Interview:"Jeder Baum ist ein Unikat"

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Ulrich Uehlein von der Stadt München erläutert die rechtliche Lage für Grundstückseigentümer.

Von Andrea Nasemann

Die Münchner Baumschutzverordnung regelt, wann die Behörde eine Fällung untersagen kann. Ulrich Uehlein, in München für die Planprüfung bei Baugenehmigungen und Fachgutachten bei Einzelfällungen zuständig, erklärt die rechtliche Lage.

SZ: Durch die zunehmende Verdichtung in München müssen viele Bäume gefällt werden. Wie verträgt sich das mit dem Ruf nach mehr Naturschutz?

Ulrich Uehlein: In der Tat gibt es hier eine Konkurrenz um benötigte Flächen. Einerseits braucht man sie für neue Straßen, Gebäude und Gewerbeflächen, andererseits für ausreichende Grünflächen. Ein Beispiel: Eine alte Linde benötigt für ihre Wurzeln circa 150 Quadratmeter, also zwölf mal zwölf Meter. Die Verdichtung beansprucht natürlich Freiflächen, in diesen Bereichen kann man weder Bäume erhalten, noch in derselben Qualität wieder pflanzen. Im Ergebnis stehen damit weniger Flächen für Bäume zur Verfügung.

Also toppt das Baurecht den Baumschutz?

So ist es. Das Baurecht geht immer vor. Allerdings kann die Baubehörde auch gewisse Umplanungen zur Erhaltung von Bäumen verlangen.

Warum gibt es dann eine Baumschutzverordnung?

Es ist schon lange der Wille der Stadtgesellschaft, dass alte Bäume in München erhalten bleiben. Das Schicksal des Baumes soll nicht im alleinigen Belieben des Einzelnen stehen. Bäume übernehmen eine Funktion für das Stadtbild, für Klima und Tierschutz und stellen einen gesellschaftlichen Wert dar, der geschützt werden muss.

Warum wird die Fällung eines Baums beantragt?

Häufige Gründe für einen Fällantrag sind der hohe Pflegeaufwand des Gartens durch Blätter und Früchte sowie Verschattung. Hier sind die Chancen allerdings sehr gering, dass das Fällen erlaubt wird. Besser sind die Erfolgsaussichten, wenn der Baum krank ist und eine akute Gefahr darstellt. Der Eigentümer darf dann den Baum sogar ohne vorliegende Genehmigung fällen lassen. Er muss allerdings die Gefahrenlage gegenüber der Behörde durch Fotos oder Sachverständige dokumentieren. Die Anzeige, dass er den Baum gefällt hat, muss innerhalb von zwei Wochen nach der Fällung erfolgen.

Wenn die Behörde das Baumfällen untersagt, wie kann man sich dagegen wehren?

Gegen den ablehnenden Bescheid kann der Baumeigentümer innerhalb eines Monats vor dem Verwaltungsgericht klagen. Dazu braucht er keinen Anwalt. Die Entscheidung kann - je nach Kammer - unterschiedlich ausfallen. Geht der Fall in die nächste Instanz vor den Verwaltungsgerichtshof, ist ein Anwalt unerlässlich. Die Richter treffen immer eine Einzelfallentscheidung. Jeder Baum ist ein Unikat. Dabei wird abgewogen zwischen dem Wert des Baumes und den konkreten Nachteilen für den Baumeigentümer.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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