslöffel Zucker, ein bis zwei Esslöffel Salz und ein Glas Orangensaft in einen Liter abgekochtes Wasser geben, empfiehlt der Gesundheitsdienst des Auswärtigen Amts. Bei Säuglingen und Kindern unter zwei Jahren empfiehlt sich auf jeden Fall ein Elektrolytpräparat aus der Apotheke. Sie können den Flüssigkeitsverlust nur schlecht kompensieren, so dass ein wässriger Durchfall schnell lebensbedrohlich werden kann.

Wer unter Reisedurchfall leidet, sollte auf fettige und schwere Speisen verzichten - sie verschlimmern den Durchfall, weil sie das Verdauungssystem zusätzlich belasten. Ebenso empfiehlt es sich, Alkohol und Koffein zu meiden. Schonkost ist angesagt. In den ersten beiden Tagen können Betroffene beispielweise dünne Brühen, Salzstangen, geriebene Äpfel (Schälen nicht vergessen) oder Zwieback essen. Vom dritten Tag an können Reis oder Kartoffeln auf dem Speiseplan stehen. Nach vier Tagen darf man langsam wieder zu normaler Kost übergehen.

Mit Medikamenten gegen den Reisedurchfall sollten Sie vorsichtig sein. Mittel mit dem Wirkstoff Loperamid, zum Beispiel Imodium, unterdrücken den Durchfall vorübergehend, indem sie die Darmbewegung verlangsamen. Das verschafft aber den verursachenden Krankheitserregern Zeit sich im Darm weiter zu vermehren oder in die Darmwand einzudringen - die Beschwerden können dadurch schlimmer werden. Auf keinen Fall sollten solche Peristaltikhemmer bei blutigem oder fieberhaftem Durchfall eingenommen werden.

In der akuten Phase des Reisedurchfalls können Wirkstoffe gegen Übelkeit und Erbrechen, etwa Metoclopramid (zum Beispiel Cerucal) oder Domperidon (Motilium), Linderung verschaffen. Sie verhindern auch, dass zugeführte Flüssigkeit wieder erbrochen wird.

Zudem gibt es Präparate, die Wasser-, Gift- und Entzündungsstoffe binden. Sie hemmen die Austrocknung und beruhigen die gereizte Schleimhaut. Als Wirkstoffe enthalten diese Medikamente beispielsweise Aktivkohle, Pektin oder Kaolin.

So genannte Probiotika - das sind Lebensmittel oder Präparate, die lebende Mikroorganismen enthalten - können den Durchfall um etwa einen Tag verkürzen. Das ergab eine zusammenfassende Auswertung von 63 verschiedenen Studien im Cochrane Database of Systematic Reviews. Probiotika enthalten unter anderem Milchsäurebakterien wie Laktobazillen oder auch Bifidobakterien und Hefepilze. Diese kommen natürlicherweise im Darm vor. Sie können helfen, das natürliche Gleichgewicht in der Darmflora nach einer Infektion wiederherzustellen. Probiotische Lebensmittel sind zum Beispiel Joghurt oder Milch. In der Apotheke kann man spezielle Babynahrung, Pulver oder Kapseln kaufen.

Wann müssen Sie zum Arzt?

Nach spätestens zwei bis drei Tagen sollte der Durchfall von selbst abklingen. Ist dies nicht der Fall oder treten zusätzliche Symptome wie Blut im Stuhl, Fieber oder schwere Magen- und Darmkrämpfe auf, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Er kann anhand einer Stuhlprobe den Erreger identifizieren. Wenn Sie sich in den Tropen befinden, wird ihnen der Arzt eventuell Blut abnehmen, um Krankheiten wie Cholera und Typhus auszuschließen. Gegen Bakterieninfektionen kann der Arzt ein Antibiotikum verschreiben.

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