Folge der Krise: Baustopp:Dubai geht das Geld aus

Tag und Nacht war der Lärm von Baggern und Kränen zu hören, doch nun steht Dubai still - ausländische Investoren haben ihr Geld abgezogen.

A. Mühlauer u. A. Slavik

Niki Lauda kann wirklich nichts dafür - findet er jedenfalls. "Ich habe mich natürlich informiert, ob das eine seriöse Firma ist, bevor ich unterschrieben habe", sagt Lauda. Aber er könne schließlich nicht das komplette Geschäftsgebaren jeder Firma durchleuchten, mit der er Geschäfte mache. "Ich bin ja kein Wirtschaftsprüfer, und der Becker und der Schumacher auch nicht."

Unterschrieben hatte Lauda - genau wie seine Sport-Kollegen Michael Schumacher und Boris Becker - einen Vertrag mit der deutschen Fondsgesellschaft ACI. Die wollte in Dubai einen Hochhauskomplex bauen und heuerte den früheren Formel-1-Weltmeister als Aushängeschild dafür an. Das war 2007.

"Der Lärm von Baggern und Kränen war immer zu hören"

Knapp zwei Jahre später ist dort, wo die "Niki Lauda Twin Towers" in den Himmel ragen sollten, ein metertiefes Loch - und sonst nichts. Es herrscht Baustopp in Dubai, und das gilt nicht nur für die Projekte von ACI: Etwa zwei Drittel aller Immobilienprojekte im Emirat werden derzeit nicht weiterverfolgt, schätzen Experten. "Es ist fast beängstigend, wie schnell sich die Stadt verändert hat", sagt Inga Bruns. Die 32-Jährige leitet die Investmentgesellschaft World of Fonds, vor fünf Jahren zog sie an den Persischen Golf. "Damals wurde überall gebaut, sogar nachts", sagt Bruns. "Der Lärm von Baggern und Kränen war immer zu hören, das war der Sound dieser Stadt."

Heute ist es ruhig in Dubai, die Maschinen stehen still. "Überall gibt es halbfertige Hochhäuser, eines bombastischer als das andere. Aber im Augenblick geht gar nichts", sagt Bruns. "Die ausländischen Investoren haben regelrecht die Flucht ergriffen."

Herrscherfamilie als Ideegeber

Lange schien es in und für Dubai keine Grenzen zu geben. Die offiziellen Zahlen wiesen dem Emirat Jahr für Jahr höhere Wachstumsraten aus, auch die Bauprojekte mussten immer höher, verrückter und vor allem teurer sein als im Rest der Welt: Pünktlich zur Jahrtausendwende wurde in Dubai mit dem "Burj al Arab" das erste Sieben-Sterne-Hotel der Welt eröffnet; für das Projekt "The Palm" schüttete man Milliarden Tonnen Sand ins Meer, um direkt vor Dubais Küste Inseln für Superreiche entstehen zu lassen. Die Scheichs planten eine Dinosaurier-Welt und das größte Einkaufszentrum der Erde. Nichts, das es nicht geben sollte, in Dubai.

Ideengeber hinter all diesen Projekten war die Herrscherfamilie rund um den mittlerweile verstorbenen Scheich Maktum bin Raschid. Der wollte Dubai zur "wichtigsten Wirtschaftsmetropole der Welt" ausbauen. Dahinter steckte eine simple Überlegung: Anders als in benachbarten Staaten gibt es in Dubai nur wenig Erdöl. Der kleine Wüstenstaat musste sich nach alternativen Einnahmequellen umsehen.

Milliardenprojekte mit zehn Prozent Eigenkapital gestemmt

Dubai versuchte also ausländische Investoren anzulocken - und die staatlichen Banken pumpten billiges Geld in den Markt. "Es gab eine regelrechte Kreditschwemme", sagt Fondsmanagerin Bruns. Mit zehn Prozent Eigenkapital habe man in Dubai Milliardenprojekte finanzieren können.

Die Rekordjagd begann, fortan war nichts mehr unmöglich in Dubai. Die Immobilienpreise stiegen rasant. Großprojekte wechselten oft mehrfach den Eigentümer, bevor überhaupt der erste Spatenstich gesetzt war - immer wieder wurde mit Gewinn weiterverkauft.

Atemberaubende Renditen

Für die Anleger war das verlockend: Die versprochenen Renditen waren atemberaubend, die Steuerersparnisse schienen ungemein reizvoll. In der Hysterie um den Wüstenstaat investierten deutsche Privatanleger Millionen in sogenannte Dubai-Fonds. Niki Lauda und Boris Becker waren auch an Bord, was sollte da schon schiefgehen?

