Zoff um Ratingagenturen:Bändigt die Kontrolleure!

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Ratingagenturen haben die Finanzkrise massiv verschärft. Ein staatlicher Kredit-TÜV könnte ihre Macht brechen - aber er darf nicht käuflich sein.

Catherine Hoffmann

Spanien wollte es nicht so weit kommen lassen wie Griechenland und seine Staatsfinanzen rasch sanieren. Prompt senkte eine Ratingagentur den Daumen und setzte die Kreditwürdigkeit des Landes von der Bestnote "AAA" um eine Stufe herab. Die Begründung: Die drastischen Sparbeschlüsse, mit denen Madrid die hohe Verschuldung drücken will, würden das Wachstum bremsen. Das war ein Schock für Spanien und die Anleger. Und das Timing hätte schlechter nicht sein können. Die Kritik verschärft die Krise und erschwert Spaniens Versuche, raus aus den Schulden zu kommen.

Ratingagenturen - Logos Die Logos der Ratingagenturen 'Fitch', 'Standard & Poor's' und 'Moody's', aufgenommen am Donnerstag (29.04.2010) an den jeweiligen Vertretungen der Unternehmen in Frankfurt am Main (Bildkombo). Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Banken und Staaten. Dabei fließen veröffentlichte Zahlen ebenso ein wie Brancheneinschätzungen oder eine Beurteilung des Managements. Foto: Fredrik von Erichsen dpa/lhe +++(c) dpa - Bildfunk+++ (Foto: dpa)

Beurteilen Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit eines Landes kritischer, verlangen Anleger oft auf einen Schlag höhere Renditen. Für einen Staat wird es dann schwieriger, sich Geld zu leihen. Griechenland wurden nach der Herabstufung seiner Anleihen auf Ramschstatus zweistellige Renditen abverlangt, bevor die Euro-Gemeinschaft mit milliardenschweren Garantien einen Staatsbankrott abwendete. So können die Bonitätsprüfer eine gefährliche Spirale auslösen.

Drei Unternehmen dominieren das Geschäft: Standard & Poor's, Moody's und Fitch. Ihren Urteilen wird enorme Bedeutung zugemessen. Große Investoren - wie Lebensversicherungen, Fondsgesellschaften und Banken - ersparen sich gern die mühselige und zeitaufwendige Bewertung von Kreditrisiken. Oft vertrauen sie blind auf die Urteilskraft der Agenturen, wenn es darum geht, wo sie ihr Kapital investieren sollen.

Dabei haben sich die Kreditwächter schon in der US-Hypothekenkrise blamiert. Mit Bestnote ausgestattete Papiere entpuppten sich als wertlos. Systematisch haben sie Risiken unterschätzt und mit dazu beigetragen, dass Staaten, Banken und Privatleute exzessiv Schulden angehäuft haben - bis zum Kollaps. Der Grund für die Fehleinschätzung liegt in einem Interessenkonflikt: Ratingagenturen sind keine unabhängigen Schiedsrichter, sondern werden von jenen bezahlt, die Anleihen verkaufen wollen: den Banken. Man sollte erwarten, dass in der Finanzkrise niemand mehr das Urteil der Tester ernst nimmt, nach ihrem entsetzlichen Versagen in der Finanzkrise. Leider ist das Gegenteil der Fall, die Prüfer sind immer noch im Geschäft.

Nur ein Investor kümmert sich nicht mehr um ihr Urteil. Die Europäische Zentralbank kauft Staatsanleihen, auch griechische Schrottpapiere - ungeachtet der Ratings und signalisiert damit den Kreditwächtern: Wir hören nicht mehr auf euch. Das ist verständlich, denn diese Institutionen können mehr Unheil anrichten als Nutzen stiften.

Was also tun? Der Vorschlag, eine eigene europäische Ratingagentur zu schaffen, geht in die richtige Richtung. Ökonomen fordern schon lange mehr Wettbewerb unter den Kreditbewertern. Sie machen sich für die Gründung staatlicher oder halbstaatlicher Einrichtungen stark - nach dem Vorbild des TÜV, um die Macht des herrschenden Oligopols zu brechen. Die europäischen Staaten sollten damit den Wettbewerb künstlich anregen. Ohne eine solche Initiative wird es nicht gehen, denn die drei großen privaten Bonitätsprüfer besitzen eine beachtliche Macht: Niemand wird heute zwar daran gehindert, eine neue Ratingagentur zu gründen und Schuldtitel zu bewerten. Doch die Kosten für ein solches Unternehmen sind hoch. Lohnend wird das Geschäft erst, wenn es im großen Stil betrieben wird. Deshalb gibt es auch nicht genügend Wettbewerb um die richtigen Bewertungsmethoden, so mangelt es an Meinungsvielfalt.

Eine staatliche Konkurrenz könnte sich aber nur etablieren, wenn ihre Unabhängigkeit gewahrt wäre. Eine öffentlich finanzierte Agentur, so werden manche einwenden, hätte mit politischer Einflussnahme zu kämpfen. Würde sie es wirklich wagen, Spanien herabzustufen? Deshalb darf ein europäischer Kredit-TÜV nicht käuflich sein, andernfalls wäre er nichts wert.

© SZ vom 01.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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