Lebensversicherung:Schnell viel Geld zurück

Viele Lebensversicherungen werden vorzeitig gekündigt, das ist ein gutes Geschäft für die Anbieter. Zwei Urteile stärken jetzt die Versicherten - und ihre Hoffnungen auf "Nachschlag".

Alexander Mühlauer

Manchmal genügt ein Satz, um dem Kunden ein gutes Gefühl zu geben, ihn aber trotzdem hinters Licht zu führen: "Die mit dem Abschluss Ihres Vertrages verbundenen Kosten werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt." Klingt gönnerhaft, dieser Satz, irgendwie sogar verbraucherfreundlich - ist er aber nicht. Er findet sich in fast allen Versicherungsverträgen und sorgt dafür, dass Millionen Kunden nichts oder nur wenig Geld zurück bekommen, wenn sie ihre Lebensversicherung vor Ende der Laufzeit auflösen.

Die Verbraucherzentralen und der Bundesgerichtshof (BGH) schätzen, dass etwa die Hälfte aller Kapitallebensversicherungen vorzeitig gekündigt werden. Für die Unternehmen ist das ein gutes Geschäft, denn sie lassen sich die Kündigungen teuer bezahlen.

Vier Millionen Versicherte kündigen jährlich

"Jedes Jahr beenden schätzungsweise vier Millionen Kunden ihren Vertrag vorzeitig", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Kunde bekommt dann einen sogenannten Rückkaufswert ausbezahlt. Ob dieser korrekt berechnet ist, kann der Versicherte nicht überprüfen.

"Es gibt kaum etwas Intransparenteres als den Rückkaufswert", sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Man müsse schon ein Versicherungsmathematiker sein und interne Geschäftszahlen kennen, um diesen Wert berechnen zu können.

Seit Jahren kämpfen Verbraucherschützer gegen diese undurchsichtige Praxis. Nun haben sie einen wichtigen Sieg errungen, der Millionen Betroffenen helfen könnte, mehr Geld von der Versicherung zurück zu verlangen. Das Oberlandesgericht Köln monierte bei einer Gesellschaft die Bedingungen in den Versicherungsverträgen von 1995 bis Mitte 2001.

Richter verdonnern Versicherer zu Zahlungsaufstockung

Demnach ist ein Stornoabzug in keinem Fall zulässig. "Kunden können also mit Bezug auf das Urteil eine Rückerstattung des Stornoabzuges verlangen", sagt Rechtsanwalt Joachim Bluhm, der das Urteil in Köln erstritten hat (Aktenzeichen: 20 U 80/08). Außerdem wurde nach Auffassung des Gerichts der Mindestrückkaufswert falsch berechnet.

Auch in diesem Fall dürften sämtliche Versicherungskunden, deren Ansprüche nicht schon verjährt sind, Anrecht auf einen weiteren "Nachschlag" haben. "Was für die alten Versicherungsverträge gilt, dürfte auch für jene ab dem Jahr 2002 gelten", meint der Hamburger Rechtsanwalt Bluhm.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Gericht bei Lebensversicherungen im Sinne der Verbraucher urteilt. Bereits im Jahr 2005 befasste sich der BGH mit dem Ärger um den Rückkaufswert. Die Richter zwangen die Branche für Verträge, die bis zum Jahr 2001 abgeschlossen wurden, höhere Rückkaufswerte anzusetzen als bis dahin üblich - nämlich mindestens 50 Prozent.

Der Ex-Versicherte muss aktiv werden

Die Versicherer akzeptieren das, ließen sich aber einen Trick einfallen: Für Verträge, die nach 2001 abgeschlossen wurden, seien die Vorgaben des BGH nicht gültig. Bei den Verträgen handele es sich um eine "neue Produktgeneration".

Das sah das Landgericht Hamburg anders. Im November vergangenen Jahres entschied es, dass auch für Verträge, die zwischen 2001 und 2007 abgeschlossen wurden, die BGH-Vorgaben gelten (Aktenzeichen: 324 O 1116/07, 1136/07, 1153/07). Seit Januar 2008 gibt es übrigens neue Regeln. Der Gesetzgeber schreibt seitdem vor, dass mindestens 85 Prozent der eingezahlten Beiträge als Rückkaufswert erstattet werden müssen.

"Das Wichtigste ist, dass die Betroffenen an ihre Versicherung schreiben und ihr Geld zurückfordern", sagt Verbraucherschützerin Castelló. Nach ihrer Schätzung könnten allein nach dem Urteil des Landgerichts Hamburg 24 Millionen Kunden, die ihre Verträge in den vergangenen Jahren gekündigt haben, "einen Nachschlag verlangen".

Bundesgerichtshof schreitet ein

Bundesweit beraten Verbraucherzentralen betroffene Kunden. Die Versicherungen selbst werden wohl nicht auf die Kunden zukommen, sagt Castelló: "Ihre Strategie ist eindeutig: aussitzen und auf Verjährung hoffen".

Mit der Frage der Verjährung wird sich nun der BGH beschäftigen müssen. Neben dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln hat er noch einen zweiten Fall auf dem Tisch. Die Kölner Richter sind zwar der Ansicht, dass bei gekündigten Verträgen die fünfjährige Verjährungsfrist am Ende jenes Jahres beginnt, in der die Police beendet wurde.

"Das Oberlandesgericht Köln hat aber ausdrücklich wegen dieser Frage die Revision zum BGH zugelassen", sagt der Münchner Rechtsanwalt Johannes Fiala. "Dort haben die Versicherer bisher nicht einmal eine mündliche Verhandlung riskiert und vorher lieber freiwillig gezahlt." Wie lange die Versicherer sich vor einem Urteilsspruch des BGH noch drücken, ist wohl auch eine Frage des Geldes, meint Anwalt Bluhm: "Langsam wird es für die Versicherer teuer."

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