Neue EU-Verordnung:"Im schlimmsten Fall zahlen Erben doppelt"

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  • Von August an gibt es eine neue EU-Verordnung zum Erbrecht: Demnach gelten für deutsche Staatsangehörige, die ihren Lebensabend im Ausland verbringen, die jeweiligen Erbrechtsregelungen vor Ort - und nicht die deutschen.
  • Die EU-Verordnung könnte so manches Testament ungültig machen.
  • Eine Absicherung vor unerwünschten Folgen ist aber möglich.

Von Catrin Gesellensetter, München

Die Karriere. Die Liebe. Das schlechte Wetter. Es gibt viele Gründe, der eigenen Heimat zumindest zeitweise den Rücken zu kehren - und manche verbringen ihren Lebensabend im Ausland. Laut Statistik der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) leben etwa 220 000 deutsche Rentner im Ausland - fast doppelt so viele wie vor 20 Jahren.

So unterschiedlich die Motive für den Wegzug aus Deutschland auch sein mögen, ein Thema betrifft alle Auswanderer und Expatriates gleichermaßen: Sie müssen umdenken, wenn sie ihre Familien auch über den Tod hinaus absichern wollen. Der Grund: Vom 17. August an greift bei Erbfällen mit Auslandsbezug die neue EU-Erbrechtsverordnung. Sie gilt in allen Mitgliedstaaten außer Dänemark, Großbritannien und Irland. Und sie bringt erhebliche Änderungen mit sich. "So manches hiesige Testament kann durch das Regelwerk zur Makulatur werden", warnt Désirée Goertz, Fachanwältin für Erbrecht in Potsdam.

Bisher wurde ein deutscher Staatsangehöriger nach deutschem Recht beerbt, auch wenn er im Ausland lebte und verstarb. Befanden sich Immobilien im Nachlass, konnten zusätzlich auch die Rechtsordnungen anderer Staaten zum Tragen kommen - je nachdem, wo die Gebäude standen. Künftig ist das anders. Die EU-Verordnung knüpft die Rechtsfolgen eines Erbfalls grundsätzlich an das Recht jenes Staates, in dem der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes "seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte". Das kann, muss aber nicht der gemeldete Wohnsitz des Verstorbenen sein. "Ein deutscher Rentner, der seinen Lebensabend in der Toskana verbracht hat, wird dann voraussichtlich nach italienischem Recht beerbt", erläutert Anwältin Goertz. Dass der Mann in Italien kaum etwas besaß, sondern eine Finca auf Mallorca hinterlässt, ist ebenso unerheblich wie die Tatsache, dass er deutscher Staatsbürger und in Gelsenkirchen gemeldet war.

Selbst wenn der Verstorbene klare Anordnungen zur Verteilung des Nachlasses getroffen hat: Eine Garantie, dass der Letzte Wille wirklich umgesetzt wird, gibt es zukünftig nicht mehr. "Gerade das in Deutschland so beliebte Berliner Testament, in dem sich Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, wird in vielen Ländern nicht ohne weiteres anerkannt", warnt Bernd Schmalenbach, Fachanwalt für Erb- und Steuerrecht aus Sindelfingen. Die Folge: Statt der fein austarierten, individuellen Vorgaben gelten dann die spanischen, französischen oder italienischen Erbrechtsregelungen - und die sichern den überlebenden Ehegatten oft nur rudimentär ab.

Besonders bitter kann das für Menschen werden, die beruflich viel unterwegs sind. "Wer eine Konzernkarriere anstrebt, im Hotelfach arbeitet oder in der Beraterbranche sein Geld verdient, muss damit rechnen, alle paar Jahre an einem anderen Standort und oft auch in einem anderen Land zu arbeiten", sagt Anwältin Goertz. "Ohne persönliche Vorsorge ändern sich die erbrechtlichen Regelungen, denen er und seine Familie unterfallen, im schlimmsten Fall mit jedem Job."

Vorausschauende Weltenbummler oder Auswanderer können sich jedoch gegen unerwünschte Folgen der EU-Verordnung absichern und per "Rechtswahlklausel" im Testament verfügen, dass die eigene Staatsbürgerschaft weiterhin bestimmt, welches Erbrecht agewendet wird. "Selbst bestehende Testamente lassen sich normalerweise um einen solchen Passus ergänzen", sagt Rechtsanwalt Schmalenbach.

Besondere Probleme ergeben sich jedoch bei binationalen Ehen. Für sie läuft eine Rechtswahl, die sich an der Staatsbürgerschaft der Partner orientiert, ins Leere. Paare mit unterschiedlichen Nationalitäten sollten daher statt eines gemeinschaftlichen Testaments einen Erbvertrag abschließen. Eine ausführliche Beratung empfiehlt sich auch aus Kostengründen. "Wenn deutsche Nachlassrichter nach spanischem oder portugiesischem Recht einen Nachlass verteilen sollen, geht das nicht ohne zusätzliche Kosten für Gutachten und Rechtsanwälte", warnt Goertz.

Hinzu kommt, dass die Erbschaftsteuer durch die Novelle nicht harmonisiert wird. Jedes Land kann nach wie vor eigene Sätze erheben. Doppelbesteuerungsabkommen sind Mangelware. "Im schlimmsten Fall zahlen Erben dann sogar doppelt", so Juristin Goertz.

© SZ vom 13.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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