Kreditkarten:Panik durch Plastikgeld

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Der Horror für jeden Inhaber einer Kreditkarte: In der Abrechnung tauchen unerklärliche Posten auf. Sechs Betrugsfälle aus dem Reich des virtuellen Zahlungsverkehrs.

Ein Indio-Junge aus Peru

Kreditkarten, die einen durch die ganze Welt begleiten. (Foto: Foto: ddp)

Die erste Reaktion: Das kann nicht sein. Beim Online-Check zeigt sich ein Minus von mehr als 2000 Euro auf dem Girokonto. Allein die Visacard schlägt im September mit über 3000 Euro zu Buche. Das kann nicht sein. Man war zwar im Urlaub in Frankreich und hat das Hotel für 400 Euro per Visa gezahlt. Dann fällt einem ein: Es dauerte eine Zeitlang, bis die Abbuchung klappte. Die Frau am Hotelschalter hat es öfter versucht. Kann es sein, dass mehrmals abgebucht wurde?

Gespanntes Warten auf die Kreditkartenabrechnung. Da steht es schwarz auf weiß, dass man betrogen wurde. Es hat nichts mit dem Hotel in Frankreich zu tun, aber es gab vier Abbuchungen, jeweils am 5. September, zweimal vom "Salon de juegos, Arequipa", zweimal von "Suana Motors, Arequipa". Unter Währung heißt es "PEN". Was ist das denn? Umgerechnet handelt es sich um einen Betrag von mehr als 2600 Euro.

Man googelt und findet heraus: Beide Zahlstellen befinden sich in Lima, der Hauptstadt von Peru. Die eine ist eine Spielhalle, die andere eine Autowerkstatt. Wie kann das sein, ich war noch nie in Peru? Komischerweise kommt einem ein Lied von Katja Ebstein aus den 70er Jahren in den Sinn: "Ein Indio-Junge aus Peru, der will leben so wie du."

Man stellt sich auf einen langen Marsch durch die Institutionen ein, wahrscheinlich wird man sein Geld nie wieder sehen. Anruf bei der zentralen Kreditkartenstelle. "Wir sperren sofort Ihre Kreditkarte und schicken Ihnen eine neue zu." Per Mail erhält man ein Reklamationsformular. Wenige Tage später kommt die neue Karte, bald darauf ein weiteres Schreiben, die Rückzahlung sei angewiesen, kurz darauf sind die mehr als 2600 Euro auf dem Girokonto. Das hat man sich schwieriger vorgestellt.

Noch immer weiß ich nicht, wo meine Daten abgegriffen wurden. Ich habe im letzten Jahr ein-, zweimal per Kreditkarte im Internet gezahlt. Das werde ich nicht mehr machen. Auch sonst setze ich die Karte nur noch ein, wenn es gar nicht mehr anders geht.

Schuhkauf für 1000 Euro

Würden Sie auf einen Schlag 1000 Euro für Schuhe ausgeben? Eher nicht. Aber man tut sich dabei viel leichter, wenn man mit der Kreditkarte eines anderen zahlt. Das vermute ich auf jeden Fall. Da fällt so eine modische Entscheidungsfindung sicher viel schneller: braun oder schwarz? Egal, nehm ich sie doch alle!

Irgendwo in Russland läuft jemand mit Camel active Boots herum, die er mit meiner Kreditkarte gezahlt hat. Ich hoffe sehr, dass er wenig Spaß mit den Stiefeln hat. Hoffentlich drücken sie ein wenig vorne am großen Zeh, verursachen blutige Blasen oder vielleicht dauerhaft Hühneraugen. Das wäre schön.

Anprobiert haben kann er die Schuhe auf jeden Fall nicht. Das steht fest. Denn zwischen dem Moment, in dem er mir das Portemonnaie auf der St. Petersburger Protzstraße Nevski Prospekt entwendete, und dem Zeitpunkt, an dem er die Schuhe zahlte, ist nicht viel Zeit vergangen. Ein entschlussfreudiger Mensch.

Gut: Die Umstände kamen ihm entgegen. Die Auslands-Sperrnummern, alle brav eingespeichert im Handy, funktionierten nicht. Wahlweise meldeten sich russisch-sprechende Menschen, die einfach wieder auflegten, es war besetzt oder es kam eine Fehlermeldung. Eine gute Stunde ging das so. Dann rief ich eine Freundin in Deutschland an, die die Inlands-Sperrnummer anrief, sich für mich ausgab und die Karten letztlich sperren ließ. Das funktionierte. Theoretisch könnte sich also auch irgendjemand für mich ausgeben und meine Karte sperren. Beruhigend. Da wünsche ich doch gleich auch den Herren von der Sperrhotline: Einen wunden großen Zeh! Blasen! Hühneraugen!

Leben ohne Karte - geht doch

Kreditkarten werden definitiv überschätzt. Das fand auf jeden Fall meine Schwester. Auch wer jahrelang im Ausland studiert, kann ohne Visa leben. Sagte sie - und verschwand nach Schweden, Norwegen, wohin auch immer. Was kostet die Welt? Wenig - und das bisschen kann man auch bar bezahlen.

