Reden wir über Geld: Brett Wilson:"Erfolg als Glücklichsein definieren"

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Lebensbedrohlicher Stress: Der Investmentbanker Brett Wilson arbeitete wie ein Besessener und wurde zu einem der reichsten Männer Kanadas. Doch dann bekam er Krebs, was seinem Leben eine neue Richtung gab.

Bernadette Calonego, Vancouver

Der Ölboom machte Brett Wilson, 53, zu einem der reichsten Menschen Kanadas. Mit seiner Firma FirstEnergy Capital in Calgary verdiente der Sohn einer Sozialarbeiterin und eines Autoverkäufers monatlich Millionen. Doch mit 43 Jahren kam die Diagnose: Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium. Der Investmentbanker änderte sein Leben. Inzwischen ist Brett Wilson in ganz Kanada durch eine Fernsehshow als selbst erklärter "Kapitalist mit Herz" bekannt geworden. Höchste Zeit für ein Gespräch.

Brett Wilson hat sich auf neue Werte im Leben besonnen. (Foto: AP)

SZ: Brett Wilson, reden wir über Geld. Macht Reichtum krank?

Wilson: Geld ist oft ein Gegensatz zu Glück und Gesundheit und zu guten menschlichen Beziehungen. Das Streben nach Reichtum kann das Leben so stressig machen, dass man sich fragt, ob es das wert sei. Der Preis für meinen Erfolg war meine Gesundheit, meine Familie, meine Ehe.

SZ: Sie haben Ihr Leben dem Geldverdienen gewidmet und sind an Prostatakrebs erkrankt. Haben manche Leute mit Genugtuung reagiert, weil Krebs reiche und arme Leute gleichermaßen krank macht?

Wilson: Ich bin dieser negativen Haltung nie begegnet, obwohl ich aus meiner Krankheit nie ein Geheimnis gemacht habe. Ich spreche öffentlich darüber, trete auch in Fernsehspots auf, damit sich Männer frühzeitig untersuchen lassen, und ich spende viel Geld für die Erforschung von Prostatakrebs.

SZ: Ist mit Prostatakrebs nicht ein Stigma verbunden, speziell für einen bekannten Mann wie Sie?

Wilson: Gerade Krebs ist in Nordamerika nicht mehr mit einem Stigma behaftet. Für mich ist es sicher keines.

SZ: Am Tag, als Sie von Ihrem Arzt die Diagnose erhielten, hatten Sie gerade das Dossier Ihrer schmerzhaften Scheidung weggelegt. Wie reagierten Sie auf den Bescheid?

Wilson: Nachdem ich mit dem Arzt gesprochen hatte, sagte ich als Erstes zu meiner Sekretärin: "Öffnen Sie bitte ein neues Dossier mit dem Titel Krebs!"

SZ: Haben Sie dann gleich Ihren Beruf aufgegeben und der Jagd nach dem Geld adieu gesagt?

Wilson: Nein, so schnell ging das nicht. Aber ich setzte meine Prioritäten neu. Wie viele Manager kannte ich ja nur Geschäft, Reichtum, Finanzen. Heute kommen meine Gesundheit, mein Leben, meine Kinder und meine Freunde zuerst. Ich will mehr Zeit und Freude im Leben haben. Und ich trinke keinen Alkohol mehr.

SZ: Sie haben öffentlich bekannt, dass Sie in einer Therapie für Suchtkranke waren. Brauchte das Mut?

Wilson: Nicht wirklich. Ich bin ja kein Einzelfall. Es ist allgemein bekannt, dass viele Wirtschaftsführer Probleme wie Arbeitssucht haben, und ihr finanzieller Erfolg geht auf Kosten ihres Privatlebens. Während der Therapie schaute ich mich selbst an, mein Leben, meine Kindheit. Ich redete öffentlich über meine Therapie, weil ich Studenten und andere junge Leute ermutigen will, ihre Wahlmöglichkeiten gut zu überdenken. Ich will sie davor warnen, in negative Lebensmuster abzugleiten.

SZ: Ist im Angesicht des möglichen Todes Geld plötzlich nicht mehr wichtig?

Wilson: Das kann man so nicht sagen. Manche Entscheidungen sind mir sehr schwergefallen, zum Beispiel der Rücktritt aus meiner Investmentfirma. Ich liebte meinen Job, die Mitarbeiter und die Herausforderungen. Aber vor vier Jahren litt ich unter den Nebenwirkungen der Bestrahlung und beschloss, mich nur noch auf meine privaten Investitionen zu konzentrieren.

SZ: Sie haben eine neue Privatfirma, Prairie Merchant. Warum investieren Sie weiterhin Geld, zum Beispiel in kanadisches Farmland?

Wilson: Wenn man seine Prioritäten anders setzt, bedeutet es nicht, dass man alles aufgibt. Aber ich verwende heute viel Zeit, um die Beziehung zu meinen drei Kindern zu pflegen.

SZ: Dazu hätten Sie aber nicht schwer krank werden müssen. Hätten Sie das nicht von Ihrem eigenen Vater lernen können?

