Konkurrenz für iPhone und Co.:Wie Blackberry 10 die Wende bringen soll

Lesezeit: 3 min

Neuer Chef, neuer Name, neues Produkt: Mit Blackberry 10 will der kanadische Smartphone-Hersteller an alte Glanzzeiten anknüpfen. Es ist wohl die letzte Chance, gegen das iPhone und Android-Handys bestehen zu können.

Von Moritz Koch, New York

Nach den Maßstäben der Technologiebranche sind zehn Jahre eine Ewigkeit. In der Vorzeit der Nullerjahre war das Blackberry ein Statussymbol, exklusiver als die Business Class. Smartphones waren Investmentbankern und Unternehmensberatern vorbehalten; Emails unterwegs zu lesen, war ein Privileg. Die Vorzeit endete im Januar 2007, als der Apple-Chef Steve Jobs das erste iPhone vorstellte. Heute, da Schüler ihre Facebook-Profile auf dem Pausenhof pflegen, ist das Blackberry ein Relikt. Klotzig, ein Telefon für graue Schöpfe. So kann es nicht weitergehen.

Der Mann, der die Zukunft zurückerobern will, heißt Thorsten Heins, ist 55 Jahre alt, und selbst ein grauer Schopf. Seit einem Jahr ist der frühere Siemens-Manager Chef des Blackberry-Herstellers Research in Motion (RIM). Jetzt steht er auf einer Bühne in New York und verkündet erst mal eine kleine Sensation: RIM soll von nun an Blackberry heißen. Heins will die Firma neu erfinden, ein bisschen Namenskosmetik darf da nicht fehlen. Doch in erster Linie soll es an diesem Tag um eine Produktoffensive gehen. Heins reißt zwei Handys in die Luft. Das eine mit Touchscreen, das andere mit Blackberry-typischer Minitastatur. Zwei Versionen des lange erwarteten Blackberry 10.

Fortschritt reicht nicht mehr

Heins weiß: Ein bloßer Fortschritt reicht nicht mehr. Der ganz große Wurf muss her, ein Game Changer, wie die Amerikaner sagen, so weit abgeschlagen ist Blackberry inzwischen. Der Weltmarktanteil ist 2012 auf 4,6 Prozent gefallen. Und auch dieser Wert wurde nur durch Ramschangebote in Schwellenländern erreicht. Apples iPhones und Samsungs Galaxy- Handys sind längst auch für Geschäftsleute interessant geworden - Blackberrys Stammkunden. Die Aktie von RIM, die 2008 auf fast 150 Dollar stieg, notiert heute bei 14 Dollar.

Der neue Chef bemüht sich, Aufbruchstimmung zu verbreiten, das Image zu verbessern. Dabei soll Alicia Keys helfen. Die Sängerin, die zurzeit mit "Girl on Fire" Erfolge feiert, wirbt künftig für das neue Blackberry 10. Heins holte sie unter dem Jubel des Publikums auf die Bühne. Sie sei doch lange eine Blackberry-Nutzerin gewesen, sagte Heins und wollte wisse, warum sie sich zwischenzeitlich abgewandt habe. "Ich war in einer Langzeit-Beziehung mit Blackberry, dann habe ich bemerkt, dass es heißere Typen gibt", gestand Keys. Heins tut alles, um das Ruder herumzureißen. Was sonst bleibt ihm auch übrig? Das Schicksal des Fotokonzerns Kodak hat erst vor einem Jahr daran erinnert, was einem Technologieführer blüht, wenn er den Anschluss an neue Trends verpasst: die Pleite.

Mehr als eineinhalb Jahre mussten die Kunden auf die neuen Modelle warten. Immer wieder musste die Präsentation verschoben werden; der neue Chef war nicht zufrieden mit dem, was seine Programmierer ihm vorlegten. Und während die Software-Ingenieure tüftelten, liefen die Kunden davon. Schätzungen zufolge sind zwischen 2009 und Mitte 2012 in den USA etwa elf Millionen Blackberry-Nutzer auf andere Telefone umgestiegen.

Heins glaubt, dass der Kundenschwund gestoppt werden kann. Hinter Blackberry 10 steckt ein komplett überarbeitetes Betriebssystem. Es soll nicht nur Privatkunden mit intuitiver Bedienbarkeit und einfachem Multitasking überzeugen, es soll insbesondere Unternehmen ansprechen, die ihre Daten auf den Smartphones ihrer Mitarbeiter verwalten wollen. So können IT-Abteilungen auf die neuen Blackberrys zugreifen, um, etwa im Falle einer Kündigung, Unternehmensdaten zu löschen, ohne persönliche Fotos und Kontakte anzutasten.

Die Zeiten, in denen Angestellte zwei Smartphones mit sich herum tragen mussten, eines für dienstliches, ein anderes für privates, sollen damit der Vergangenheit angehören. Besonders stolz ist Heins auf die virtuelle Tastatur, die mehrere Wort-Vorschläge anbietet, sobald ein Buchstabe eingegeben wird. "Schreiben ohne Tippen", nennt Heins das.

Blackberry-Kurs ist hochriskant

Mit der neuen Software hat sich Blackberry für einen potentiell lukrativen, aber hoch riskanten Kurs entschieden. Ganz anders als Nokia, der Konkurrent aus Finnland, der vom Siegeszug des iPhones genauso überrumpelt wurde wie Blackberry. Inzwischen verzichten die Finnen auf ein eigenes Betriebssystem. Auf den neuen Nokia-Handys läuft Windows. Blackberry aber will es allein schaffen. Heins setzt auf alles oder nichts.

Als Heins Anfang 2012 seinen neuen Job antrat, übernahm er ein verunsichertes Unternehmen. Er war als Krisenmanager gefragt, stricht 5000 Jobs und baute die Führung um. Aber sparen allein reicht nicht. Blackberry wird erst wieder profitabel sein, wenn er mit neuen Modellen punkten kann. Analysten glauben, dass Blackberry 10 zu einem günstigen Zeitpunkt kommt. Der Hype um Apple schwächt sich ab; das iPhone 5 bleibt hinter den Erwartungen zurück. Heins hat eine Chance, eine zweite wird er nicht bekommen.

© SZ vom 31.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: