Wechsel zu gesetzlichen Versicherungen:Patienten fliehen aus privaten Krankenkassen

Die große Flucht: Zehntausende Deutsche haben keine Lust mehr auf private Kassen. Sie versuchen zurück in gesetzliche Kassen zu kommen.

Die Deutschen kehren den privaten Krankenkassen in Scharen den Rücken: Die Zahl der Privatpatienten, die in die gesetzliche Versicherung zurückkehren wollen, steigt nach Angaben einiger gesetzlicher Kassen deutlich. "Bei uns häufen sich die telefonischen Anfragen von Privatversicherten, die zur AOK kommen wollen", sagte der Chef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, dem Nachrichtenmagazin Spiegel.

Zur Barmer GEK wechselten laut dem Bericht bereits im Laufe vergangenen Jahres etwa 27.600 Versicherte von der privaten Konkurrenz, das sind immerhin neun Prozent mehr als im Vorjahr. Eine sehr ähnliche Tendenz bestätigte die Techniker Krankenkasse: Dorthin wechselten im vergangenen Jahr 68.000 Versicherte, das sind fast zwölf Prozent mehr.

Viele private Krankenversicherungen haben zum 1. Januar ihre Beiträge erhöht, in Extremfällen um die Hälfte. Auch im Alter können die Tarife für private Kassen teurer werden.

Die gesetzlichen Kassen sind dagegen gut abgesichert, da sie im Wirtschaftsaufschwung hohe Überschüsse erwirtschaftet haben. Der gesetzliche Beitrag wurde deshalb noch nicht gesenkt, allerdings wollen bald auch die letzten Kassen auf die Zusatzbeiträge verzichten, die viele Menschen aus gesetzlichen Versicherungen vertrieben hatten.

Das Problem: Gesetzlich vorgesehen ist der Austritt aus einer Privatkasse eigentlich nur in Ausnahmefällen, für Privatversicherte, die arbeitslos werden oder deren Angestelltengehalt unter die Versicherungspflichtgrenze von 45.900 Euro sinkt, sowie für Selbstständige, die in eine ähnlich bezahlte Festanstellung wechseln. Doch die Kassen helfen Wechselwilligen über Umwege. Verbraucherschützer geben jedoch zu bedenken, dass beim Wechsel des Anbieters oft Geld verloren geht. Deshalb raten sie eher zum internen Tarifwechsel innerhalb einer Krankenkasse.

Der Verband der privaten Krankenversicherungen (PKV) hat dem Bericht des Spiegel inzwischen widersprochen. "Tatsache ist, dass jedes Jahr weitaus mehr gesetzlich Versicherte in die private Krankenversicherung wechseln als umgekehrt", sagte PKV-Sprecher Stefan Reker den Stuttgarter Nachrichten. Wenn die gesetzlichen Krankenversicherungen einen anderen Anschein zu erwecken suchten, sei das "unseriös".

Reker fügte hinzu, die gesetzliche Krankenversicherung müsste ihre Beiträge um zehn Prozent erhöhen, "bekäme sie nicht 15 Milliarden Euro jährlich Zuschuss auf Kosten der Steuerzahler, ganz zu schweigen von Praxisgebühren, Zuzahlungen und Leistungskürzungen".

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