Ausländer in der Schweiz:Weg mit dem Steuer-Privileg

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Reiche Ausländer wie Michael Schumacher genießen im Schweizer Steuersystem besondere Vorzüge. In der Bevölkerung wächst der Widerstand gegen das Privileg. Der erste Kanton reagiert - die Folgen sind enorm.

Thomas Kirchner

Michael Schumacher macht es, Phil Collins, Tina Turner, und natürlich auch Theo Müller ("Müller Milch"), der seine Allgäuer Heimat aus Ärger über die hohe deutsche Steuerlast verlassen hat. Sie gehören zu den etwa 4500 reichen Ausländern, die sich in der Schweiz pauschal besteuern lassen. Sie zahlen in etwa der Hälfte der Schweizer Kantone keine Steuer auf ihr Einkommen, sondern eine pauschale Summe, deren Höhe sie mit den lokalen Finanzämtern aushandeln.

Michael Schumacher wohnt nicht in Zürich, in seinem Kanton gibt es noch die Möglichkeit, eine pauschale Steuersumme auszuhandeln. (Foto: AP)

Sie richtet sich nach den Lebenshaltungskosten, beträgt aber mindestens das Fünffache der Wohnkosten. Voraussetzung ist, dass die Betreffenden ihr Geld nicht in der Schweiz verdienen. Für viele Reiche ist das ein phantastischer Deal, im Schnitt zahlen sie nur etwa 100.000 Franken Steuern jährlich, aber auch der gesamtschweizer Fiskus profitiert, denn ohne dieses Lockmittel wären die meisten der vermögenden Neubürger gar nicht ins Land gekommen.

Dennoch regt sich in der Schweiz immer mehr Widerstand gegen das Privileg, das eklatant gegen den Grundsatz verstößt, die Bürger nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern, und natürlich auch die Beziehungen zum Ausland belastet. Als erster Kanton hat Zürich die 1999 eingeführte Sonder-Regelung deshalb wieder abgeschafft, zumindest bei den sogenannten Staats- und Gemeindesteuern, die im Vergleich zur direkten Bundessteuer aber der deutlich größere Brocken sind.

2009 stimmte das Volk einer entsprechenden Initiative der politischen Linken zu, seit 1. Januar ist sie in Kraft. Die Kantonsregierung und die Mehrheit der Parteien hatten die Initiative abgelehnt. Sie fürchteten, die Ausländer würden sofort ihre Koffer packen und etwa nach Österreich oder Großbritannien ziehen, die ähnliche Steuer-Privilegien bieten - eine Angst, die Theo Müller bestätigte, der öffentlich mit seinem Wegzug drohte.

Über die tatsächlichen Folgen hat nun die Finanzdirektion des Kantons informiert. Danach haben von den 201 Pauschalbesteuerten, die Ende 2008 in Zürich registriert waren, 92 den Kanton verlassen, also knapp die Hälfte. 26 zogen ins Ausland, 66 in andere Kantone. Am attraktivsten war der Nachbarkanton Schwyz mit einigem Abstand vor Graubünden und Zug. Bekannt ist nun auch, wie viel Geld die Pauschalbesteuerten dem Zürcher Fiskus zahlen: 2008 waren es 32 Millionen Franken. Viel ist das nicht im Vergleich zu den Summen, die etwa in Genf oder der Waadt fließen.

Und Theo Müller bleibt doch

In den hauptsächlich betroffenen Gemeinden an der "Goldküste", dem sonnigen Nordufer des Zürichsees, hält sich das Bedauern über den Wegzug der reichen Anwohner in Grenzen. Gegenüber dem Zürcher Tages-Anzeiger sprachen die Gemeindeschreiber von Herrliberg und Meilen vielmehr von einem "Gewinn": In die leeren Villen zögen Vermögende, die nun normal besteuert würden und entsprechend mehr zahlten.

Nach ihrem Erfolg in Zürich hat die Alternative Liste auch in anderen Kantonen wie St. Gallen oder Glarus Initiativen zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung auf den Weg gebracht, über die in den kommenden Jahren abgestimmt werden wird. Die Schweizer Regierung will an dem Privileg festhalten - aus "volkswirtschaftlichen Gründen" und wegen der "Standortattraktivität" -, künftig allerdings etwas mehr aus den Ausländern herausholen. In einem Gesetzentwurf schlägt sie vor, künftig mindestens das Siebenfache der Wohnkosten zu berechnen, außerdem soll das minimale steuerbare Einkommen bei der direkten Bundessteuer auf 400.000 Franken sinken.

Und Theo Müller? Der hat seine Drohung doch nicht wahr gemacht und wohnt noch immer in Erlenbach am See. Allerdings zahlt er nun "noch weniger Steuern als vorher", wie ein Vertrauter von ihm der Zeitung Sonntag sagte. Und keine Sorge, alles sei "ganz legal". Offenbar hat der Mann gute Berater.

© SZ vom 11.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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