Ernährung:Süßstoffe könnten doch dick machen

Künstliche Süßstoffe haben keine oder allenfalls zu vernachlässigende Kalorien. Trotzdem können sie einigen Untersuchungen zufolge Übergewicht und die damit verbundenen Krankheiten fördern. Wie kann das sein?

Von Katrin Blawat

Sie haben eine steile Karriere hinter sich und einen ebenso beeindruckenden Abstieg, was das Vertrauen der Verbraucher angeht. Süßstoffe wie Aspartam und Saccharin galten anfangs als einfache Lösung, um der Kalorienbombe Zucker mit all ihren gesundheitlichen Risiken zu entgehen. Doch der Euphorie folgten Berichte über Ratten, die nach der Fütterung mit Süßstoffen vermehrt Tumore entwickelten. Längst aber ist klar, dass diese Studien wegen schwerer methodischer Fehler nahezu keine Aussagekraft für den Menschen haben. Süßstoffe lösen in den üblichen Verzehrmengen keinen Krebs aus, ist sich die Wissenschaft heute weitgehend sicher.

Dennoch stehen die Stoffe nach wie vor in der Kritik, denn womöglich sind sie um keinen Deut besser als Zucker, bezogen auf ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Metabolisches Syndrom, Diabetes vom Typ 2 und Herzerkrankungen.

Eine Reihe von Studien lege nahe, dass regelmäßige Konsumenten von mit Süßstoffen versetzten Getränken einem erhöhten Risiko für diese Krankheiten ausgesetzt seien, schreibt Susan Swithers von der Purdue University in West Lafayette (Indiana) in einem aktuellen Überblicksartikel (Trends in Endocrinology and Metabolism, online).

Swithers zitiert zahlreiche Arbeiten, denen zufolge der häufige Konsum von Süßstoffen mit Gewichtszunahme, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und Metabolischem Syndrom zusammenhängt - also mit ganz ähnlichen Folgen, wie sie auch der Verzehr von viel Zucker mit sich bringt. Sollte das stimmen, dann wären Aspartam, Saccharin und ähnliche Substanzen vielleicht ein wirksames Marketinginstrument, mit Sicherheit aber weder notwendige noch sinnvolle Bestandteile von Lebensmitteln.

Wie kann das sein? Unbestritten haben Süßstoffe keine oder allenfalls zu vernachlässigende Kalorien. Trotzdem können sie einigen Untersuchungen zufolge Übergewicht und die damit verbundenen Krankheiten fördern. Zum Beispiel könnten weniger die Kalorienmenge des Süßstoffes oder Zuckers entscheidend sein, sondern vielmehr die Reaktion des Körpers auf Süßes jeglicher Art.

Demnach schüttet der Organismus Insulin aus, sobald er Süßes wahrnimmt - ganz egal, ob dieses aus Zucker oder zum Beispiel aus Aspartam stammt. Die Insulinausschüttung führt zu Heißhunger - und vorbei ist es mit dem Abnehmeffekt. Rein vom Mechanismus her erscheint diese schon lange diskutierte Theorie plausibel. In ihrer praktischen Bedeutung aber sei sie wohl zu vernachlässigen, urteilen inzwischen viele Fachleute.

Die Rolle der Psyche

Eine entscheidendere Rolle spielen vermutlich psychologische Effekte. Verzichten Menschen auf Zucker und greifen stattdessen zu Süßstoff, schreiben sie sich womöglich - auch unbewusst - so etwas wie "Ernährungspluspunkte" zu: Gibt es die Cola in der Light-Version, darf der Burger dafür etwas üppiger ausfallen. Diese Rechnung mag das Gewissen beruhigen, abnehmen kann man so nicht.

Bekannt ist Studienautorin Swithers in der Fachwelt für einen weiteren psychologischen Erklärungsansatz. Demnach bringen Süßstoffe die in der Kindheit erlernte Assoziation durcheinander, dass süße Nahrung auch Kalorien und damit verbunden Sättigung bedeuten.

Aspartam, Saccharin und ähnliche Stoffe schmecken süß, haben aber keine Kalorien und machen nicht satt. Damit komme der Körper nicht zurecht - und könne in der Folge überhaupt nicht mehr zwischen hungrig und satt unterscheiden. Wer viel Süßstoffe zu sich nehme, esse daher insgesamt mehr als ihm gut tue, argumentiert Swithers - und führt auch dafür zahlreiche Studien als Beleg an.

Wie in der Ernährungsforschung üblich, stammen diese Daten - ebenso wie die ihrer Kritiker - jedoch meist aus Selbstauskünften der Teilnehmer oder Tierversuchen. Beides schmälert die Aussagekraft. Wer Gewissheit haben will, dem bleibt daher nur übrig, sowohl an Zucker als auch an Süßstoffen zu sparen.

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