Viele Anleger steckten ihr Geld in geschlossene Immobilienfonds, die in Bürotürme und Hotels investierten. Geschlossene Fonds sind keine Wertpapiere, sondern langfristige Beteiligungen an einer Unternehmung. Dem Anleger gehört ein Stück einer Immobilie. Eine solche Beteiligung ist sehr risikoreich, Investoren müssen im schlimmsten Fall mit dem Verlust all ihrer Einlagen rechnen.

Anleger, die beim größten deutschen Fondsanbieter ACI ihr Geld investierten, stehen nun offenbar kurz davor, alles zu verlieren. ACI steht für Alternative Capital Invest. Bereits im April bekamen die Anleger Post aus Gütersloh, wo das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, Betreff: "Verzögerung der Ausschüttungen".

Rückzahlung des Kapitals verzögert sich

Vor fünf Jahren legte ACI den ersten Fonds auf, mittlerweile wurde die siebte Beteiligungsgesellschaft gegründet und am Markt platziert. Mehr als 8000 Anleger sind laut ACI beteiligt. Allein die Fonds II. bis V. investierten etwa 300 Millionen Euro in Immobilienprojekte des Emirats am Persischen Golf. Ursprünglich sollten diese Fonds schon zum 31. Dezember 2008 aufgelöst werden. Dem sei nun nicht mehr so, wie die Anleger in dem Schreiben erfuhren. ACI teilte mit, "dass sich die Ausschüttungen bzw. Rückzahlungen Ihres Kapitals verzögern werden". Ein definitiver Ausschüttungstermin könne nicht genannt werden. Fast ein halbes Jahr später sieht es immer noch nicht besser aus.

Nur leere Versprechen

Im September fand eine Informationsveranstaltung für die verunsicherten Anleger statt. Außer ein paar leeren Versprechen, gebe es nichts Neues, sagt ein betroffener Anleger. Rechtsanwalt Jens-Peter Gieschen sieht sich bestätigt: "Der Verdacht, dass den ,Traumrenditen‘ von ACI nichts anderes als ein Schneeballsystem zu Grunde liegt, erhärtet sich." Das gesamte Geschäftsgebaren des Fondsanbieters sei undurchsichtig.

Primat der Ökonomie verdrängte alles

Doch auch jene, die nicht den scheinbar wertlosen Verlockungen erlegen sind, müssen sich wohl von ihrem Geld verabschieden. Die Renditen aus der Zeit der Superlative werde man in den kommenden Jahren nicht mehr erreichen, glaubt Fondsmanagerin Bruns. "Nach der Erholung wird alles langsamer gehen. Geringere Renditen, aber dafür nachhaltigeres Wachstum."

Zu lange verdrängte das Primat der Ökonomie alles andere. Nun, in Zeiten der Krise, hat aber selbst die absolutistische Regierung erkannt, dass es noch mehr braucht als Geld, Geld, Geld. Dubai muss nicht nur wirtschaftlich ein Ort werden, wo viele Menschen das tun können, was woanders nicht möglich ist. Denn welcher Elite genügt es, in Konsumtempeln einkaufen zu gehen und am Strand zu liegen?

Philipp Maier ist Leiter der Philharmonie der Vereinigten Arabischen Emirate. Vor viereinhalb Jahren kam der Augsburger nach Dubai. Er sagt: "Das Verständnis, dass Kultur Förderung braucht, auch wenn am Ende keine Rendite dabei herausspringt, ist den Herrschern und Entscheidern schwer begreifbar zu machen."

Abu Dhabi ist schon weiter

Das Nachbar-Emirat Abu Dhabi, eine gute Autostunde von Dubai entfernt, sei da schon weiter. Dort gibt es eine Konzerthalle, und der Star-Architekt Frank Gehry baut eine Filiale des New Yorker Guggenheim-Museums. Auch bei Bildungseinrichtungen und im Gesundheitswesen hat Abu Dhabi die Scheichs von Dubai längst abgehängt - und in Sachen Umweltschutz sowieso.

So gut Abu Dhabi im Vergleich auch dasteht, ein Problem bleibt: Die Einheimischen nutzen die kulturellen Angebote dort nur selten. Als die Wiener Philharmoniker in Abu Dhabi eine Art Neujahrskonzert spielten, war die Konzerthalle halb leer. Und die Scheichfamilie in der ersten Reihe spielte lieber mit ihren Handys.

"Vielleicht", sagt Philipp Maier, "ist es für die Emirate ganz gut, dass Dubais Geld-Blase jetzt geplatzt ist." Es lebe sich viel entspannter, seit alles ein wenig langsamer laufe. Auch deshalb will der Musiker nicht nach Abu Dhabi ziehen. Der Hauptgrund aber ist ein anderer: "In Dubai", sagt er, "sind die Mieten jetzt viel niedriger."

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