Wege aus der privaten Krankenversicherung:"Das lohnt sich nur für Beamte"

Die einen wollen unbedingt rein, andere so schnell wie möglich raus: Die private Krankenversicherung lockt und schreckt zugleich ab. Doch für wen ist sie attraktiv? Und ist ein Wechsel zurück in die gesetzliche Krankenversicherung überhaupt möglich? Die Antworten eines Experten.

Viktoria Großmann

Viele Menschen reizt der Wechsel in eine private Krankenversicherung. Einerseits, weil sie sich eine bevorzugte Behandlung bei den Ärzten versprechen. Andererseits, weil gerade bei jungen Leuten die Beiträge günstig zu sein scheinen. Doch viele bereuen den Wechsel später, wie SZ-Autor Patrick Illinger. Süddeutsche.de sprach mit Björn Gatzer von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) darüber, ob und wie man aus der privaten Krankenversicherung (PKV) herauskommen kann. Gatzer ist Jurist und berät Versicherte in der UPD-Geschäftsstelle in Karlsruhe, die in Trägerschaft der Verbraucherzentrale angeboten wird. Bundesweit hat die UPD 21 Beratungsstellen. Bezahlt wird der Service aus einem Fonds, in den gesetzliche und private Krankenversicherungen einzahlen.

Süddeutsche.de: Viele Menschen, die eine private Krankenversicherung abgeschlossen haben, bereuen irgendwann ihre Entscheidung und möchten gern zur gesetzlichen zurück. Geht das überhaupt?

Björn Gatzer: Dazu müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Für Selbständige ist es nicht so einfach. Wenn die einmal privat versichert sind, haben sie kaum noch Möglichkeiten, wieder zurückzuwechseln. Das ist fast eine Entscheidung fürs Leben. Selbständige, die eine freiwillige Arbeitslosenversicherung abgeschlossen haben und tatsächlich ein Jahr lang arbeitslos bleiben, können in die gesetzliche Krankenkasse zurückkehren. Das können sie auch, wenn sie Angestellte werden und dann weniger verdienen als 50.850 Euro im Jahr - das ist die Einkommensgrenze, ab der man als Angestellter in die private Krankenversicherung wechseln kann. Sie wird jedes Jahr neu festgelegt.

Süddeutsche.de: Wie können Angestellte die private Kasse verlassen?

Gatzer: Angestellte können sich überhaupt nur privat versichern lassen, wenn sie mehr als die 50.850 Euro im Jahr verdienen. Im Gegenzug heißt das auch, wenn sie mindestens ein Jahr unter der Grenze bleiben und sich im abhängigen Arbeitsverhältnis befinden, dann können sie in die gesetzliche Krankenversicherung zurückwechseln.

Süddeutsche.de: Könnten Versicherte einen Wechsel möglich machen, in dem sie freiwillig unter der Grenze bleiben?

Gatzer: Man könnte sich durchaus mit dem Arbeitgeber einigen, dass er Gehaltsbestände ins nächste Jahr überträgt, so dass das Jahreseinkommen niedriger ausfällt. Oder man müsste unbezahlt Urlaub nehmen. Illegal ist es nicht. Letztlich orientiert man sich an der gesetzlichen Vorgabe. Und die lautet: Man muss ein Jahr unter der bestimmten Einkommensgrenze bleiben. Welche Voraussetzungen dazu geführt haben, spielt letztlich keine Rolle.

Süddeutsche.de: Wäre unter dieser Voraussetzung ein Wechel zur gesetzlichen Krankenversicherung immer möglich?

Gatzer: Nein. Man muss jünger als 55 Jahre alt sein. Wenn man diese Altersgrenze überschritten hat, gibt es kein Zurück zur gesetzlichen Kasse. Denn der Gesetzgeber will nicht, dass Versicherte in jungen Jahren die niedrigen Beiträge der Privaten in Anspruch nehmen und später dann, wenn sie höhere Krankheitskosten haben, in die Gesetzliche wechseln. Eine kleine Ausnahme gibt es allerdings.

Über 55, selbständig, ohne Aufträge - und dann?

Süddeutsche.de: Die wäre?

Gatzer: Es muss eine Schwerbehinderung vorliegen. Ist diese anerkannt, hat man drei Monate Zeit, bei der gesetzlichen Krankenkasse einen Aufnahmeantrag zu stellen. Nicht jede Krankenkasse nimmt einen allerdings in diesem Fall auf. Je nach Satzung haben die gesetzlichen Krankenkassen Altersgrenzen für die Aufnahme von Menschen mit Schwerbehinderung. Manche setzen diese schon bei 45 Jahren an, andere haben dagegen gar keine Altersgrenze. Einkommenslose Familienmitglieder können außerdem in die Familienversicherung wechseln.

Süddeutsche.de: Können die gesetzlichen Versicherungen auch sonst auswählen, wen sie zurücknehmen und wen nicht?

