Vorschlag zur Reform des Urheberrechts:1,50 Euro auf jeden DSL-Anschluss

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Seit Wochen wird über die Zukunft des Urheberrechts gestritten. Der Grüne Thomas Pfeiffer will mit einer Internet-Leerabgabe einen Kompromiss zwischen Kulturschaffenden und Konsumenten finden. Im Gespräch erklärt er, wie er Künstler im digitalen Zeitalter vor dem finanziellen Ruin schützen will.

Pascal Paukner

Thomas Pfeiffer will eine Internet-Leerabgabe zur Finanzierung von Kunst und Kultur. (Foto: Thomas Pfeiffer)

Seit Wochen wird in Deutschland intensiv über die Zukunft des Urheberrechts gestritten. Der grüne Netzpolitiker Thomas Pfeiffer hat nun die Idee einer Internet-Leerabgabe ins Spiel gebracht. Finanzielle Verluste der Künstler sollen durch eine Pauschalabgabe auf Internet- und Mobilfunkanschlüsse aufgefangen werden. Schon ein zusätzlicher Euro pro Handy-Datentarif und 1,50 Euro pro DSL-Anschluss würden monatlich mehr als 53 Millionen Euro in die Kassen spülen, rechnet Pfeiffer in seinem Blog vor.

Süddeutsche.de: Herr Pfeiffer, wann haben Sie zuletzt gegen das Urheberrecht verstoßen?

Thomas Pfeiffer: Sie wollen sicher darauf hinaus, dass man das jeden Tag macht, wenn man auf Facebook irgendwas postet. Tatsächlich aber kann ich mich nicht daran erinnern. Also muss es schon länger her sein.

Süddeutsche.de: Das Urheberrecht wollen Sie aber reformieren. Warum?

Pfeiffer: Wir haben das Problem, dass immer mehr Menschen sich nicht an das geltende Urheberrecht halten. Das muss man zunächst einmal feststellen. Politik und Gesellschaft müssen sich dann fragen: Wie geht man damit um? Eine Variante kann verstärkte Repression sein. Die andere Möglichkeit ist, das Recht an den Alltag der Menschen anzupassen. Ich glaube, man muss eine Mischung aus beidem finden. Hinzu kommt, dass das jetzige Urheberrecht nur professionelle Nutzer, wie Fernsehsender oder Zeitungen kennt. Aber der Nutzer, der in seinem Blog oder auf Facebook Inhalte verwendet, der hat mit dem Urheberrecht kein wirkliches Werkzeug, um seinen Alltag rechtlich sicher zu gestalten.

Süddeutsche.de: Deshalb fordern Sie eine Internet-Leerabgabe. Die damit gewonnenen Einnahmen sollen über die Verwertungsgesellschaften an die Kulturschaffenden ausgeschüttet werden. Im Gegenzug soll das Remixen und anschließende Weiterverbreiten geschützter Inhalte legalisiert werden. Wann ist ein Remix ein Remix?

Pfeiffer: Dann, wenn er eine gewisse Schöpfungshöhe hat. Das kann man schlechterdings nicht konkret im Gesetz festhalten. Im Endeffekt müssen das im Einzelfall Gerichte klären. Ich denke, es ist kein Remix, wenn ich beispielsweise ein Lied von Madonna laufen lasse und da einfach ein paar Fotos drunterlege. Damit würde man die Idee ad absurdum führen. Denn man könnte das Lied dann umsonst weitergeben, das soll aber eben nicht davon abgedeckt sein. Die Internet-Leerabgabe soll eigentlich dafür da sein, eine digitale Privatkopie zu finanzieren. Es ist keine Privatkopie, wenn ich ein Musikstück in ein Filesharing-System einspeise und mit Leuten teile, die ich gar nicht kenne. Es soll auch nicht erlaubt sein, diese Stücke auf YouTube eins zu eins hochzustellen, denn das ist eine öffentliche Plattform.

Süddeutsche.de: Was haben Sie gegen eine Kulturflatrate?

Pfeiffer: Kunst und Kultur haben einen Preis. Wenn alles über eine Pauschalabgabe abrechnet wird, hat alles den selben Preis. Man würde alle über einen Kamm scheren und hätte nicht mehr die Möglichkeit zu sagen: Für diese CD zahle ich gerne 20 Euro, denn der Künstler ist ein armer Schlucker, der hat sonst keine große Fangemeinde. Güte spielt bei der Kulturflatrate keine Rolle mehr. Meiner Meinung nach sollte aber der Preis mit der Güte korrelieren. Man müsste auch klären: Wer ist eigentlich teilnahmeberechtigt an so einer Pauschalabgabe? Habe ich als einzelner Hobbyblogger einen Anspruch?

Süddeutsche.de: Noch immer werden Jahr für Jahr Zehntausende Internetnutzer abgemahnt. Andererseits gibt es, wie jüngst als Reaktion auf ihren Aufruf "Wir sind die Bürgerinnen und Bürger", Forderungen das Urheberrecht ganz abzuschaffen. Sieht nicht aus, als würde die Debatte an Schärfe verlieren. Ist ein Kompromiss überhaupt möglich?

Pfeiffer: Mein Eindruck ist, dass die Debatte sachlicher wird und dass wir vorankommen. Bei "Wir sind die Bürger" habe ich bewusst darauf gesetzt, verbal abzurüsten. Jemand der den Aufruf "Wir sind die Urheber" unterschrieben hat, kann gleichzeitig sagen: Ich bin nicht nur Urheber, ich bin auch Bürger. Klar werden soll: Wir sind für das Urheberrecht. Wir wollen, dass Menschen, die von ihrer Kunst leben wollen, auch die Chance dazu haben, indem sie ihre Kunst verkaufen. Und nicht durch irgendwelche Hilfsprojekte, wie Merchandising oder Konzertkarten. Jemand, der nur Texte schreiben und die vom Verlag drucken lassen will, soll nicht darauf angewiesen sein, abends auf Lesereise zu gehen. Gleichzeitig lehnen wir übermäßige Repression, wie sie in ACTA angelegt ist, ab. Urheberrechtsverletzungen rechtfertigen keine massiven Grundrechtseingriffe. Ich glaube, dass viele Künstler das auch unterschreiben.

Veranstaltungshinweis: Am heutigen Montag findet ab 20 Uhr im Münchener Theater i-camp eine Podiumsdiskussion zum Urheberrecht statt. Moderiert wird sie von Thomas Pfeiffer. Als Diskutanten eingeladen sind:

[] Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion

[] Bruno Kramm, Urheberrechtsbeauftragter der Piratenpartei Deutschland

[] Jochen Greve, Drehbuch-Autor, u.a. für den Tatort

[] Reinher Karl, Verband unabhängiger Musikunternehmen

Die Veranstaltung wird auf Twittwoch.de livegestreamt und von der Süddeutschen Zeitung unterstützt.

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