Wilson: Das ist richtig. Mein Vater arbeitete im Ölgeschäft und war die ersten sechs Monate meines Lebens unterwegs. Als er zurückkam, war mir dieser Mann fremd, und ich weinte. Das hat ihm so zugesetzt, dass er seinen Arbeitsplatz wechselte, wo er zwar weniger Geld verdiente, aber dafür mehr zu Hause war.

SZ: Sie schwimmen im Geld, warum lassen Sie Ihre Kinder nicht an Ihrem Reichtum teilhaben?

Wilson: Ich gebe ihnen einen bescheidenen Beitrag zu ihrem Lebensunterhalt. Aber sie verdienen sich das Geld für das Universitätsstudium und die Reisen selber. Ich habe ihnen auch gesagt, dass sie nicht viel Geld erben werden. Ich habe vor, das meiste Geld an wohltätige Organisationen zu verschenken. Warum nicht Reichtum umverteilen, während wir noch leben?

SZ: Wie haben Ihre Kinder darauf reagiert?

Wilson: Mein Sohn fragte, als er noch kleiner war: "Und was geschieht, wenn ich nicht erfolgreich bin?" Ich sagte ihm: "Lass uns Erfolg als Glücklichsein definieren." Heute ist er ein 19-jähriger Student der Sportmedizin und hat ein Krankenhaus in Sri Lanka gefunden, in dem er als Freiwilliger arbeitet.

SZ: In der beliebten kanadischen Fernsehsendung "Dragon's Den" sind Sie einer von fünf prominenten Reichen, die jungen Unternehmern Kapital für ihre Projekte und Firmen geben. Wenn man auf diese Weise Geld vergibt, will man dafür geliebt werden?

Wilson: Ich gebe das Geld nicht einfach weg. Ich investiere es. Persönlich verwende ich nicht viel Zeit mit den Deals und Details, das macht ein Mitarbeiter. Ja, ich habe zum Beispiel Geld in zwei Luftakrobaten investiert. Die Vorstellung, dass ich dafür geliebt werden will, ist grotesk.

SZ: Aber die Fernsehshow hat Sie in Kanada in den vergangenen zwei Jahren prominent gemacht. Man hat Sie Hand in Hand mit der populären Sängerin Sarah McLachlan gesehen. Ist das nicht schmeichelhaft?

Wilson: Sicher erkennen mich die Leute jetzt überall. Man zahlt einen Preis, wenn man eine öffentliche Figur wird. Ich mache es, damit ich eine Plattform für meine Ideen habe.

SZ: Und was wollen Sie uns bitte damit sagen?

Wilson: Ich will die Fehler kommunizieren, die ich im Leben gemacht habe. Ich will zeigen, wie man Erfolg in einer Welt neu definieren kann, die von Reichtum, Macht und Leistung besessen ist. Ich will über meine philanthropischen Projekte sprechen.

SZ: Das wollen ja alle. Sie waren kürzlich in Indien. Manche Reisende erschüttert die Armut dort zutiefst. Wie bringen Sie die Welt Ihres Reichtums und die Welt der Armut zusammen?

Wilson: Ich bin nicht sicher, ob ich sie zusammenbringen muss. Armut ist beileibe nicht neu für mich. Ich war in Behausungen bei den Müllhalden in Mexiko, wo ich Kinderheime finanziere. Ich war in Haiti nach dem Erdbeben, in Waisenhäusern in Tansania und Malawi. Ich war bei den Ärmsten der Armen. Ich wanderte durch die Slums von Kabul. Ich bin natürlich betroffen. Aber meine Reaktion ist immer: Wie kann ich helfen?

SZ: Und, wie helfen Sie?

Wilson: Ich baue mit Freunden und Angestellten, meinem Vater und meinen Kindern Häuser für Arme im Norden Mexikos. In der Regel nehme ich bis zu sechzig Leute mit, und beim nächsten Mal auch kanadische Jugendliche aus einem Suchtbekämpfungsprogramm, das ich finanziell unterstütze.

SZ: Fürchten Sie manchmal die Macht des Geldes?

Wilson: Nein, das würde voraussetzen, dass ich mich um Geld sorge. Aber das tue ich nicht. Geld haben, das bringt großartige Möglichkeiten mit sich. Es kommt nur darauf, was man damit tut.

SZ: Herr Wilson, haben Sie eigentlich noch Angst vor dem Tod?

Wilson: Jetzt nicht mehr. Das Einzige, was ich noch fürchte, ist der Tod eines meiner Kinder.

SZ: Es gibt für Sie eine Art Glück, die sich nicht kaufen lässt?

Wilson: Oh ja. Ich bin auf der Seite der Gänseblümchen - und nicht darunter, wie wir in Kanada sagen. Glücklich macht mich die tägliche Routine mit meinen Kindern und Freunden. Auch Maya ist ein Teil meines Glücks.

SZ: Wer ist Maya?

Wilson: Mein Hund.

© SZ vom 18.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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