Landwirtschaft:Verbotenes im Pflanzenstärkungsmittel

Schock für Bio-Bauern, aber auch konventionell arbeitende Landwirte: Ein Mittel, das Pflanzen widerstandsfähiger gegen Krankheiten machen soll, enthält eine verbotene Substanz.

Daniela Kuhr

Wenn es in einem Betrieb hygienisch zugeht, ist das normalerweise beruhigend. Wenn aber die Hygiene so weit geht, dass die dort hergestellten Lebensmittel Rückstände von Desinfektionsmitteln aufweisen, ist das eher beunruhigend. Und deshalb war der Biobauer aus dem niedersächsischen Emsland höchst alarmiert, als er kürzlich bei einer Eigenkontrolle feststellte, dass die von ihm aufgezogenen Kräuter und der Rucola-Salat Spuren des Desinfektionsmittelwirkstoffs DDAC (Didecyldimethyl-Ammoniumchlorid) enthielten.

Umgehend ließ er seinen gesamten Betrieb analysieren. Seine Vermutung: Irgendwo musste er beim Reinigen etwas falsch gemacht haben.

Doch leider fiel das Ergebnis deutlich besorgniserregender aus: Denn die Ursache für den DDAC-Eintrag war nicht etwa ein Putzmittel, sondern das Präparat Vi-Care, ein Pflanzenstärkungsmittel, das konventionelle Landwirte und Biobauern bundesweit vor allem für den Anbau von Topfkräutern in Gewächshäusern, aber zum Teil auch für Tomaten oder Salat verwenden. Es macht die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Krankheiten. Wobei man richtigerweise sagen muss: Es "machte" sie widerstandsfähiger.

Denn das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat Vi-Care vor ein paar Tagen verboten - und damit unzählige Landwirte in Schwierigkeiten gebracht.

Das Problem liegt nicht so sehr darin, dass die Bauern Vi-Care nicht mehr verwenden dürfen. Deutlich schwerer wiegt, dass sie ihre Ernte vernichten müssen. Zwar hält das Bundesamt für Risikoforschung eine akute oder chronische Gefährdung der Verbraucher für unwahrscheinlich.

Tatsache ist jedoch, dass der Wirkstoff für Nahrungspflanzen bislang nicht zugelassen ist. Deshalb gilt vorsorglich der gesetzliche Rückstandshöchstgehalt von 0,01 Milligramm pro Kilogramm. Es reichen somit schon geringste Spuren - und Lebensmittel dürfen nicht mehr in Verkehr gebracht werden.

Der Hersteller von Vi-Care, eine Firma aus den USA, hat noch keine Erklärung geliefert, wieso das Mittel DDAC enthält. Bislang hieß es, dass Vi-Care aus einem Zitrusextrakt hergestellt wird. Daher war das Produkt auch für den Öko-Landbau zugelassen. Wie viele Bauern betroffen sind, ist noch offen. Die Firma MBM, die als einzige Vi-Care in Deutschland vertrieben hat, teilte auf Anfrage mit, sie habe das Produkt nicht nur an Landwirte verkauft, sondern auch an Händler und wisse daher nicht, wie viele Bauern es letztlich verwendet hätten. "Vi-Care war jedenfalls sehr beliebt, sowohl bei konventionellen als auch bei Biobauern", so ein Sprecher von MBM.

Das bestätigt auch Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft. "Seit vergangener Woche stehen bei uns die Telefone nicht mehr still." Aus ganz Deutschland würden Bauern anfragen, wo sie ihre Kräuter möglichst schnell testen lassen könnten. "Für einige Betriebe ist der Vertriebsstopp existenzbedrohend", sagt er. Sein Verband will eine Sammelklage gegen die US-Herstellerfirma einreichen. "Allein die Biobranche hat Schäden in Millionenhöhe."

Doch dürften auf den Hersteller noch weitaus höhere Klagen zukommen. Er hat seine Produkte weltweit vertrieben. Kürzlich wurde in Deutschland eine ganze Schiffsladung Bananen aus der Dominikanischen Republik aus dem Verkehr genommen, weil die Bananen ebenfalls DDAC aufwiesen. "Die Dimension des Problems ist vielen noch gar nicht bewusst", sagt Löwenstein.

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