Gatzer: Nein. Es besteht eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht und jeder Versicherte kann seine gesetzliche Krankenversicherung frei wählen. Es spielt keine Rolle, wie alt der Mensch ist - es sei denn, er ist über 55 - und nach Vorerkrankungen darf nicht gefragt werden. Die Antragstellung ist in diesem Fall gleichzusetzen mit garantierter Aufnahme. Ein privater Versicherer hingegen würde nach den Vorerkrankungen fragen, das Alter des zu Versichernden einbeziehen und danach den Beitrag berechnen. Bei der gesetzlichen Versicherung richtet sich der Betrag einzig nach dem Einkommen.

Süddeutsche.de: Was passiert aber, wenn ich über 55 bin, selbstständig, keine Aufträge mehr bekomme, also auch kein Geld und deshalb die Krankenversicherung nicht mehr zahlen kann?

Gatzer: Dann habe ich Pech gehabt. Ich muss in der privaten Krankenversicherung bleiben. Man kann in den Basistarif wechseln. Das würde bedeuten, dass man eine Leistung bekommt, die der Leistung der gesetzlichen Versicherung entspricht, aber auch nur maximal so viel kosten darf. Das wurde bei der letzten Gesundheitsreform eingeführt. Die Privaten sind damit alles andere als glücklich, weil es sie mehr kostet, als es einbringt. Auch dem Versicherten kann der Basistarif Probleme machen: Es könnte passieren, dass er es schwer hat, einen Arzt zu finden. Ein ausschließlich privat abrechnender Arzt wird ungern zu den Sätzen tätig werden, die von den gesetzlichen Krankenkassen vorgesehen sind. Wenn allerdings gar nichts mehr geht, muss man sich an das Sozialamt wenden.

Süddeutsche.de: Es kann also passieren, dass der Staat einspringen muss, weil jemand seine private Krankenversicherung nicht mehr zahlen kann?

Gatzer: Ja, das passiert relativ häufig. Es kommt öfter vor, dass zum Beispiel Rentner in die Beratung kommen und sagen: Meine Krankenversicherungsbeiträge betragen pro Monat 600 oder 700 Euro und so hoch ist auch gerade meine Rente. Für die heißt das, sie müssen erst einmal ihre sonstigen Einkommensquellen anzapfen, sofern vorhanden. Dann geht es ans Ersparte, dann müssen die Familienmitglieder einspringen und wenn das nicht mehr klappt, dann muss der Staat dafür aufkommen und Sozialhilfe gewähren - als letzte Möglichkeit.

Süddeutsche.de: Was sind die Vorteile einer privaten Krankenversicherung?

Gatzer: Neben der Beitragsersparnis könnte eine Rolle spielen, dass man zuvorkommender behandelt wird. Beim Arzt muss man nicht lange im Wartezimmer sitzen, beim Facharzt bekommt man schneller einen Termin - während gesetzlich Versicherte schon auf einen Termin beim Augenarzt bis zu einem Vierteljahr warten müssen.

Süddeutsche.de: Gibt es auch Vorteile bei der Behandlung selbst?

Gatzer: Bei privat Versicherten werden öfter neuere oder medizinisch fortschrittlichere Methoden angewandt. Bis solche neuen Methoden, die die Privaten schon bezahlen, auch von den Gesetzlichen übernommen werden, können einige Jahre ins Land gehen. Bei der Abrechnung von Zahnersatzleistungen oder den Kosten für Heilpraktiker sind die Privaten immer noch recht großzügig. Aber insgesamt nicht mehr so kulant wie früher. Der Kostendruck im Gesundheitswesen macht sich auch hier bemerkbar. Die fetten Jahre sind vorbei.

Süddeutsche.de: Für wen ist aus Ihrer Sicht ein Wechsel in die private Krankenversicherung ratsam?

Gatzer: Bei Beitragssteigerungssätzen, die derzeit zwischen fünf und 20 Prozent im Jahr liegen, können wir es niemandem mehr mit gutem Gewissen empfehlen. Eine Ausnahme sind Beamte, die beihilfeberechtigt sind. Für sie lohnt es sich, weil für sie spezielle Tarife gelten. Privat versichern sollte sich nur, wer es sich wirklich langfristig finanziell leisten kann - sie ist eine Luxusleistung. Man erhält mehr Leistung, aber man muss auch deutlich mehr dafür bezahlen. Dessen muss man sich bewusst sein.

Süddeutsche.de: Worauf muss ich auf jeden Fall achten, wenn ich trotzdem zur PKV möchte?

Gatzer: Aufs Kleingedruckte. Ein privater Krankenversicherer kann die Inhalte von Tarifen frei festlegen. Das macht für viele Versicherte den Reiz der PKV aus, einen speziell für sie geschneiderten Vertrag zu erhalten. Diesen sollte man sich dann aber auch genau ansehen. Es können beliebige Leistungen in den Vertrag hinein- und auch wieder herausgenommen werden. Um Geld zu sparen, kann man über einen höheren Selbstbehalt nachdenken. Oder auch zum Beispiel psychotherapeutische oder Heilpraktiker-Behandlungen ausschließen.

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