Ich kann nicht ohne meine Kreditkarte leben. Selbst in München nicht. Is so. Ich bin der Konsum-Junkie in der Familie. Zum Glück - für meine Schwester.

Vorlesung, VWL, Mikroökonomie, irgendwann Anfang des Jahrtausends, Montagmorgen, 9 Uhr, Handyklingeln, böse Blicke. Ich verlasse verschämt den Saal. "Hallo. Stör' ich Dich?" Nein, nie. "Also, ich steh hier gerade bei einer Autovermietung in Bergen. Die brauchen eine Kreditkartennummer als Sicherheit. Kein Problem, oder? Ich reich' Dich mal eben weiter."

Heute hat meine Schwester eine Kreditkarte. Ich habe sie ihr - sagen wir - ans Herz gelegt.

Daten nach Afrika abgesaugt

Mit seiner Kreditkarte geht er sehr vorsichtig um. Als Drehbuchautor kommt er in vielen Ländern herum. Und trotz aller Vorsicht ist es ihm dann doch passiert. Plötzlich berechnete ihm die Kreditkartenfirma zwei Flüge, die jemand in Afrika gebucht hatte. Er selbst ist noch nie in Afrika gewesen. 900 Euro waren weg.

Die Kartenfirma hat ihm den Schaden anstandslos ersetzt und selbst auf die eidesstattliche Erklärung verzichtet, von der der Sachbearbeiter zunächst gesprochen hatte. Trotzdem hat er lange gegrübelt: Wie konnte das denn sein? Wo er doch stets so vorsichtig gewesen war. Schließlich ist es ihm eingefallen: Er hatte diese Strandhütte an der mexikanischen Küste entdeckt, wunderschön gelegen, bei einem Ferienanbieter im Internet hatte er sie gesehen. Und sofort zugeschlagen: Gleich von Deutschland aus gebucht und per Kreditkarte bezahlt.

Wahrscheinlich hatte dieser Betreiber keine sichere Leitung benutzt. Und auf ihrem langen Weg nach Mexiko wurden die Daten abgezweigt, vermutlich nach Afrika. Ja, so könnte es gewesen sein, sagt er sich. Und vielleicht wird er das Erlebnis in einem seiner nächsten Drehbücher verarbeiten. Ganz sicher aber wird er künftig noch vorsichtiger sein.

Eine Anzeige, drei Faxe, viele Anrufe

Nein, eine Flugbuchung über 915 Euro mit einer belgischen Gesellschaft wäre nicht dem Gedächtnis entfallen. Die Reise zwei Tage später mit der irischen Ryanair für 1009,94 Euro auch nicht. Und warum das Handy über ein Webangebot namens Aufladen.de mit neuem Gesprächsguthaben in Höhe von 15,10 Euro versorgen? Nie gehört. "Bei uns zahlen Sie bequem mit Visa, Mastercard, Giropay, Überweisung", steht dort im Web.

Das hat sich wohl auch jener Mensch gedacht, der der Kartendaten habhaft geworden ist - und binnen zwei Tagen für fast 2000 Euro online eingekauft hat. Der Anruf bei der Bank stoppt den Einkaufstrip auf fremde Kosten. "Da hat Sie wohl jemand übers Ohr gehauen", tröstet die Dame bei der Bank. Die Karte sperrt sie sofort. Mehr als einen Monat dauert es, eine Anzeige bei der Polizei, drei Faxe an die Bank und mehrere Anrufe braucht es, dann werden die Beträge gutgeschrieben, "unter Vorbehalt", bis der externe Dienstleister den Vorfall geklärt hat. Aber immerhin: Das Geld ist wieder da.

Die Lehre? Erschreckend, wie einfach Betrug mit der Kreditkarte ist. Die Karte hat jetzt 150 Euro Limit. Und bei Reisen im Ausland geht der Griff zu Altbewährtem - zu Bargeld.

Ukrainer am Strand

Wenn ich in Spanien am Strand liege, möchte ich von relativ wenigen Menschen angerufen werden. Die Menschen meiner Kreditkartenfirma zählen nicht dazu. Sie haben trotzdem angerufen.

Sie fragten: Haben Sie gestern mit Ihrer Karte in Spanien bezahlt? Ja. Haben Sie vorgestern in Istanbul bezahlt? Auf keinen Fall. Pause, es knackt in der Leitung, das Meer wird übertönt. Ich erfahre, dass Betrüger sich meine Kreditkartendaten besorgt haben. Jetzt die große Überraschung: Die Frage, ob ich mal in der Ukraine gewesen sei. Ja, antworte ich, vor zwei Jahren. Sehen Sie, sagt mein Gesprächspartner.

Ein Rätsel, das ganze. Offenbar greifen sich gewisse Ukrainer Kreditkartendaten, lassen sie zwei Jahre herumliegen - und shoppen dann in Istanbul für viele hundert Euro. Und die Kartenfirma kennt diese Mechanismen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Betrüger und Kreditkartenfirmen viel mehr über die moderne Welt wissen, als ich es je tun werde.

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